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09.05.09 / Wo Katzen vom Turm fallen / Die Stadt Ypern begrüßt den Frühling mit ungewöhnlicher Parade

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Wo Katzen vom Turm fallen
Die Stadt Ypern begrüßt den Frühling mit ungewöhnlicher Parade

Die Katzen sind los. Riesige Katzen geleitet von Scharen von kostümierten Katzen, Hexen, Narren und Prunkwagen ziehen beim Katzenfest durch das Städtchen Ypern (flämisch:  Ieper), das im Ersten Weltkrieg im Brennpunkt jahrelanger Kämpfe lag und total zerstört wurde. Höhepunkt des tierischen Ereignisses am zweiten Maisonntag ist die Hexenverbrennung auf dem Großen Markt. Über 2000 Statisten feiern alle drei Jahre das große Katzenfest von Ypern. Als „Katzen“, Hexen und Narren verkleidet, begleiten sie die zehn Meter hohen „Katzen“ Cieper und Minneke auf ihrem festlichen Umzug. Die große Katzenparade, geleitet von tanzenden und singenden Katzengruppen, zieht um 15 Uhr los und endet drei Stunden später vor dem Turm des Belfrieds. Oben auf dem 70 Meter hohen Glockenturm wartet der Stadtnarr mit bunter Schellenkappe bereits ungeduldig darauf, von einem Bein aufs andere tanzend, das Publikum mit dem grausigen Katzenwerfen zu belustigen. Er schmeißt die Katzen in die johlende Menge, die versucht, die begehrten Plüschkatzen zu fangen. Danach beginnt die Hexenverbrennung auf dem Großen Markt. Die verdammte Hexe, die natürlich eigentlich eine brave Frau ist, wird auf den Scheiterhaufen geworfen. Tatsächlich wird auf dem echten Scheiterhaufen eine Puppe verbrannt. Schon am Vortag des Umzugs ziehen die flämischen Adligen der verschiedenen Provinzen in die Stadt ein, um eine Hexe und die Katzen zu verurteilen. Mit nicht wenig Spektakel wird die verurteilte Hexe zum Gefängnis gebracht, um dort ihre letzte Nacht zu verbringen.

Die Katzenparade hat eine lange Tradition in Ypern. Schon bei den alten Germanen galt die Katze als ein von der Frühlingsgöttin Freya geheiligtes Tier. Jedes Jahr zog Freya mit einem Katzengespann durch die Luft und kündigte den Frühling an. In christlicher Zeit wurde aus der germanischen Göttin eine Hexe und die schwarze Katze zu einer ständigen Begleiterin der Hexen. Dennoch brauchte man die Katze als Mäusevertilgerin. Vor allem in der Tucherstadt Ypern beschützten Katzen die gesamten Wollvorräte, die im Winter in den Hallen des Belfrieds lagerten. Im Frühjahr, wenn die Wolle verkauft wurde, hatten die Katzen ihre Schuldigkeit getan. Am sogenannten Katzenmittwoch, dem letzten Tag des Volksfestes, warf der Stadtnarr Katzen vom 70 Meter hohen Belfried. Das öffentliche Töten von Katzen wurde vor allem zur Johannisnacht, der Sommersonnenwende, in ganz Europa gefeiert.

Ludwig XIV. ist es zu verdanken, daß erstmals die Katzenverbrennung verboten wurde, was dazu führte, daß die Geistlichkeit die Feuer in den Kathedralen entfachte. Lebende Katzen wurden in Ypern das letzte Mal 1817 in den Tod gestürzt. Als folkloristisches Fest wurde die Tradition der „Katzenopferung“ 1938, allerdings mit Plüschkatzen, wieder aufgenommen. 1955 fand auf Initiative des Bürgermeisters von Ieper, Albert De Hem, die erste Katzenparade statt, bei der die zwei Katzen „Cieper“ und „Minneke“ als Maskottchen der Stadt gefeiert wurden. PAZ


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