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09.05.09 / Unspektakulär, aber solide / Das Verhältnis Deutschland−Italien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Unspektakulär, aber solide
Das Verhältnis Deutschland−Italien

„Mit Italien lebt man wie mit einer Geliebten: heute im heftigen Zank, morgen in Anbetung – mit Deutschland wie mit einer Hausfrau, ohne großen Zank und ohne große Liebe“, höhnte einst der Philosoph Arthur Schopenhauer. Die „Geliebte“ und die „Hausfrau“ verbindet eine lange und wechselhafte Geschichte. Nach Kriegen mit- und gegeneinander und der deutschen Besetzung der Appeninhalbinsel im Zweiten Weltkrieg schien sich das Verhältnis beider Länder im Zeichen der europäischen Integration endlich stabilisiert zu haben. Der Zusammenbruch des Ostblocks führte zu einem grundlegenden Wandel der politischen Weltbühne, auf der das vereinte Deutschland wieder mitredet, während Italien sich im erweiterten Europa marginalisiert sieht. Schon läuten die Alarmglocken vor einem Auseinanderdriften beider Staaten. Der Sammelband „Schleichende Entfremdung? Deutschland und Italien nach dem Fall der Mauer“ untersucht die gegenwärtigen bilateralen Beziehungen auf den Feldern der Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Dabei kommt das Autorenkollektiv zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.

So beobachtet der Herausgeber und Turiner Historiker Gian E. Rusconi eine deutsch-italienische Entfremdung insbesondere auf politischer Ebene. Die Deutschen würden ihren europäischen Nachbarn südlich der Alpen zwar als Kultur- und Lebensstilvorreiter lieben, aber als politischen Partner nicht ernst nehmen. Italien sei durch die Handlungsschwäche der Politik, Rechtsstaatlichkeitsmängel und die wirtschaftliche Dauerkrise gelähmt und habe kein außenpolitisches Gewicht mehr. Dies sei früher anders gewesen, als Adenauer und De Gasperi zu den Einflußgrößen in der Europäischen Gemeinschaft gehörten.

Rusconis beschworene Entente cordiale zwischen Deutschland und Italien vor 1989 hält Mitherausgeber Hans Woller vom Münchener Institut für Zeitgeschichte für einen Mythos. Die aktuellen Beziehungen seien unspektakulär, aber eine solide Basis für die Zusammenarbeit auf subpolitischer Ebene. In diesen Tenor stimmen Autoren wie Rolf Petri ein, der die guten Handelsbeziehungen zwischen Bayern oder Baden-Württemberg und dem italienischen Norden hervorhebt. Während es in der Germanistik dank der Goethe-Institute einen regen wissenschaftlichen Austausch gebe, sei es um die Geschichtsforschung nicht so rosig bestellt. Dem breiten, hochkarätigen Pool deutscher Italienhistoriker stehe kein Pendant italienischer Deutschlandforscher gegenüber und auch Übersetzungen suche man auf beiden Seiten vergeb-lich. Frappierend sei zudem die mediale Gleichgültigkeit, mit der sich Deutschland und Italien gegenseitig abstraften.

Pointiert und lebendig formuliert bietet der Band einen komparativen und kontrastiven Blick auf das deutsch-italienische Miteinander seit 1989. Abgesehen von einigen polemischen Spitzen vermißt man insgesamt jedoch eine kritischere Analyse der jüngsten Beziehungsgeschichte.      Sophia E. Gerber

Gian E. Rusconi / Thomas Schlemmer / Hans Woller (Hrsg.): „Schleichende Entfremdung?“, München 2008, 16,80 Euro


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