19.04.2024

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09.05.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Die Preise fallen / Warum faule Ausreden umsonst sind, wie Erhard Eppler den Deutschen mit Bambule droht, und wieso Berlusconi so populär ist
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die gefürchtete „Deflation“ ist da, die Preise fallen dramatisch. Faule Ausreden kosten mittlerweile so wenig wie ein Bündel Simbabwe-Dollar – gar nichts mehr.

Also: Die Berliner Linkspartei kann nichts für die Mai-Krawalle, weil die ja nicht die Linkspartei, sondern nur ihr Bezirksverordneter Kirill Jermak angemeldet hat. Die junge Herr Jermak, 21 Jahre, kann wiederum nichts für die Krawalle, weil er die „Revolutionäre 1.-Mai-Demo“ nur angemeldet, aber eben nicht mutterseelen­allein durchgeführt hat. Da waren offenbar noch andere gekommen, und die haben dann Krawall gemacht. Wie jedes Jahr. Wie konnte er das ahnen?

Die Krawall-Macher haben  versucht, Polizisten mit Benzin zu übergießen und anzuzünden. Wer dafür verantwortlich ist? Ebenfalls schwer, sehr schwer zu sagen. Der eine ist nur zur Tanke gelatscht und hat den Sprit besorgt, was ja nicht „kriminalisiert“ werden darf. Der nächste hat die Flüssigkeit bloß in Demo-fähige Behälter umgefüllt. Füllen wir nicht alle mal was um? Der dritte ist dann zu dem Polizisten hin und hat den Behälter auf ihm entleert. Hoppla! Der vierte ist schließlich mit Feuer ganz nah an den Beamten ran und ... puff! War bestimmt keine Absicht, nicht wahr, Genosse Jermak? Jedenfalls kein Grund für „voreilige Schuldzuweisungen“ oder „Pauschalverurteilungen“.

Schlechtes Gewissen? Gegen persönliche Schuldgefühle konnten sich die Beamtenverbrenner vorher bei Kirill Jermak immunisieren. Die Polizei habe einen „teilweise faschistischen Korpsgeist“, teilte der Linke-Politiker wenige Tage vor dem 1. Mai mit. Wer als Faschist entlarvt wurde, das weiß am linken Rand jeder, gegen den ist eigentlich alles erlaubt. Feuer frei!

Über irgendwelche parteiinternen Konsequenzen für Kirill Jermak wurde bis Schluß dieser Nummer nichts bekannt. Die Genossen halten zusammen, wobei jeder an seiner Stelle auslotet, wie weit man beim Kampf zur „Überwindung des kapitalistischen Systems“ schon wieder gehen kann, frei nach einer bekannten Mao-Parole heißt es bei den Dunkelroten: Laßt hundert Morcheln stinken!

Allerdings scheint die Bereitschaft der Medien, beim Zerstreuen des Geruchs behilflich zu sein, etwas nachgelassen zu haben durch die Ereignisse. Gut, wie alle Jahre wieder sangen sie das Lied von der „friedlichen Demonstration“, aus der heraus dann „ein Gruppe von gewaltbereiten Autonomen ...“ etc. Aber so richtig glauben will an die „zuvor friedliche“ Demo kaum noch jemand. Gewalttäter sind schließlich immer „friedlich“, bevor sie zur Gewalt übergehen. Selbst Leute, die andere bei lebendigem Leibe abfackeln wollen, müssen zuvor ein paar „friedliche“ Vorbereitungen treffen, siehe oben.

Daß dies jedenfalls noch nicht die heiß ersehnten sozialen Unruhen waren, wenigstens darin herrscht allgemeine Übereinstimmung und in gewissen Kreisen eine unübersehbare Enttäuschung: zu asozial die Typen in Kreuzberg für „sozialen“ Unmut.

SPD-Vordenker Erhard Eppler will dennoch nicht alle Hoffnung fahren lassen und orakelt hinsichtlich der Bundestagswahl: „Wenn es Schwarz-Gelb gibt, dann werden wir ein ziemlich unruhiges Land werden.“ Gewönnen Union und FDP die Wahl, würden die Konflikte nämlich „auf der Straße ausgefochten“. Der 82jährige ist sichtlich beleidigt über die Umfrageergebnisse des gegnerischen Lagers. Wenn die Geschichte „logisch“ verliefe, müßten die Bürgerlichen doch jetzt „am Stock gehen“, ereifert er sich. Tun sie aber nicht. Und wenn sich das nicht ändert, sind eben die Wähler schuld, wenn’s im Herbst rund geht auf unseren Straßen.

Begründen tut Eppler seine düstere Aussicht damit, daß wir keineswegs auf so „dickem Eis“ seien, wie wir glaubten. Wenn er damit die Stabilität von Demokratie und Rechtsstaat meint, hat er möglicherweise recht. In Berlin konnte ein christdemokratischer Politiker von Extremisten am Aufstellen eines Infostandes im Vorwege mit wüsten Drohungen gehindert werden, derweil ihm der Polizeipräsident jeden Schutz verweigerte. Und ein in seiner Partei angesehener SPD-Politiker wie Eppler droht dem Land mit Bambule, falls im September die Falschen gewinnen. Alle Achtung, da sind wirklich schon ganz schöne Risse im Eis.

Die Risse machen der Masse der Deutschen Angst, was Angela Merkel zugute kommen könnte. Die Kanzlerin setzt auf ihre Mischung aus Ruhe und Undefinierbarkeit, die bei den Deutschen gut ankommt, selbst wenn dabei wenig herauskommt. Damit holt sie sogar Stimmen von der FDP zurück. Deren Chef Guido Westerwelle verfolgt das mit Unbill und steuert aufgeschreckt gegen. Jüngst hat er die eingebürgerten, im Grunde konservativ ausgerichteten Mittelschichtler türkischer Herkunft entdeckt. Die wählen meist rot oder grün, obwohl sie oft eher Union oder Liberalen nahestehen sollten. Nun hat Westerwelle sich dafür starkgemacht, der Türkei die Tür zur EU nicht endgültig zuzuschlagen, wie die Union das wolle. Stattdessen müßten die Beitrittsverhandlungen „ergebnis­offen“ weiterlaufen.

Auf diese Weise will er die türkisch-stämmigen Wahlbürger, denen das „C“ nicht schmeckt oder die schwarze EU-Türkei-Politik, in sein Boot holen. Schlau, denn er legt sich dabei ja nicht mal fest, „ergebnisoffen“, das kann alles und nichts bedeuten. Der Chefliberale hat einiges von Angela Merkel gelernt. Daß es am Ende heißen könnte, auf diese Weise sei die unvermeidliche EU-Absage an die Türkei zum Schaden der Beziehungen nur noch weiter hinausgezögert worden, das ist für den laufenden Wahlkampf nun wirklich ohne Bedeutung.

Überhaupt darf man diese Dinge nicht so bierernst nehmen. Eine dieser Tage vielzitierte Studie zeigt, daß wir weitaus entspannter sind, als viele glauben: Die Deutschen sind wieder patriotisch, aber ganz unverkrampft. Soll heißen: Sie mögen ihr Vaterland wieder, aber nur eine kleine Minderheit würde sich auch für die Nation freiwillig einsetzen, gar Opfer dafür in Kauf nehmen. Die Autoren der Untersuchung nennen das „Kaffeehaus-Moral“, der alles Titanisch-Heroische fern liegt. Einerseits sympathisch beruhigend, andererseits auch nicht: Was, wenn diese Deutschen und ihr Patriotismus einmal durchgeschüttelt werden von einer echten Herausforderung? Wird uns Deutschland dann zu anstrengend und einfach weggelegt?

Ach! Da ist sie wieder, diese deutsche Grübelei! Immer die Götterdämmerung im Nacken. Unsere italienischen Freunde machen es sich viel leichter, die brauchen kein Mütterchen Merkel, das sie in wackliger Zeit so sanft wie durchtrieben in den Halbschlaf säuselt. Italien ist ein wurmstichiges Prachtmöbel, in dem zwar der Holzbock sein Wesen treibt, das aber trotzdem stehenbleibt. Der geilste der Böcke ist Silvio Berlusconi selbst, wenn man seiner Frau Veronica Lario glauben darf. Die beiden zausen sich in aller Öffentlichkeit wie die letzten Glieder einer verwesenden Barockdynastie. Die 52jährige behauptet, der 20 Jahre ältere Gatte treibe sich mit 18jährigen herum. Die Italiener sind begeistert, Berlusconi feiert sich selbst als den beliebtesten Regierungschef unter der Sonne, noch vor Obama und Brasiliens Lula da Silva. (Lula heißt gar nicht Lula, das ist sein Spitzname und bedeutet Tintenfisch. So nennen ihn die Brasilianer, weil er immer alle so sehr umarmt, daß man meint, er habe unzählige Arme.)

Berlusconi nennt sich sogar schon den „Jesus der italienischen Politik“ und behauptet, nur Napoleon übertreffe ihn an politischem Format. Dafür sei er aber größer gewachsen als der kurze Korse.

Die verzweifelte Opposition wundert sich nur. Vom Ehekrächen oder Scheidungen von Politikern habe früher in Italien nie jemand erfahren. Tja, und wovon sie wirklich leben oder in wessen Diensten sie tatsächlich stehen, leider auch nicht. Vielleicht ist es gerade die schamlose Offenheit, die Berlusconi so beliebt macht.


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