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16.05.09 / Nur noch eine Stimme Mehrheit / Wowereits rot-roter Senat am Limit: Noch ein Übertritt, und es ist aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Nur noch eine Stimme Mehrheit
Wowereits rot-roter Senat am Limit: Noch ein Übertritt, und es ist aus

Aus Verdruß über die Verteilung lukrativer Ämter ist eine SPD-Parlamentarierin im Berliner Abgeordnetenhaus zu den Grünen gewechselt. Schon wird an der Spree über neue Koalitionsmöglichkeiten jenseits von Rot-Rot und sogar über Neuwahlen spekuliert. Aber Wowereit will durchhalten.

Canan Bayram, SPD-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus, hat ein neues Parteibuch und gehört nun den Grünen an. Ihr Parlamentsmandat nahm sie dabei mit. Damit ist die Mehrheit der rot-roten Rathauskoalition auf eine einzige Stimme geschrumpft. Für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wird es eng.

Zwar gibt es noch keine weiteren konkreten Austrittsdrohungen aus den Koalitionsfraktionen. Dennoch klopfen die Rathaus-Astrologen nun die Reihen von SPD und Linkspartei auf jeden möglichen Wackelkandidaten ab. Da ist etwa der Abgeordnete Carl Wechselberg von der Linken. Wechselberg hat dem Vernehmen nach fundamentale Probleme mit dem Kurs der eigenen Partei. Er erklärte jedoch, das rot-rote „Projekt“ nicht gefährden zu wollen.

So beschäftigt sich das politische Berlin einstweilen mit dem Schwall an Vorwürfen, den Canan Bayram gegen die SPD richtet. Die Ausländer- und Integrationspolitik, die Frauen- und Gleichstellungspolitik und schließlich die Personalpolitik bei der Besetzung von Vorstandsposten landeseigener Betriebe erzürnen die nunmehrige Grünen-Politikerin. Die SPD-Spitze gibt sich verwundert: Bis zu ihrem Austritt sei nicht die leiseste Kritik an den angeblichen Mißständen aus Bayrams Mund zu hören gewesen.

Hinter vorgehaltener Hand werden denn auch andere Motive für den Parteiwechsel herumgereicht. Besonders empörte Bayram sich nämlich darüber, daß der Vorstand des landeseigenen Verkehrsunternehmens BVG komplett mit Männern besetzt sei. Laut Gleichstellungsgesetz hätte im Frühjahr ein freier Posten an eine Frau vergeben werden müssen. An wen sie dabei konkret gedacht hat, sagte Bayram nicht. Dennoch hat sie mit ihrer Kritik an der „ungerechten“ Pfründe-Verteilung auch Stirnrunzeln ausgelöst. Diese könnten ohnehin Parteienverdrossene als Bestätigung dafür nehmen, daß es „den Politikern“ nur darum geht, an lukrative Posten zu gelangen.

Indessen wollen die SPD-Frauen jetzt Ernst machen mit der Teilhabe an der Beute: Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), in der alle weiblichen SPD-Mitglieder automatisch zusammengefaßt sind, will beim Landesparteitag Mitte Mai beantragen, die Besetzung des BVG-Vorstandes rückgängig zu machen. Die ASF erhält dabei Rückendeckung durch Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), die eine Überprüfung des Vorgangs forderte. Die Landesvorsitzende des Arbeitskreises Sozialdemokratischer Juristinnen (ASJ), Vera Junker, sekundiert: „Laut Gesetz hätte der BVG-Vorstandsposten ausgeschrieben werden müssen, um einer Frau überhaupt die Chance zu geben, sich zu bewerben.“

Kaum war Canan Bayrams Parteiwechsel erfolgt, denken einflußreiche Sozialdemokraten wie der frühere Bundesgeneralsekretär der Partei Klaus-Uwe Benneter über einen Koalitionswechsel nach. Zwar wäre eine rot-grüne Regierung in Berlin rechnerisch denkbar, aber die Fraktionschefin der Grünen im Deutschen Bundestag, Renate Künast, erteilte derartigen Überlegungen eine Absage und forderte stattdessen Neuwahlen (regulärer Termin ist der Herbst 2011). Das verwundert wenig, denn nach den jüngsten Umfragen könnte ihre Partei bei Neuwahlen mit einem Stimmenzuwachs von vier Prozentpunkten rechnen. Auch die FDP würde bei Neuwahlen laut derzeitigen Umfragen etwa drei Punkte besser abschneiden. Die CDU würde laut den Demoskopen indes nur geringfügig zulegen. Dennoch erklärte CDU-Landes- und -fraktionschef Frank Henkel am Wochenende auf dem kleinen Landesparteitag der Berliner Union, daß Neuwahlen an der CDU nicht scheitern würden.

Da Neuwahlen aber rechnerisch ein Ende der derzeitigen rot-roten Regierungsmehrheit vermuten ließen, geht in der Hauptstadt derzeit niemand ernsthaft davon aus, daß SPD und Linkspartei es darauf ankommen ließen.

Derweil wird in sozialdemokratischen Kreisen das böse Gerücht gestreut, Canan Bayram habe in ihren Kreisverband Kreuzberg-Friedrichshain Schwierigkeiten gehabt, wieder einen aussichtsreichen Listenplatz zu ergattern. Dort heißt es auch, Bayram wolle sich dafür rächen, daß der Kreisverband ihre Bemühungen um ein Bundestagsmandat nicht unterstützt habe. Hans Lody

Foto: Zu den Grünen  gewechselt: Canan Bayram im Gebäude des   Preußischen Landtags, dem Sitz des Berliner Abgeordnetenhauses


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