27.04.2024

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16.05.09 / Bedenkliche Routine

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Bedenkliche Routine
von Harald Fourier

Natürlich sind Berliner, die auf die alljährlichen Maikrawalle angesprochen werden, ziemlich genervt. Vor den diesjährigen, schweren Ausschreitungen befragte der Radiosender Energy seine Hörer, und die Reaktion war eindeutig: Ein junger Friedrichshainer sagte zum Beispiel, er habe gerade einen Aushang im Treppenhaus gelesen, daß er das Haus während der zu erwartenden Krawalle lieber nicht verlassen solle. „Das kotzt mich an“, sagte er wörtlich. Eine junge Hörerin schimpfte über die Autonomen und meinte, die Demo gehöre verboten. Ein älterer Berliner schließlich  sagte, die Gewalttäter gehörten nach Helgoland deportiert, dort könnten sie keinen Schaden mehr anrichten. (Schade wäre es allerdings um Helgoland.)

Nach den Ausschreitungen gab es eine  Welle der Sympathie für die verletzten Polizisten. Es waren so viele wie noch nie. „Die Polizisten können einem leidtun“, schrieb ein Leser der „BZ“. Ein anderer fragte: „Wie lange muß sich unsere Polizei noch verheizen lassen?“

Die Berliner sind sauer, aber sie tragen es mit stoischer Gelassenheit. Selbst die, die persönlich betroffen sind. Zum 1. Mai verrammeln die Kneipenbesitzer in Kreuzberg ihre Läden, sobald es dunkel wird. Die Banken und Juweliere haben dann sowieso schon lange ihre Jalousien heruntergelassen. Danach bricht regelmäßig der Sturm los – in Form der „revolutionären 1.-Mai-Demo“.

Das Ritual ist immer das gleiche. Nur so ist es zu erklären, daß die Berliner in den betroffenen Stadtteilen – neben Kreuzberg auch noch Neukölln, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Mitte – so gelassen damit umgehen. Sie handeln wie die leidgeprüften Einwohner Floridas, wenn die Hurrikan­saison beginnt: alles vernageln, abschließen, das Weite suchen. Gegen die Randale können sie sowieso nichts tun – die ist wie ein Naturereignis.

Es ist problematisch für ein Gemeinwesen, wenn die Bürger das Gefühl haben, daß an bestimmten Tagen automatisch die Regeln  außer Kraft gesetzt sind. Noch schlimmer ist es, wenn sie dann völlig gleichgültig werden. Das tun ja nicht nur die Berliner in den anderen Bezirken, sondern selbst die Leute, die an den Brennpunkten leben (müssen). Dem einzelnen kann man nicht einmal einen Vorwurf machen: Es ist der Überlebenstrieb, der uns dazu bringt, mit den Dingen umzugehen, wie sie nun einmal sind. Doch die daraus erwachsene Kultur des murrenden Hinnehmens ist die Kultur von Untertanen. Bürger einer Demokratie dagegen müssen sich gegen diese Verhöhnung ihres Gemeinwesens erheben, wenn sie nicht zusehen   wollen, wie es untergraben wird.


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