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16.05.09 / Napoleons erste Niederlage / Aspern 1809: Eine Risikobereitschaft, »die an Wahnsinn grenzt« ­– Insgesamt 45000 Tote und Verwundete

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Napoleons erste Niederlage
Aspern 1809: Eine Risikobereitschaft, »die an Wahnsinn grenzt« ­– Insgesamt 45000 Tote und Verwundete

Bis Aspern hatte auch das verwegenste Risiko sich für Napoleon ausgezahlt: der an den langen Flanken ungedeckte Vormarsch in die Steiermark 1797, das ohne jegliche feste Basis begonnene ägyptische Abenteuer 1798/99 inklusive Rückfahrt nach Frankreich mitten durch die feindliche englische Flotte hindurch, die halsbrecherische Kriegslist von Austerlitz im Jahre 1805. Doch bei Aspern überspannte der als genial verehrte Feldherr den Bogen.

Im Fünften Koalitionskrieg von 1809 hatte Napoleon den österreichischen Feind zunächst aus Bayern hinausgeworfen. Aber die Österreicher, unter der fähigen Führung des Erzherzogs Karl, des Bruders von Kaiser Franz, waren nicht vernichtet worden, sondern nach Böhmen entkommen. Napoleon entschloß sich nun, entlang der Donau nach Wien zu marschieren, das er am 13. Mai besetzte, ohne zu wissen, wo genau in seiner linken Flanke der Erzherzog stand. Nun, der war inzwischen bis nach Korneuburg ge­rückt.

Napoleon mußte gegen Karl schnell losschlagen, bevor dessen Bruder, Erzherzog Johann, mit beträchtlichen Kräften von Graz heranrücken konnte. Also war die Donau zu überschreiten, denn irgendwo im Norden war Karl anzutreffen. Der Fluß war breit, führte Hochwasser, strömte stürmisch, alle Brücken bei Wien waren zerstört. Man wählte den Weg aufs Marchfeld über die Insel Lobau, und es mußte schnell gehen, weshalb die Schiffsbrücke nicht mit Palisaden stromaufwärts geschützt wurde. Am Morgen des 21. Mai, den Pfingstsonntag, begann der Übergang.

Der französische Aufklärungsdienst hatte vollständig versagt, aber der Erzherzog beobachtete vom Bisamberg aus den Übergang genau und setzte um 10 Uhr seine Infanterie in Bewegung, um die linke Flanke des Feindes bei Aspern anzugreifen, die rechte bei Eßling, zwei Kilometer östlich davon. Da die Donau angeschwollen war, erfolgte der Übergang der Franzosen so schleppend, daß sie um 15 Uhr, dem Zeitpunkt des österreichischen Angriffs, nur 50000 gegen 75000 Mann setzen konnten. Sie hatten wegen eines Staubsturmes den Anmarsch des Erzherzogs überhaupt nicht wahrgenommen.

Aber sie wehrten sich hart, bis sich um 17 Uhr ein Halbkreis rund um Aspern gebildet hatte, aus dem heraus Karl den Angriff auf das Dorf befahl, um dem Feind den Rückzug abzuschneiden. Das gelang nicht. Zwischen Aspern und Eßling prallten die beiden Kavallerien aufeinander. Als die Sonne sank, hatten alle von Napoleon fieberhaft über die teilweise beschädigte Brücke herbeibeorderten Reserven nichts daran ändern können, daß die Österreicher ihn bei Aspern und Eßling abriegelten.

Um 5 Uhr am Morgen des 22. Mai griffen Karls Truppen erneut bei Aspern an. André Masséna, einer der fähigsten Marschälle der Franzosen, warf sie zurück. Der Kaiser erkannte, daß Karl nicht den Schwerpunkt auf sein Zentrum zwischen Aspern und Eßling gelegt hatte, und setzte daher hier Marschall Jean Lannes, ebenfalls einen seiner Bewährtesten, zum Gegenstoß an. Unter hohen Verlusten kamen die Franzosen hier gegen das II. Korps, das unter dem Prinzen Franz Xaver von Hohenzollern-Hechingen focht, voran. Der Erzherzog befürchtete einen Durchbruch, ergriff selbst die Fahne eines Grenadier-Regimentes, stürmte zu erneutem Angriff vor.

Um 8 Uhr erfuhr Napoleon, daß die Lobau-Brücke wegen des Hochwassers unpassierbar geworden war, gab daher alle Durchbruchsversuche auf und beschränkte sich auf die Behauptung von Aspern und Eßling. Um 10 Uhr befahl der Erzherzog den Generalangriff. Gegen 12 Uhr war die Brücke repariert – und brach wieder zusammen. Nun blieb Napoleon nur noch übrig, sich geordnet vom Feind zu lösen. Gegen seinen ausdrücklichen Befehl warf seine Elitetruppe „Junge Garde“ die Österreicher aus Eßling wieder heraus, und er lobte das anschließend sogar: „Wenn ihr jemals gut daran getan habt, meine Befehle nicht auszuführen, so ist das heute gewesen, denn die Rettung des Heeres hing von der Wiedereroberung von Eßling ab!“

Die überlegene österreichische Artillerie wurde aus kurzer Distanz todbringend eingesetzt. Um 15 Uhr setzte Napoleon auf die Insel Lobau über, Marschall Lannes wurde tödlich verwundet, Marschall Masséna sorgte bis in die Nacht hinein meisterhaft für einen möglichst verlustarmen Rückzug.

Der Kaiser verfiel, gewissermaßen zur psychologischen Abschirmung seiner allerersten Niederlage, in einen Tiefschlaf von 36 Stunden. Die Franzosen hatten zirka 22000 Mann an Toten und Verwundeten zu beklagen, die Österreicher über 23000. Der Erzherzog tat zur Verfolgung – überhaupt nichts, was den Historiker Friedrich Max Kircheisen zu dem Kommentar veranlaßte: „Obwohl man sagen muß, daß die Art, in der Napoleon das Schicksal herausforderte, indem er sich ohne Kenntnis der österreichischen Stellungen in eine Schlacht einließ, und ohne seinen Flußübergang abzustützen und ohne seine Kräfte auf der Insel Lobau zu vereinigen, geradezu an Wahnsinn grenzte, ist es ebenso zweifelsfrei, daß die unterlassene Ausnützung des Siegs durch den Erzherzog gleichermaßen unglaublich ist.“ Bernd Rill

Foto: Schlacht bei Aspern: Die Franzosen konnten den Brückenkopf links der Donau nicht halten.


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