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16.05.09 / »Die Welt im Kleinformat« / Eine Ausstellung mit Exlibris spiegelt die kulturelle Verfassung des Bürgertums um 1900

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

»Die Welt im Kleinformat«
Eine Ausstellung mit Exlibris spiegelt die kulturelle Verfassung des Bürgertums um 1900

Seit dem 15. Jahrhundert dienten Exlibris, kleine graphische Kunstwerke, als Signet des Bücherfreundes. Im Museum Schloß Moyland werden derzeit besondere Exemplare dieser „Welt im Kleinformat“ ausgestellt.

Bücher zu verleihen und sie später auch wiederzubekommen birgt ein gewisses Risiko. Jeder Bücherfreund wird es schon einmal erlebt haben, daß ein liebgewonnenes Exemplar aus der eigenen Bibliothek nicht wieder zurückkam. Kein Wunder also, wenn man die eigenen Bücher mit dem Namen des Besitzers kennzeichnete, entweder mit Kugelschreiber oder Füller, auch ganz vornehm mit einem Exlibris (von lat. ex = aus und libris = Büchern), so wie die Großeltern es einst taten.

Exlibris, die in Frankreich „marque de possession“, in England „bookplate“ und in Holland „boekmerken“ genannt werden, „sind Blätter mit graphischem Bildschmuck und geschriebenem, in der Regel jedoch gedrucktem Text“, erläutert Alexander Grönert, Kurator der Ausstellung „Die Welt im Kleinformat – Klein- und Gebrauchsgraphik aus der Blütezeit der Exlibris“, die im Museum Schloß Moyland in Bedburg-Hau nahe Kleve in Nord-rhein-Westfalen zu sehen ist. „Wort und Bild bezeichnen den Eigentümer des Buches oder, wenn das Exlibris als Sammlerstück konzipiert ist, den Auftraggeber des graphischen Blattes beziehungsweise jene Person, der es gewidmet ist.“

Die Ausstellung mit rund 850 Exponaten gibt jetzt erstmals einen umfassenden Überblick über die Blütezeit des Exlibris im deutschsprachigen Raum in der Zeit von 1890 bis 1930. Zu sehen sind darüber hinaus ausgewählte Beispiele aus der Geschichte des Exlibris seit 1500 und zeitgenössische Exlibris, die mit den technischen Mitteln der Fotografie und des Computers gestaltet wurden.

Eingeklebt wurden die Exlibris in den vorderen Buchdeckel und waren meist kleine Kunstwerke. Um 1900 weckten diese druckgraphischen Blätter die Leidenschaft der Sammler. Damit begann die Entwicklung des Exlibris zum Kunstblatt und modernen Persönlichkeitszeichen. „An der Wende zum 20. Jahrhundert“, so Grönert, „kristallisierte sich zunehmend die Unterscheidung in sogenannte Gebrauchs- und Luxus-Exlibris heraus. Die ersten waren dazu geeignet, in Bücher geklebt zu werden, die zweiten waren meist zu groß und vor allem zu wertvoll, um zur Kennzeichnung von Buchbesitz verwendet zu werden. Das Gebrauchs-Exlibris wurde zur gestalterischen Aufgabe der Gebrauchsgraphik, das Luxus-Exlibris zur Aufgabe der freien Kunst.“

Symbolismus und Jugendstil bereicherten die Bildwelt und den Formenschatz der ausdrucksvollen Bildzeichen, und namhafte Künstler gestalteten im Exlibris feinsinnige Charakterporträts ihrer Auftraggeber. „Die Vorlieben der Exlibris-Besitzer, ihr persönlicher Geschmack, ihre weltanschaulichen Vorstellungen und gesellschaftlichen Überzeugungen, der Geltungsdrang und das Bildungsideal des Bürgertums, all das läßt sich aus den kleinen Blättern herauslesen“, betont Ausstellungskurator Alexander Grönert.

„So gesehen erweist sich das Exlibris als ein Spiegel der kulturellen Verfassung des Bürgertums um 1900.“

Zu den herausragenden Künstlern jener Zeit gehört Max Klinger (1857–1920), in dessen Werk sich 57 Exlibris finden. Seine Blätter „waren nicht als autonome Kunstwerke beabsichtigt“, so Grönert, „sondern als Gebrauchsgraphik für gebildete Freunde, Kollegen und Familienmitglieder. Nichtsdestoweniger sind sie Meisterleistungen der Radierung …“

Eher als Architekt und Gestalter war Peter Behrens (1868–1940) bekannt. Auch er schuf einige Exlibris, die zum Teil vom Jugendstil geprägt, zum Teil aber auch geometrisierende Formen zeigen. Selbst Käthe Kollwitz (1867–1945) hat sich dieser Kunstform zugewandt, ein Exlibris für ihren Sohn Hans aus dem Jahr 1908 ist in der Ausstellung zu sehen.

Mehr als 200 Blätter umfaßt das Exlibris-Werk ihres Landsmanns Robert Budzinski (1874–1955). Inspiriert wurde der Ostpreuße in seinen Motiven durch die Landschaft seiner Heimat, aber auch durch das Leben in und mit der Natur. Hans Thoma (1839–1924) hingegen ließ sich vom alltäglichen Geschehen anregen, so bei einem Exlibris für Adolf von Gross, auf dem ein Drachenbändiger zu sehen ist. Eine Anspielung auf dessen Tätigkeit als Verwaltungsrat der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele, für die der Maler aus dem Schwarzwald 1896 die Kostüme entwarf. Eine besondere Abteilung in der Ausstellung widmet sich den Exlibris-Gestaltern aus Böhmen und Mähren. Alfons Maria Mucha (1860–1939) aus dem mährischen Ebenschütz nimmt als Vertreter des Jugendstils eine herausragende Rolle ein.

So unterschiedlich die Künstler sind, so verschieden sind auch die Motive auf den Exlibris. Ein Abbild der Welt vor gut 100 Jahren zeigen sie allemal.         Silke Osman

Die Ausstellung „Die Welt im Kleinformat“ im Museum Schloß Moyland, Am Schloß 4, Bedburg-Hau, ist bis zum 14. Juni dienstags bis freitags von 11 bis 18 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 7 / 3 Euro; zur Ausstellung ist ein Katalog (230 Seiten, gebunden mit zahlr. Abbildungen, 34,90 Euro) erschienen.

Foto: Exlibris heute und damals: Die Darstellung hat sich kaum geändert (rechts eine Radierung von Robert Budzinski, links eine Federzeichnung eines unbekannten Künstlers).


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