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23.05.09 / Ringen um den Welfenschatz / US-Anspruchsteller fordern Herausgabe der mittelalterlichen Kleinodien – Stiftung wehrt sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Ringen um den Welfenschatz
US-Anspruchsteller fordern Herausgabe der mittelalterlichen Kleinodien – Stiftung wehrt sich

Erben jüdischer Händler fordern von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Herausgabe des Welfenschatzes. An der Berechtigung dieser Ansprüche gibt es jedoch starke Zweifel.

Der jüngst von in den USA ansässigen Erben geforderte Welfenschatz soll unter unfairen Bedingungen 1935 erworben worden sein. Es handelt sich hier um eine Sammlung mittelalterlicher Kunstschätze – zumeist aus Gold. 1928 versuchte der Enkel des letzten Königs von Hannover, die letzten 82 Stücke der Sammlung zu Geld zu machen und verlangte 82 Millionen Reichsmark, die er aber nicht erlösen konnte. Schließlich zahlten drei Frankfurter Kunsthändler jüdischen Glaubens im Januar 1930 acht Millionen Reichsmark und begannen danach, die Stücke einzeln mit Gewinn zu verkaufen.

Die eher schlecht verkäuflichen 42 Reststücke des Welfenschatzes erwarb der Preußische Staat 1935 zum Preis von gut 4,2 Millionen Reichsmark. Nach Kriegsende wurden diese 42 Sammlungsstücke von US-Truppen beschlagnahmt, später übergab die Besatzungsmacht dem Land Hessen die Sammlung. 1957 schließlich ging der Rest des Welfenschatzes in das Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über.

Auf der Washingtoner Konferenz vom Dezember 1998 haben sich 44 Unterzeichnerstaaten verpflichtet, NS-verfolgungsbedingte Vermögensverluste, die sogenannte Raubkunst, aufzuklären und gerechte (Rückgabe-)Regelungen mit den Alteigentümern zu treffen. Formal betroffen ist nur staatlicher Sammlungsbesitz. Mehr und mehr aber tritt nicht lupenreine Raubkunst ins Visier von Rückgabeforderungen. Mit dem Vorwurf, die Gegenstände seien zur NS-Zeit unter Zwang zu günstig verkauft worden, drängen mehr und mehr Erben Museen zu Zahlungen oder zur Herausgabe ihrer Ausstellungsstücke. Lehnt ein Museum oder ein Privatsammler die Übergabe ab, bleibt den Fordernden nur der Gang zu den Gerichten. Die Anwälte werden dann auf der Basis von Erfolgsbeteiligung tätig. Laut Vereinbarung betrifft die Rückgabe von Kunstschätzen indes nicht alle kriegsbedingt geraubten Kunstschätze, sondern nur solche, die sich ehemals in jüdischem Besitz befanden.

Die Washingtoner Prinzipien gelten nicht für juristische Personen, wie Stiftungen, in deren Sammlungsbestand sich Raubkunst befindet, weil sie formaljuristisch kein Staatseigentum sind. Mit dieser Argumentation verweigerte sich die in Wien ansässige, 1994 gegründete Leopold-Stiftung. Der Nachkriegssammler Rudolf Leopold hatte Tausende expressionistische Kunstwerke, Schwerpunkt Egon Schiele, in Jahrzehnten zusammengetragen, diese an die von der Republik Österreich und der österreichischen Nationalbank gegründete Stiftung übereignet und als Gegenleistung eine jährliche Leibrente vereinbart. Die Stiftung hat dann eines ihrer Bilder in die USA ausgeliehen, welches auf Veranlassung der dort ansässigen Anspruchsteller beschlagnahmt wurde. Eine ganze Anwaltsindustrie lebt in den USA von derartigen „Restitutionsprozessen“. Dort hat man angebliche Ansprüche in zahlreichen europäischen Ländern ausgemacht, die sich aber nicht durchsetzen lassen, weil man beispielsweise weder in Österreich, Liechtenstein oder der Schweiz noch in Spanien bereit ist, derartige Ansprüche zu befriedigen. Deutschland verhält sich hier weitaus entgegenkommender.

Mitte der 90er Jahre erhielten die Erben des jüdischen Kaufmanns Jakob Michael zahlreiche Grundstücke in der Berliner Innenstadt zurück, obwohl ihr Vorfahre schon 1931 ausgewandert war und sein Besitz seit 1932 schuldenbedingt unter Zwangsverwaltung stand. Entscheidend war letztlich der Zeitpunkt der Enteignung – und der lag nach der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers.

2008 erhielt nun die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein „freundlich gehaltenes Schreiben“ des Anwalts Markus Stoetzel. Der Jurist erbat Auskunft darüber, unter welchen Umständen die Berliner Museen 1935 die wesentlichen Teile dieses mittelalterlichen Konvoluts erworben hätten. Die Antwort aus Berlin fiel knapp aus: „Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz besteht nach den hier bekannten Erwerbsumständen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Anlaß zu der Annahme, daß der Ankauf des Welfenschatzes 1935 als NS-verfolgungsbedingter Entzug zu bewerten sein könnte.“ Damit wäre wohl in jedem anderen europäischen Land die Angelegenheit erledigt, aber Stoetzel entfaltete weitere Aktivitäten. Nachdem die Stiftung die Rückgabe verweigerte, haben Veröffentlichungen in der „Zeit“ und der „Tageszeitung“ den moralischen Druck auf die Stiftung erhöht, und Stoetzel führt nun eine Dokumentation ins Feld. Ob die Stiftung nun freiwillig zahlt, oder ob es zu einem Prozeß kommt, ist noch ungewiß. Kritiker der Forderungen bemängeln, warum 4,2 Millionen Reichsmark für die Hälfte einer Sammlung, deren Gesamtwert 1930 auf acht Millionen Reichsmark taxiert worden war, ein unfairer Preis gewesen sein soll.              Hans Lody

Foto: Ein Reliquienkreuz aus dem Jahr 1483 (r.) und Armreliquiare aus dem „Welfenschatz“: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) entscheidet Ende Mai über die Restitution dieser Sammlung, die sich - noch - im Berliner Kunst­gewerbe­museum befindet.


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