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23.05.09 / Blühende Landschaften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Blühende Landschaften
von Harald Fourier

Im Jahre 1970 gab es ein Gespräch zwischen meiner Mutter und ihrer Schwester, die ich leider nie kennenlernen durfte, weil sie jung verstorben ist. Die Schwester sagte, sie habe gehört, daß im Umfeld der Schwedter Straße bis 1990 alle Häuser abgerissen und durch moderne Plattenbauten ersetzt werden sollen. Es war die Zeit, in der die SED ganze Plattenbauviertel aus dem Boden stampfen ließ.

2004 bin ich selbst in die Schwedter Straße gezogen. In einen Altbau. Das SED-Regime war am Ende nämlich selbst in seiner Vorzeige-Hauptstadt Ost-Berlin nicht mehr in der Lage, neue Häuser zu bauen. Es reichte gerade noch für die notdürftigsten                  Ausbesserungen Bestand.

Im Westteil dagegen boomte die Bauwirtschaft. Nicht immer zum Guten. Im Zuge der 750-Jahrfeier der Stadt Berlin 1987 zum Beispiel gab es die Internationale Bauausstellung (IBA). Da wurden recht ordentliche neumodische Stadtvillen gebaut, aber auch weniger hübsche Häuser. Mein  Vater hat die IBA deswegen immer mit „Idioten basteln Attrappen“ übersetzt.

In beiden Hälften der geteilten Stadt wurden also Bausünden begangen. Im Westen war alles etwas schicker, aber trotzdem gibt es auch dort traurige Plattenbauviertel wie die Gropiusstadt oder das Märkische Viertel. Im Osten finden sich diese vor allem in Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen, aber auch in Lichtenberg und Mitte.

Es war ein großes Glück, daß die Ost-Berliner Kommunisten in den 80er Jahren finanziell am Ende waren. Sonst hätten sie noch mehr von der guten alten Bausubstanz vernichten und durch ihre im Volksmund „Arbeiterschließfächer“ genannten Wohnsilos ersetzen können. Schließlich fiel den Platt- und Plattenmachern 1989 die Revolution auf die Füße.

20 Jahre danach sind in der Schwedter Straße die letzten unsanierten Gebäude auf Vordermann gebracht worden. Der ganze Prenzlauer Berg ist jetzt eine richtig schöne Wohngegend geworden. Von den Spuren des Bombenkriegs ist nichts mehr zu sehen – und von 40 Jahren Sozialismus auch kaum noch etwas. Meine Tante würde Bauklötze staunen, was aus der Gegend geworden ist, in die sie 1970 nicht ziehen wollte, weil sie den Abriß fürchtete.

Das ist das große Geschenk der Einheit. Die blühenden Landschaften, von denen Helmut Kohl einmal gesprochen hat, sie sind längst da. Wer sie nicht sehen kann, ist selbst schuld. Daran sollten wir uns bei allen Schwierigkeiten im Vereinigungsprozeß in diesem Jubiläumsjahr einmal erinnern.


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