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23.05.09 / Es ist vieles faul im Staate

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Es ist vieles faul im Staate
von Konrad Badenheuer

Vor wenigen Monaten wurde landauf, landab über den Einbürgerungstest debattiert. Muß ein Neubürger wissen, daß die Bundesrepublik aus 16 Ländern besteht, war eine der Fragen in dieser Debatte. Manche meinten Nein, genauso wie ein potenzieller Neubürger nicht Deutsch reden können müßte und auch nichts wissen müßte über das Römisch-Deutsche Reich des Mittelalters, den Dreißigjährigen Krieg, Preußen, die Weimarer Republik und so weiter.

Diese Denkweise kommt nicht von ungefähr. Sie gedeiht in einem Umfeld, in dem sogar die bundesrepublikanische Elite in einer international fast beispiellosen Weise geschichtsvergessen geworden ist. Man kann es an diesem Wochenende wieder bestaunen, bei den Feierlichkeiten zum 60jährigen Bestehen des Grundgesetzes. Es ist ja wahr: Das Grundgesetz ist nun 60 Jahre alt, und es ist immer noch − trotz der oft fragwürdigen Verfassungsänderungen der letzten Jahre − eine der besten und erfolgreichsten Verfassungen, die Deutschland je hatte. Aber schon hier ist Vorsicht angebracht: Su-perlative passen schlecht zum bescheiden-friedlichen Selbstverständnis der Bundesrepublik, das als ein durchaus preußisches Traditionsstück Anerkennung verdient.

Das penetrante Reden von der „besten“ Verfassung aller Zeiten irritiert aber nicht nur wegen des grundsätzlich fragwürdigen Superlativs, sondern konkret auch wegen der guten Erfahrungen, die das deutsche Volk mit der Goldenen Bulle von 1356 gemacht hat. Faktisch war diese Urkunde genau 450 Jahre lang – bis zum Untergang des alten Reiches im Jahre 1806 – die Verfassung der Deutschen. Bei allem Respekt für das demokratische Grundgesetz: Mit dieser enormen Beständigkeit kann es sich noch bei weitem nicht messen, und wenn das Grundgesetz morgen scheitern sollte, was niemand hoffen kann, wäre es in der langen deutschen Geschichte auch nur eine Episode gewesen.

Eine besondere Pointe beim Thema Geschichtsvergessenheit der deutschen Eliten ist die irrige Vorstellung, 1949 sei mit der Verkündung des Grundgesetzes ein Staat namens „Bundesrepublik Deutschland“ gegründet worden. Während bürgerliche Politiker mit Blick auf 1949 immerhin das Wort „Staatsgründung“ meist (noch) vermeiden, liest man auf der gemeinsamen Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung und der entsprechenden Landeszentralen im allerersten Satz: „Dieses Jahr feiert Deutschland ... die Staatsgründung der Bundesrepublik im Jahre 1949.“ Diesen Unsinn verbreitet ausgerechnet eine Institution, deren Aufgabe es eigentlich ist, mit Steuermitteln derartige Wissenslücken zu schließen.

Wo staatliche Institutionen so arbeiten und identitätsbegründendes Minimalwissen in so gravierender Weise fehlt, ist auch vieles andere faul im Staate.

Foto: Konstituierende Sitzung des Norddeutschen Reichstages in Berlin am 24. Feburar 1867 im ersten Herrenhaus in der Leipziger Straße: 1866/67 entstand der Staat, der heute „Bundesrepublik Deutschland“ heißt.


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