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23.05.09 / Im Alter gern ins Heim / Konrad Franke ist der Versorgung alter Menschen nachgegangen, hat aber Wesentliches vergessen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Im Alter gern ins Heim
Konrad Franke ist der Versorgung alter Menschen nachgegangen, hat aber Wesentliches vergessen

Die Demographen haben es errechnet, die Angestellten in Alten- und Pflegeheimen merken es schon jetzt: Die Alterspyramide wächst. Dienstleistungen pflegender Berufe sind mehr denn je gefragt. Wie sieht die Versorgung alter Menschen in Deutschland tatsächlich aus?

Mit der Frage des Wohnens im Alter wird jeder irgendwann konfrontiert. Das Thema ist umso stärker in den Medien präsent, je deutlicher wahrnehmbar unsere Gesellschaft altert. Manche älteren Menschen, aber auch deren Angehörige, schieben die schwierige Entscheidung, den eigenen Haushalt aufzugeben und in eine Einrichtung umzuziehen, immer weiter vor sich her. Letzteres traf auch auf die Eltern des Historikers und Journalisten Konrad Franke (Jahrgang 1938) zu, doch nach ihrem Umzug in ein süddeutsches Altenheim erlebten sie eine positive Überraschung. „Wenn wir gewußt hätten, wie es hier ist, wären wir eher hergekommen“, erklärten sie ihrem Sohn. Franke war aufgefallen, daß hierzulande in der Öffentlichkeit meist negative Meldungen über Heime verbreitet werden. Er fing an, sich für die Frage zu interessieren, wie es in dieser Hinsicht tatsächlich bestellt ist.

Der Plan, einen Ratgeber für alle diejenigen zu schreiben, die sich aktuell mit dieser Frage beschäftigen, wurde gefaßt. Bei seiner Recherche besuchte Franke mehr als 200 Einrichtungen, überwiegend in Deutschland, aber auch in Österreich und der Schweiz, in den Niederlanden, Spanien und in den USA.

Er sammelte Informationen aller Art und hinterfragte dabei auch gängige Vorstellungen über das Leben in einem Alters- und Pflegeheim. Herausgekommen ist ein übersichtlich gestaltetes, informatives Buch, das mit seinem Titel „Gut leben im Heim − Unsere Alten- und Pflegeheime sind viel besser als ihr Ruf“ bereits ein klares Plädoyer als Botschaft zum Ausdruck bringt.

Vorweg sei mitgeteilt, daß darin jedoch konkrete persönliche Erfahrungen von Angehörigen und Bewohnern sowie Interviews mit Fachleuten fehlen.

Rund 11000 Pflegeeinrichtungen mit fast 680000 Plätzen gibt es in Deutschland. Tendenziell nimmt die Zahl der zu Hause Gepflegten ab, während die Zahl der ambulant gepflegten leicht, die Zahl der in Heimen gepflegten Menschen schneller angestiegen ist. Und sie wird nach Meinung der Zukunftsforscher weiter zunehmen. Gleichzeitig ist kaum eine Branche so sehr in Verruf geraten wie die der Alten- und Pflegeheime. Vor allem aufgrund der häufigen Negativberichte in den Medien wird die Argumentation pro oder contra Altenheim auch im privaten Raum wenig sachlich, sondern meist emotional geführt, glaubt Franke. Sehr viele Menschen weisen den Gedanken, in ein Heim umzuziehen, von sich: 840 von 1000 Deutschen, die 2007 befragt wurden, wollten im Alter lieber zu Hause gepflegt werden als in einem Heim. Dieser hohe Anteil ist in der Tat erstaunlich. Dies könne nur darauf zurückzuführen sein, daß die überwiegende Mehrheit in punkto Heim unklare Vorstellungen von einem fremdbestimmten Leben hegt, argumentiert er. Zu Unrecht, so sein Fazit aufgrund seiner Recherchen. Franke schätzt, daß nicht mehr als zwei Prozent der Einrichtungen als mangelhaft einzustufen seien. Insbesondere hat er die Münchner Heime der verschiedenen Träger in Augenschein genommen, die er abschließend einzeln aufgelistet. In München, so sein Fazit, gibt es keine schlechten Alten- und Pflegeheime. Wohl gibt es gute und weniger gute, aber auch einige sehr gute Einrichtungen, wobei die teuren nicht unbedingt die besten sind. Nochmals betont er, zu Unrecht sei eine ganze Branche in Diskredit geraten, dies in erster Linie wegen einiger in den Medien ausgebreiteter Fälle. Einem besonders gravierenden Fall ist er nachgegangen, und er möchte aufzeigen, daß am Ende von den verschiedenen Vorwürfen jeweils nur ein Körnchen Wahrheit übriggeblieben ist. Dementsprechend äußerte der Heimleiter, es sei seitens der Medien ein regelrechtes „Kesseltreiben“ gegen ihn veranstaltet worden.

Man hätte sich zu diesem und anderen Aspekten jedoch Aussagen von Fachleuten gewünscht. Doch Franke beschränkt sich ganz überwiegend darauf, die variierenden Angebote und Preise sowie die detaillierten Wohnverhältnisse und Leistungen in deutschen Heimen vorzustellen. Desgleichen wird über die Heim- und die ambulante Pflege informiert, über die Pflegekräfte sowie über neue Trends („Heim der Zukunft“). Dabei wird aber ausgerechnet die Problematik der dementiellen Erkrankungen mit ihren vielfältigen Auswirkungen nur auf wenigen Seiten behandelt. Angesichts der Tatsache, daß heute, wie Franke angibt, schätzungsweise 80 Prozent der meist hochbetagten Heimbewohner leicht bis schwer dementiell erkrankt sind, hat er an dieser Stelle zu wenig recherchiert. Er plädiert für einen frühzeitigen Umzug ins Heim, etwa mit Mitte 60, wie es in den USA nicht ungewöhnlich sei. Doch wie wird sich denn ein Ehepaar um die 70 entscheiden, das sich im gediegenen Foyer eines hochpreisigen Heimes erstmals umschaut und dabei gleich von mehreren verwirrten Bewohnern beziehungsweise Bewohnerinnen angesprochen wird? Diese und viele andere Situationen und Zustände können einfach nicht in einem Ratgeber, der klar für das Wohnen im Heim plädiert, ausgeklammert werden – auch wenn es andererseits sehr viele Argumente für die Kernaussage dieses Buches gibt: „Es gibt nichts Besseres und Vernünftigeres im Alter als das Heim.“

Dagmar Jestrzemski

Konrad Franke: „Gut leben im Heim – Unsere Alten- und Pflegeheime sind viel besser als ihr Ruf“, Piper Verlag, München 2008, broschiert, 224 Seiten, 7,95 Euro

Foto: Wohnen im Heim: Wichtig ist die menschliche Zuwendung.


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