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23.05.09 / Deutschland ist Weltmeister im Spielen / Jährlich kommen 500 neue Spiele auf den Markt – Interessant auch für Personalchefs und Managementschulung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Deutschland ist Weltmeister im Spielen
Jährlich kommen 500 neue Spiele auf den Markt – Interessant auch für Personalchefs und Managementschulung

Trotz steigender Technisierung im Spiele- und Spielzeugsektor, der Nutzung von Fernseher und PC als interaktives Spielemedium mit der Vernetzung übers Internet zu ganzen Online-Spieleplattformen und immer neuen Game-Boy-Typen als einfache elektronische Spiele im Taschenformat selbst schon für Kleinkinder verlieren die klassischen Gesellschaftsspiele in Deutschland nicht an Bedeutung – ganz im Gegenteil. 430 Millionen Euro haben die Deutschen im Jahr 2007 für Gesellschaftsspiele und Puzzles ausgegeben, und nirgendwo sonst auf der Welt finden sich so viele Hersteller und Käufer wie hier. Jährlich kommen allein in Deutschland rund 500 neue Spiele auf den Markt. „Die Branche ist sehr stabil“, sagt Volker Schmid, Geschäftsführer des Verbands der Spielwarenindustrie. „Nirgendwo wird so viel gespielt wie in Deutschland.“ Im vergangenen Jahr erzielte die Branche, allen voran die großen Verlage Ravensburger, Hasbro und Kosmos, laut Branchenverband 424 Millionen Euro.

Im Durchschnitt verkauft sich ein Spiel 10000 bis 30000 Mal. Klassiker wie Backgammon, Domino, Mühle und Scrabble haben es über die Jahre hingegen auf eine Millionenauflage gebracht.

Warum ausgerechnet Deutschland zum Paradies der Gesellschaftsspiele wurde, liegt dem Spiele-Forscher Rainer Buland zufolge nicht etwa an einer Art „Spiele-Gen“. Die Erfolgsgeschichte sei auf den Preis „Spiel des Jahres“ zurückzuführen. Den rief 1979 der Journalist Tom Werneck mit Kollegen ins Leben. Klassische Werbung hatte bis dahin kaum gefruchtet, nun aber verkaufte sich das jeweilige Siegerspiel wie verrückt. Die Verlage investierten in immer ausgefeiltere Produkte.

„Ich halte das Spielen miteinander für unheimlich wertvoll. Spiele bringen Menschen zusammen, egal, ob sie acht oder 80 Jahre sind, schwarz oder weiß. Sie verbinden und schaffen Toleranz“, sagt Spiele-Erfinder Reiner Knizia. Der 52jährige gilt als einer der erfolgreichsten Spiele-Autoren der Welt. Über 500 Spiele, von denen Dutzende prämiert und rund 15 Millionen Exemplare verkauft wurden, hat Knizia bisher veröffentlicht. Der promovierte Mathematiker produziert Verkaufsschlager wie am Fließband; rund 50 Neuerscheinungen kommen jedes Jahr aus seiner Denkfabrik. 2008 erhielt er für sein Strategiespiel „Keltis“ die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ und für sein kooperatives Kinderbrettspiel mit Elektronikunterstützung „Wer war‘s?“ die Auszeichnungen „Kinderspiel des Jahres“ und „Deutscher Kinderspiele Preis“.

Der Befürchtung, daß elektronische Spiele eine Gefahr für klassische Gesellschaftsspiele darstellen könnte, widerspricht Knizia. „Das sehe ich so nicht. Es gibt viele hervorragende Gesellschaftsspiele, und ebenso gibt es heute auch viele unterhaltsame elektronische Spiele. Die Elektronik ist aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken.”

Aus Sicht von Spiele-Forscher Rainer Buland sollte die Bedeutung der Gesellschaftsspiele nicht unterschätzt werden. In der freien Wirtschaft sucht man immer wieder geeignete Spiele für Managementschulungen, weil sich damit sehr schnell die Stärken und Schwächen der Beteiligten transparent machen lassen: „Man findet in kurzer Zeit die wichtigsten Charaktereigenschaften heraus“, meint Buland. „Hierdurch erkennt man deutlich, wer strategisch denkt.“ Ganz wichtig auch: „Es zeigt sich, ob jemand mit Frustrationen umgehen und auch mal verlieren kann“, so der 47jährige, der seit 1992 an der Universität Mozarteum Salzburg tätig ist. Besonders heftig outen sich Choleriker: Wenn das Würfelglück weg ist oder die Strategie nicht aufgeht, kann es passieren, daß plötzlich alle Spielfiguren auf dem Boden landen. Übrigens ist das „gewinnen wollen“ ein typisch westliches Spielziel, meint Buland. Und: „Spiele sind Spiegel der jeweiligen Zeit“, weiß der Spiele-Forscher. „Im Mittelalter kam es nicht drauf an zu gewinnen“, erklärt er, „damals hat man sich nach dem Spielen verbeugt und gesagt, es war ein schönes Spiel.“

Die Geschichte der Gesellschaftsspiele ist älter, als man denkt: Spielfunde gehen bis ins Jahr 3000 vor Christus zurück. Der englische Archäologe Sir Leonard Woolley entdeckte in der antiken Königsstadt Ur im südlichen Irak ein hölzernes Brettspiel mit 20 Feldern, das für zwei Spieler gedacht war.

Spiele-Erfinder Knizia hat trotz jahrelanger Erfahrung den Spaß am Spielen noch nicht verloren. Beruflich ist er hiermit jeden Tag mehrere Stunden lang befaßt, wenn er seine Neuentwicklungen testet, und privat stehen dann Schafkopf und Skat auf dem Programm. Grundsätzlich gilt hierbei für ihn: „Ich liebe Spannung und verliere lieber knapp, als haushoch zu gewinnen.“             Corinna Weinert

Foto: Spiele: Es muß nicht immer „Mensch ärgere dich nicht“ sein.


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