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30.05.09 / Friedliche Revolution

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Friedliche Revolution
von Wilfried Böhm

Fast 20 Jahre sind vergangen, seit die Friedliche Revolution von 1989 die kommunistische Zwangsherrschaft in der damaligen DDR durch einen Aufstand des Volkes hinweg fegte. Aus dem „Wir sind das Volk“ der ersten Proteste war schnell das „Deutschland einig Vaterland“ und damit die Forderung nach der staatlichen Einheit geworden. Was 1953 am 17. Juni aufgrund der realen Machtverhältnisse noch scheitern mußte, aber als leuchtendes Freiheitsfanal seinen geschichtlichen Platz gefunden hat, konnte 1989 gelingen: eine deutsche Freiheitsrevolution, die geschichtlich den Rang der amerikanischen (1776), der französischen (1789) und der russischen Februarrevolution (1917) hat. Im Zusammenhang mit einer dieser Revolutionen würde allerdings niemand – und das zu recht – von „Wende“ sprechen.

Doch im Alltag der Bürger, in den Medien und auch in der Sprache fast aller Politiker ist die Friedliche Revolution des Jahres 1989 sprachlich längst zur „Wende“ verkommen, für die einen bewußt und mit der Absicht der Geschichtsklitterung, für die anderen aus purem gedankenlosen Dahergerede.

Weiß doch kaum jemand, daß der Begriff „Wende“ im Zusammenhang mit den Ereignissen des Jahres 1989 ausgerechnet von Egon Krenz stammt.
Dieser politische Ziehsohn und Nachfolger Erich Honeckers als Generalsekretär der kommunistischen SED erklärte damals eindeutig: „Wende bedeutet jedoch aber keinen Umbruch.“

Krenz meinte im Politbüro der SED mit dem Begriff „Wende“ nichts anderes als die Beibehal-tung der parteipolitischen Linien-treue und des Führungsanspruchs unter veränderten Bedingungen, wie sie in den kommunistischen Parteien in ihrer Geschichte immer wieder von den jeweiligen ihren Führungen eingefordert und durchgesetzt wurde.
Bevor Krenz das Wort „Wende“ aus der kommunistischen Politsprache in die Diskussionen des Jahres 1989 einführte, war dieser Begriff in der deutschen Politik nur einmal aufgetaucht: 1982 in der damaligen Bundesrepublik, als Helmut Kohl 1982 die FDP für sich gewann, die bisher mit der SPD regiert hatte und deren  Bundeskanzler Helmut Schmidt nun durch Kohl abgelöst wurde. Hans Dietrich Genscher (FDP)  konnte auf diese Weise sein Wir-ken an der Spitze des Auswärti-gen Amtes fortsetzen, während der Zuchtmeister der SPD Herbert Wehner für die FDP die Bezeichnung „Pendlerpartei“ prägte. Dieses Manöver, also ein politisches Taktieren in einer parlamentarischen Demokratie, wurde damals mit dem Begriff „Wende“ belegt.

Das bedeutete wahrlich etwas ganz anderes als das, was Krenz 1989 in seiner Politsprache meinte, als er „Wende“ ausdrücklich vom „Umbruch“ unterschied, den es nach seiner Meinung zu meiden galt.

Für die Friedliche Revolution des Jahres 1989 den Begriff „Wende“ zu gebrauchen, ist demnach in jeder Hinsicht unhistorisch.

Foto: Egon Krenz (r.) mit seinem politischen Ziehvater Erich Honecker: „Wende bedeutet jedoch aber keinen Umbruch“, versuchte er die friedliche Revolution von 1989 sprachlich und inhaltlich holprig im Sinne der SED umzudeuten. Im Falle von Krenz gab es übrigens ein Stück Gerechtigkeit: Wegen der Schüsse an der Mauer und Wahlfälschung saß er fast vier Jahre im Gefängnis.


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