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30.05.09 / Als Unternehmer Höhen und Tiefen erlebt / Vor 125 Jahren starb der Neidenburger »Eisenbahnkönig« Bethel Henry Strousberg – Selbst Bismarck bat ihn um Rat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Als Unternehmer Höhen und Tiefen erlebt
Vor 125 Jahren starb der Neidenburger »Eisenbahnkönig« Bethel Henry Strousberg – Selbst Bismarck bat ihn um Rat

Einen „verantwortungslosen Spekulanten der Gründerzeit“ schimpften ihn die einen, als erfolgreichen Unternehmer modernen Stils schätzten ihn die anderen. Der Großvater des am 20. November 1823 als Sohn einer jüdischen Familie geborenen Baruch Hirsch Strausberg hatte in Neidenburg ein beachtliches Vermögen besessen und war 1806 Lieferant der preußischen Armee gewesen. Sein Sohn verlor das ganze Vermögen, und so mußte der Junge die Schule in Königsberg wieder verlassen – das Schulgeld war nicht mehr aufzubringen. Er ging nach England zu einem Onkel, wo er nach dem Tod des Vaters in das Exportgeschäft eintrat. Er ließ sich taufen und anglisierte seinen Namen in Bethel Henry Strousberg. In England gelangte Strousberg durch seine Tatkraft und seinen Unternehmensgeist wieder zu Geld – er gründete eine Zeitung („The Merchants Magazine“), kaufte später auch das „London Magazine“, arbeitete als Journalist und im Kunsthandel, hatte er doch ausgewiesene Kenntnisse in der Malerei. Auch im Versicherungsgeschäft machte er sich einen Namen, so daß er 1855 als erfolgreicher Geschäftsmann nach Berlin übersiedeln konnte. Zwei Jahre später erwarb er an der Jenaer Universität den Dr. phil. in absentia.

Seine Kontakte nach England aber rissen nicht ab; so vertrat er eine englische Unternehmensgruppe beim Bau der Südbahn Königsberg–Lyck und beim Bau der Strecke Tilsit–Insterburg.

Hierbei entwickelte er das „System Strousberg“, bei dem die Lieferanten mit Aktien bezahlt werden sollten. Er selbst fungierte als Generalbauunternehmer, lieferte vom Rohmaterial bis zum Fertigprodukt alles für den Eisenbahnbau Notwendige; selbst die Bahnhöfe ließ Strousberg unter seiner Regie errichten.

Schnell war der Neidenburger zum „Eisenbahnkönig“ avanciert. Er baute Strecken nicht nur in seiner östlichen Heimat, auch in Mittel- und Westdeutschland, in Polen, Ungarn und Frankreich war er tätig. Er errichtete Waggon- und Lokomotivfabriken, kaufte Eisengruben und Kohlenbergwerke, vor allem aber Grundbesitz. Schließlich besaß Strousberg etwa 300000 Morgen Land und Wald, ein prachtvolles Palais in der Berliner Wilhelmstraße (der Amtssitz des Fürsten Bismarck lag in unmittelbarer Nähe) und eine Gemäldesammlung im Wert von 2,5 Millionen Mark.

Sein Rat wurde selbst von Bismarck geschätzt, der Strousberg 1869 um ein Treffen bat, um mit ihm „die Entwicklung des Staatsschuldenwesens“ zu besprechen. Als Henry Strousberg dann auch in Rumänien eine Eisenbahnlinie bauen wollte, ereilte ihn das Unglück: 22 Millionen Mark Schulden bei der Moskauer Commerz-Leih-Bank waren aufgelaufen. Strousberg wurde 1875 in Moskau verhaftet und dort zwei Jahre lang festgehalten. Er mußte Konkurs anmelden und wurde erst durch die Intervention seiner Frau und des Auswärtigen Amtes entlassen.

Bethel Henry Strousberg starb am 31. Mai 1884 in Berlin. Noch heute erinnert der Vorort Strausberg an der Ostbahn nach Königsberg an diesen Ostpreußen aus Neidenburg.     Silke Osman


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