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30.05.09 / Die Kirche ist keine Erfindung der Menschen / An Pfingsten feiern wir die Entstehung der Kirche als Geschöpf des Heiligen Geistes – Betrachtung über ein oft unverstandenes Fest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Die Kirche ist keine Erfindung der Menschen
An Pfingsten feiern wir die Entstehung der Kirche als Geschöpf des Heiligen Geistes – Betrachtung über ein oft unverstandenes Fest

Pfingsten ist und bleibt das Fest des Kirchenjahres, das am wenigsten verstanden wird. Wenn Lukas zu Beginn der Apostelgeschichte nicht die in Jerusalem geschehene Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Apostel und die um sie Versammelten erzählt hätte, würde die Christenheit ein Pfingstfest vermutlich nicht kennen und feiern. Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt mit ihren Beziehungen zum Leben Jesu stehen uns viel näher. Wir wissen, was seine Menschwerdung, sein Tod, seine Himmelfahrt für uns bedeuten. Was ist uns aber Pfingsten? Man mag fragen, ob diese Ausgießung des Heiligen Geistes noch nötig gewesen sei, ob es nicht allenfalls auch ohne dies gegangen wäre. Alles Entscheidende war doch geschehen: Christus war als Retter in die Welt gekommen. Vollbracht war sein Werk der Versöhnung am Kreuz. Der Sieg über den Tod war zu Ostern errungen. Seine Einsetzung ins Weltregiment zur Rechten Hand Gottes war durch die Himmelfahrt erfolgt. Eine stattliche Schar von Bekennern existierte auch schon, immerhin 120 Leute, wie wir nachlesen können. Was soll durch Pfingsten zu alledem noch hinzugetan werden? Etwas mußte da noch fehlen! Immerhin hatte Jesus selbst vor seiner Himmelfahrt mehr als einmal betont, daß ein bedeutendes Ereignis noch bevorstehe: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen ... und meine Zeugen sein ... bis an das Ende der Erde.“

Die Einlösung dieses Versprechens geschieht nun offenbar zu Pfingsten: Es ist die Geburt der Kirche. Dieses Wunder, das Kirche heißt, verdanken wir der Ausgießung des Heiligen Geistes. Darum feiern wir zu Pfingsten den Geburtstag der Kirche, der Kirche als Geschöpf des Heiligen Geistes. Das Entscheidende an der Kirche kann man nicht sehen und damit auch nicht beweisen, nämlich das Wirken des Heiligen Geistes. Bei einer oberflächlichen, bloß die Außenseite wahrnehmenden Betrachtung der Kirche würde es natürlich naheliegen, sie einfach als eine bestimmte Gruppe innerhalb der Gesellschaft zu sehen, als ein soziales Gebilde neben anderen. Es gibt politische Kräfte in unserem Lande, die der Kirche am liebsten nur den Status eines Vereines gewähren würden. Pfingsten will uns zunächst einmal daran erinnern, daß die Kirche von ihrem Wesen her etwas anderes ist als eine Gruppe innerhalb der Gesellschaft. Juristisch gesehen genießt die Kirche in unserem Land immerhin noch den Status einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Und genau dieser Begriff vermag – wohl mehr unbewußt als beabsichtigt – darüber hinaus auch der Erfassung des geistlichen Wesens der Kirche zu dienen. Im Neuen Testament wird nämlich die Kirche auch ein Körper genannt, nämlich der „Leib Christi“. Die Kirche ist also die Erscheinungsform, in der Christus zwischen seiner Himmelfahrt und Wiederkunft in dieser Welt gegenwärtig ist. Das ist eine nicht juristisch faßbare, sondern verborgene und mit keiner modernen Datenverarbeitung auszuwertende, aber dennoch sehr reale Wirklichkeit, die allen anderen Realitäten voraus ist, ja sie umschließt und überdauert. Die Kirche ist nicht das, als was sie zum Beispiel in den Kirchensteuerverzeichnissen der Finanzämter erscheint oder von braven (Spieß-)

Bürgern am Stammtisch besprochen wird. Die Kirche ist vielmehr die geheimnisvolle Christusgegenwart in der Welt. Und weil Christus nicht einfach von dieser Welt war, sondern von Gott kam, Gott und Mensch war, ist auch die Kirche als Leib Christi nicht nur von dieser Welt, sondern auch von Gott her, also gott-menschlich. Sie hat eine irdisch-menschliche Seite, aber in ihrer menschlich-irdischen Erscheinung ist sie zugleich göttlich-überirdisch und damit transzendent. Wenn also die Kirche nicht nur eine irdische, sondern vor allem eine geistliche Größe ist, eine über diese Welt hinausragende Wirklichkeit, dann ist auch klar, daß wir sie nicht einfach nur mit unseren innerweltlichen Maßstäben messen und beurteilen können, so legitim das im Blick auf ihre innerweltliche Seite auch sein mag. Wer nicht gleichzeitig die göttlich-überirdische Seite der Kirche anerkennt und glaubt, der geht immer an ihr vorbei.

Die Kirche ist eben keine Erfindung der Menschen. „Nicht ihr habt erwählt“, sagt Jesus, „sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, daß ihr hingeht und Frucht bringt, und eure Frucht bleibe“ (Joh. 15,16). Natürlich haben wir die Freiheit, uns gegen Jesus zu versperren. Wir haben aber nicht die Freiheit, kraft eigenen Entschlusses ohne sein Erwählen zu seinen Freunden zu werden. Es mag Geschmacksache sein, welche Religion ich als die meine annehmen will, so wie ich in relativer Freiheit meinen Beruf, meinen Wohnort, meine Freunde, meine Hobbys wählen kann. Ich könnte also das Christentum wählen, wie man so sagt. Aber es ist doch ein anderes Ding, ob ich ein Jünger Jesu werde. Die Freiheit des Wählens, in der wir uns oft gefallen mögen (Religion ist Privatsache, meine ureigenste Angelegenheit!) verkennt den tatsächlichen Sachverhalt. „Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus glauben oder zu ihm kommen kann.“ Man kann Jesus nicht finden, man sei denn zuvor von ihm gefunden worden. Zur Religion ist grundsätzlich jeder fähig, aber Glaube ist Wunder. Wir können uns nie selbst zu Glaubenden machen. Nicht das macht uns zu Christen, daß wir uns auf Christus zu bewegen, sondern daß er sich auf uns zu bewegt. Kirche entsteht niemals durch den freien Willensentschluß verschiedener Individuen, die übereinkommen: Wir wollen jetzt Kirche bilden. Das wäre die Vorstellung von der Kirche als Verein. Kirche ist dem einzelnen vorgegeben, ist schon vorher da von Christus her. Der einzelne wird durch die Taufe in die Gemeinschaft mit Christus aufgenommen. Man kann also eigentlich gar nicht in die Kirche eintreten, man kann nur aufgenommen und eingefügt werden, weil in diesem Vorgang Christus der Handelnde ist.            Martin Schenk, Pfarrer i. R.


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