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30.05.09 / Quantensprung in nur 15 Jahren / Sammelband zeigt verschiedene Facetten der Volksrepublik - In China studierende Deutsche erzählen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Quantensprung in nur 15 Jahren
Sammelband zeigt verschiedene Facetten der Volksrepublik - In China studierende Deutsche erzählen von ihrem Alltag

2008, im Jahr der Olympiade, rückte China auch in unserem Land verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das  hatte zur Folge, daß der Büchermarkt um etliche einschlägige Veröffentlichungen bereichert wurde. „Aufbruch im Land des Drachen – Arbeiten und Leben in China zwischen Konfuzianismus, Sozialismus und Globalisierung“, heißt der Titel eines im Verlag Casimir Katz erschienenen, reich bebilderten Sammelbandes. Er enthält 13 informative Aufsätze ausgewiesener Experten zu Wirtschaft, Medien, Alltag, Arbeit und Bildung. Insbesondere befassen sich die Autoren mit Einzelaspekten von Chinas Modernisierungsprozeß, der auf einer Mischung von kapitalistischen und sozialistischen Spielregeln beruht. Es war die erklärte Absicht des im März vergangenen Jahres verstorbenen Verlegers, Chinas spannungsreichen Wandlungsprozeß auf allen wichtigen Ebenen sowie die kulturelle Vielfalt des Landes im Rahmen einer facettenreichen Übersicht darzustellen. Die Herausgeberinnen Regina Meier und Ulrike Reisach haben diesen Plan mit dem vorliegenden Buch auf hervorragende Weise umgesetzt.

Der Titel des Werkes beschreibt bereits das Spannungsfeld, in dem sich China befindet, den „Spagat zwischen Entwicklungsland und Industrienation“; auch diese Kapitelüberschrift weist auf Chinas einzigartigen, vor 30 Jahren eingeschlagenen Weg in die Moderne hin. Doch die „explosive Hinwendung Chinas zum Kapitalismus“ sei erst vor 15 Jahren erfolgt, führt Christian Schmidkonz in seinem Aufsatz über die Medienwelt aus. In dem kurzen Zeit-raum wurde die Umwandlung von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft vollzogen, was, neben einem Quantensprung in neue soziale Strukturen, ganz konkrete Folgen im Alltag hatte: „Vor 20 oder gar 30 Jahren gab es auch in städtischen Haushalten weder ein eigenes Telefon, Fax oder gar Computer noch fließend warmes Wasser, Klimaanlage oder Ventilator, selten TV, Waschmaschine oder Kühlschrank. Heute ist all dies nebst Flachbildschirm, Karaokeanlage, Spülmaschine, Laptop und iPod Teil der Standardausrüstung der oberen Mittelklasse.“

China ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt. Allein von 2006 bis 2007 wuchs das chinesische Bruttoinlandsprodukt um 11,4 Prozent. Die sprunghaft gestiegene Produktion hatte ihren Preis: Das Wachstum des Sozialprodukts wurde zuletzt in jedem Jahr durch Umweltzerstörung und -belastung (Wasser, Luft und Böden) annähernd aufgezehrt. Die Regierung ist sich des Ernstes der Lage bewußt und versucht gegenzusteuern. Doch problematisch sei nach wie vor die Durchsetzung entsprechender Gesetze auf kommunaler und Provinzebene. In den letzten Jahren beobachtete Schmidkonz neue Trends: So investiere China weltweit in den Bereichen Ölwirtschaft und Rohstofferschließung.

Daß unzählige Menschen im Wettlauf um Chancen, Bildung und Reichtum auf der Strecke geblieben sind, daß sich der Einkommensunterschied zwischen Land und Stadt immer mehr ausweitet, ist eine andere Schattenseite des Erfolgs. Es gibt ein Heer von Wanderarbeitern ohne soziale Absicherung, die für Hungerlöhne arbeiten.

Im Beitrag „Von Mao zu Machiavelli“ erläutert der Wirtschaftswissenschaftler Markus Taube, auf welchen Institutionen und Strukturen der „rote Kapitalismus“ beruht und daß vorderhand für die heutigen Armen keine Änderung in Sicht ist: „Die Klassenbildung ist generationenübergreifend … Kinder der unterprivilegierten Gruppen haben keinen Zugang zu hinreichender Schulbildung und ihnen wird so die Chance zu gesellschaftlichem Aufstieg verwehrt.“ Seit einigen Jahren gibt es häufiger Demonstrationen, häufig gegen massenhafte Zwangsenteignungen.

Immer mehr deutsche Unternehmen engagieren sich in China. In einigen Beiträgen kommen Deutsche zu Wort, die in China arbeiten und studieren.
Hochinteressant sind die Schilderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen der „Expats“ (Ausländer), hilfreich auch für Studenten, die ein Auslandsstudium in China erwägen. Zweifellos ist die Auseinandersetzung der Europäer mit Geschichte und Gegenwart Chinas, der mittlerweile drittstärksten Handelsnation, wichtig, auch um Vorurteile aus dem Weg zu räumen und Ängste vor dem Handelskonkurrenten jedenfalls abzumildern.             Dagmar Jestrzemski

Regina Meier/Ulrike Reisach (Hrsg.): „Aufbruch im Land des Drachen – Arbeiten und Leben in China zwischen Konfuzianismus, Sozialismus und Globalisierung“, Casimir Katz Verlag, Gernsbach 2008, geb., 192 Seiten, zahlr. farbige Abb., 24,80 Euro


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