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06.06.09 / Die linke Deutungsmacht wankt / In der Debatte um die Erschießung Benno Ohnesorgs geht es um die Haltbarkeit linker Lebenslügen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Die linke Deutungsmacht wankt
In der Debatte um die Erschießung Benno Ohnesorgs geht es um die Haltbarkeit linker Lebenslügen

Karl-Heinz Kurras war Stasi-Agent, aber bisher ist unklar, ob die DDR-Führung die tödlichen Schüsse vom 2. Juni 1967 angeordnet hat. Die Argumente, die linke Wortführer in dieser Debatte anführen, lassen tief blicken.

Der Schock, den die Enthüllung über den Ohnesorg-Schützen Karl-Heinz Kurras in Teilen der Linken ausgelöst hat – zumal bei Veteranen von 1968 –, hat Anflüge von Hysterie angenommen. Die „taz“ sieht bereits einen „Kulturkampf von rechts“ heraufziehen. Der „Anteil der Linken am Gelingen der Bundesrepublik“ werde „rückwirkend ausgelöscht“, zittert das Blatt.

Plötzlich riß ein alter Graben wieder auf, der lange verschüttet schien: zwischen Linken und dem Springer-Verlag. Eines ist den alten und neuen 68er-Apologeten besonders wichtig: Daß die Geschichte der Studentenrevolte auf keinen Fall umgeschrieben werden dürfe. Auf fast schon bizarre Weise wiederholen sie dabei die verblichenen Phrasen von 1967/68 von der frühen Bundesrepublik als nazigeprägtem Polizei- und Unterdrückerstaat, der erst vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und seinen Anhängern wirklich demokratisiert worden sei.

Ungewollt jedoch bestätigen sie mit der Behauptung, die Revolte wäre auch nicht anders verlaufen, wenn schon 1967 bekannt geworden, daß Kurras Stasi-Agent und SED-Genosse war, einen Vorwurf, den sie bislang empört zurückgewiesen hatten: Nämlich, daß der gewaltsame Tod nur der Vorwand für die brachiale Radikalisierung, und nicht ihre Ursache gewesen sei. Bis zum Ende der RAF trug die radikale Linke den Tod Ohnesorgs als Rechtfertigung für ihre eigene Gewalt vor sich her nach dem billigen Motto: Die anderen haben ja angefangen, als der „repressive Polizeistaat Bundesrepublik“, vertreten durch den Polizeibeamten Kurras, Ohnesorg ermordet und so seine „faschistische Fratze“ gezeigt habe. Wenn es völlig bedeutungslos ist, daß die „Fratze“ eine  kommunistische war, kann das nur heißen: Wenn nicht Ohnesorg, dann hätten wir eben etwas anderes gefunden, um die Radikalisierung in Gang zu setzen, weg von echtem studentischen Protest hin zur Verherrlichung roter Gewaltherrscher wie Mao oder Lenin.

Ob zudem wirklich das gesamte „bürgerliche Deutschland“ mit Haß und Aggression auf jede Regung jugendlicher Reformfreude reagiert und die jungen Menschen so eigenhändig in die Radikalität gedrängt hat, muß ebenso bezweifelt werden. Die „Welt“ besteht mit guten Gründen darauf, daß die Springer-Blätter seinerzeit weitaus differenzierter berichtet hätten, als damals wie heute von linken Widersachern behauptet werde.

Womit sie nicht allein wären: Der damalige Chefredakteur des Ostpreußenblattes, Eitel Kaper, schrieb in der Folge vom 1. Juli 1967 auf Seite 1: „Wir gehören nicht zu den Leuten, die über die jungen Menschen, die in diesen schweren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aufwuchsen, den Stab brechen, weil sie sich lautstark zu Wort melden. Ein echtes politisches Engagement ist an sich viel erfreulicher als ein vom Wohlstandsdenken und von allgemeiner Blasiertheit diktiertes ,Ohne mich‘.“ Aber: „Man sollte sich klarmachen, daß es Leute gibt, die im Auftrag gut getarnter kommunistischer Agitation darum bemüht sind, deutsche Jugend in ihr Fahrwasser zu bringen“, so Kaper weiter.

Den Agitatoren war der Tod Ohnesorgs enorm hilfreich, sprich: Die Legende, die sich um ihn spinnen ließ. Die spontane Solidarisierung Zigtausender „normaler“ Studenten mit linksradikalen Gruppen, die offen für den Sturz der Demokratie (Dutschke sprach von „Machtergreifung“) agitierten, die war nur durch den Ohnesorg-Mythos möglich gewesen.

In der „Welt“ lenkt Bettina Röhl den Blick noch ein Stück weiter: Nicht der tragische Tod des Studenten sei die politische Katastrophe von 1967 gewesen, sondern der Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Heinrich Albertz (SPD), und anderer hoher Funktionsträger kurze Zeit danach. „Dieser Rücktritt wirkte nämlich für die APO, die außerparlamentarische Opposition, wie ein volles Schuldanerkenntnis des Staates, wie ein Freifahrtschein für Revolution und Radikalisierung“, so Röhl. Diese Rücktritte wären sicher unterblieben, wenn man gewußt hätte, wer Karl-Heinz Kurras wirklich war.

Aber woher der Eifer über ein 42 Jahre zurück-liegendes Ereignis? Es geht um Deutungshoheit, und zwar im umfassenden Sinne. Der Autor Jan Fleischhauer stellt in seinem jüngst erschienen Buch „Unter Linken“ fest, daß „überall dort, wo darüber befunden wird, wie die Dinge zu sehen sind“, heute die Linke herrsche, in Universitäten und Schulen, in Theatern und Museen, vor allem in den Medien. „Rechts“ gilt mittlerweile als schon fast kriminell.

Soviel linke Macht aber will legitimiert sein. Sie wird es durch die Lebenslüge, daß es allein die Linke gewesen sei, und zwar unter Einschluß diktaturverherrlichender Extremisten, die ab Ende der 60er Jahre aus diesem Land eine Demokratie gemacht habe, weshalb die Rechte kein Anrecht auf Teilhabe oder auch nur Toleranz habe. Nach dieser Logik war der Adenauer-Staat (den unbestreitbar die bürgerliche Rechte geführt hat) nichts als eine Art Fortsetzungsfaschismus. Jeder Versuch einer „Re-Pluralisierung“ aufgrund der Einsicht, daß insowohl linke als auch rechte Demokraten am Gemeinschaftswerk unserer Demokratie ihren Anteil haben, gefährdet den Machtanspruch.       Hans Heckel

Foto: Irrgeleiteter Idealismus: Wie hätten diese Studenten der Freien Universität Berlin, die hier am 3. Juni 1967 demonstrierten, wohl auf die Nachricht reagiert, daß ein Stasi-Agent Benno Ohnesorg erschossen hatte?


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