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06.06.09 / Russki-Deutsch (20): Drus(c)hba

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Russki-Deutsch (20):
Drus(c)hba
von Wolf Oschlies

Alle heraus zum 1. Mai“ hieß es alljährlich in der DDR, was 1950 auch für uns Schulkinder im thüringischen Grenzstädtchen galt. In hellster Frühjahrssonne trotteten wir an der russischen Kommandantur vorbei, die wir mit dem Sprechchor „Drus(c)hba““ grüßten. Das hieße „Freundschaft“, sagte unser Lehrer. Es war sein einziges russisches Wort – und mein erstes.

„Drus(c)hba“ (zu sprechen wie J in „Journalist“) entstammt dem altkirchenslavischen „droug“ (Freund), hat das ältere „drushestwo“ ersetzt und bezeichnet ein enges Binnenverhältnis, das über „Freundschaft“ hinaus geht. „Sdelaj mne eto po drushbe“ (tu mir das aus Freundschaft), sagen Russen, wenn sie jemanden um einen Gefallen bitten. Und wenn sie Fünfe gerade sein lassen, fügen sie hinzu „Ne v slushbu, a v drushbu“ (Nicht im Dienst, sondern zur Freundschaft).

Erst mit den Kommunisten startete die inflationäre Verwendung des Wortes: „Drus(c)hba“ war der offizielle Gruß des Jugendverbandes Komsomol, und „Drushba narodov“ (Völkerfreundschaft) bestimmte das „sozialistische Lager“, 1986 hieß ein Manöver des Warschauer Pakts „Drus(c)hba“. Denselben Namen trug die 3000 Kilometer lange Erdölleitung vom Ural bis zur West-Ukraine, die „Bruderländer“ mit Öl versorgte. Ab 1974 mußte die DDR ein 518 Kilometer langes Teilstück in der Ukraine bauen, was die SED ihrem Jugendverband FDJ als „Zentrales Jugendobjekt Drushba-Trasse“ aufs Auge drückte. Die junge Leipziger Philologin Anja K. hat 1982 ihre Diplomarbeit über die Sprachkonventionen der 12000 deutschen „Trassenbauer“ verfaßt, dabei erwähnt, daß Röhren und Bagger aus dem „kapitalistischen Ausland“ kamen und „gemeistert“ werden mußten.

Die ehemaligen „Drus(c)hba“-Bauer haben seit 2003 eine eigene Website, um ihren Corpsgeist zu stärken. Ihr Werk arbeitet immer noch, allerdings nur bedingt: Entweder leidet es unter „Havarien“ oder wird von Moskau als politisches Druckmittel gedrosselt. Freundlicher sind schon die ungezählten Sportvereine, Tanzklubs, Bands etc. namens „Drus(c)hba“. Auf der Hohen Geba (Rhön), 1961 bis 1991 Sperrgebiet der Sowjetarmee, steht ein „Drus(c)hba“-Museum für die Ex-Besatzer. „Drus(c)hba“ verbindet! 


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