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06.06.09 / Deutsch in Südwestafrika / Die Sprache der Dichter und Denker war von 1984 bis 1990 mit Englisch und Afrikaans gleichberechtigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Deutsch in Südwestafrika
Die Sprache der Dichter und Denker war von 1984 bis 1990 mit Englisch und Afrikaans gleichberechtigt

Das Ende des deutschen Kolonialreiches durch den Vertrag von Versailles bedeutete zugleich das Aus für Deutsch als Amtssprache in Übersee. Vor 25 Jahren erlangte es im heutigen Namibia allerdings noch einmal für wenige Jahre den Status einer Amtssprache neben Englisch und Afrikaans.

Anders als in den übrigen deutschen Schutzgebieten, aus denen die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg ausgewiesen wurden oder abgewandert sind, hält sich in Südwestafrika bis heute eine deutsche Volksgruppe. Das liegt sicherlich auch daran, daß das Territorium die einzige deutsche Siedlungskolonie gewesen war und mit der Vertreibung der Deutschen, die dort überwiegend als Großbauern tätig waren, eine zumindest vorübergehende großflächige Entvölkerung einhergegangen wäre. Überdies fühlten sich die Buren in Südafrika, das nun die Verwaltung Südwestafrikas übernahm, den Deutschen verbunden, und so setzte man von Beginn an auf Kooperation.

Schon wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg durften Deutsche wieder einwandern – sowohl zuvor Ausgewiesene als auch andere. Im bilateralen Londoner Abkommen von 1923 schufen Südafrika und das Deutschen Reich eine rechtliche Grundlage für ihre Zukunft im Lande. Nun hatten zwar  Englisch und Niederländisch, das 1926 durch das eng verwandte Afrikaans ersetzt wurde, schon nach der Besetzung des Landes durch die Truppen der Südafrikanischen Union im Jahre 1915 Deutsch praktisch als Amtssprachen abgelöst. Andererseits stellten jedoch die Deutschen weiterhin den größten Anteil unter der weißen Bevölkerung. Und so kam man ihnen amtlicherseits großzügig entgegen, indem man Deutsch als weitgehend gleichberechtigt neben den beiden offiziellen Sprachen behandelte.

Die deutschsprachigen Südwester engagierten sich nicht nur in Kulturvereinen, sondern sie beteiligten sich – vor allem ab 1925, als das Territorium eine Verfassung mit beschränkter Selbstverwaltung erhielt – auch aktiv am politischen Geschehen. 1932 war Südafrika sogar bereit, Deutsch den Status einer dritten Amtssprache zuzugestehen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen waren es dann jedoch die deutschen Abgeordneten des Landesrates (des von der weißen Bevölkerung gewählten Parlaments) selbst, die trotz der darüber erzielten Einigung im Kapstädter Abkommen von dem Vorhaben abrückten. Damit war eine einzigartige Gelegenheit verspielt.

Der Zweite Weltkrieg machte dann alle bisherigen Überlegungen zunichte. Erst nachdem die den Deutschen eher wohlgesonnene Nationale Partei 1948 die Regierung in Pretoria übernommen und 1950 auch die Wahlen in Südwestafrika gewonnen hatte, kam erneut Bewegung in die vor 1939 abgebrochenen Verhandlungen. An den staatlichen Schulen wurden bald wieder Abteilungen mit deutscher Unterrichtssprache zugelassen. Und auch in anderen Bereichen kam die Nationale Partei den Wünschen der deutschsprachigen Südwester entgegen. Am 27. März 1958 erhob der Landesrat mit großer Mehrheit Deutsch neben Englisch und Afrikaans zur dritten offiziellen Landes- beziehungsweise Nationalsprache. Damit, so der Landesrat in seiner Begründung, werde respektiert, daß die deutsche Sprache in Südwestafrika beheimatet sei und zumindest die kulturellen Belange der Deutschen dadurch künftig befriedigt werden könnten.

Die vollständige Gleichberechtigung als dritte Amtssprache bedeutete dies noch nicht. Allerdings gingen die Zugeständnisse an die Deutschsprachigen über den kulturellen Bereich hinaus. So beschloß der Landesrat den „freien Gebrauch der deutschen Sprache in allen Dienststellen der Administration …, so daß im Verkehr mit Deutschsprechenden … die deutsche Sprache benutzt werden kann“. Formblätter gab es seither ebenso auf Deutsch wie Anschläge mit Bekanntmachungen von Behörden. Es erschienen deutsch beschriftete Briefmarken, Aufschriften an öffentlichen Gebäuden waren jetzt dreisprachig, und auch vor Gericht durfte man sich der deutschen Sprache bedienen.

Am 27. Februar 1959 wurde erstmals seit den dreißiger Jahren wieder eine deutsche Übersetzung des Amtsblattes für Südwestafrika veröffentlicht, wenngleich man hinzufügte, daß diese Fassung im Gegensatz zur afrikaans-englischen Ausgabe „nicht rechtsverbindlich“ sei. Straßenschilder sollten künftig im Kontext der Sprache gestaltet sein, in der sie vorkommen, also etwa „Love Street“, aber „Hartebeesstraat“ und „Lazarettstraße“.

Es sollte dann noch einmal ein gutes Vierteljahrhundert dauern, bis der deutschen Sprache die volle Gleichberechtigung widerfuhr. Am 12. Juni 1984 faßte der Landesrat mit einer Gegenstimme den Beschluß, Deutsch zur dritten Amtssprache zu erklären. Die Umsetzung in die Praxis erfolgte per Änderung der Verordnungen AG 8 und AG 12 durch den Generaladministrator Willie van Niekerk als oberster legislativer und exekutiver Instanz im August des Jahres.

Damit hatte die deutsche Sprache 100 Jahre, nachdem sie erstmals bei einem Staatsakt in Südwestafrika verwendet worden war, wieder den Status einer Amtssprache bekommen. Am 7. August 1884 war nämlich in Angra Pequena, dem heutigen Lüderitz, zum ersten Mal im Lande offiziell die deutsche Flagge gehißt worden, womit die deutsche Sprache erstmals den Status der dortigen Amtssprache erhalten hatte.

Doch der 1984 erreichte Status währte nur sechs Jahre, bis zum Ende der südafrikanischen Verwaltung in Südwestafrika. In der Verfassung des unabhängigen Namibia wurde 1990 Englisch als einzige Amtssprache festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt wurde diese Sprache zwar nur von weniger als zehn Prozent der gesamten Bevölkerung beherrscht, aber die neuen Machthaber von der Swapo (South-West Africa People’s Organisation, Südwestafrikanische Volksorganisation) führten gegen Deutsch ins Felde, daß es genauso wie Afrikaans von vielen Namibiern „mit Unterdrückung und Ungerechtigkeiten im Lande“ assoziiert werde. An dieser oktroyierten Einsprachigkeit hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert.   Wolfgang Reith

Foto: Deutsche Übersetzung des Amtsblatts für Südwestafrika: Am 1. April 1977 sind die deutschen Texte noch nicht rechtsverbindlich.


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