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06.06.09 / »Zwangsarbeiter« oder »Reichsbürger«? / Den meisten Bewohnern des Protektorats Böhmen und Mähren ging es besser, als viele tschechische Historiker behaupten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

»Zwangsarbeiter« oder »Reichsbürger«?
Den meisten Bewohnern des Protektorats Böhmen und Mähren ging es besser, als viele tschechische Historiker behaupten

Prag, Dezember 1944. Ein Foto des „Tschechischen Pressebüros“ zeigt einen gerade angekommenen Zug, bemalt mit fröhlichen Kreideparolen, aus dem gut gekleidete Menschen mit schwerem Reisegepäck quellen. Bildunterschrift: „Rück­kehr von Zwangsarbeitern aus dem Reich“. Zwangsarbeiter wie Sonntagsausflügler? Da stimmt doch etwas nicht!

Schon der sprachliche Ausdruck „Nucene prace“ (Zwangsarbeit oder Arbeitspflicht) weist in eine falsche Richtung, wie sie beispielsweise seit 1997 eine Tafel im Brünner Hauptbahnhof ausweist, „zum Gedenken der Tschechen, die zur Sklavenarbeit [otrocke prace] in Deutschland deportiert wurden“.

Zwangsarbeit? Tschechen waren „Reichsbürger“ und deshalb besser als andere „Ostarbeiter“ gestellt, schrieb im Mai 2000 Jaroslav Spurny in einem legendären Zeitschriftenaufsatz, der auf den Forschungen des Historikers Vladimir Nalevka fußt: Tschechische Arbeitskräfte genossen eine „vysadni postaveni“, eine privilegierte Stellung, zumal sie bis 1942 freiwillig im Reich arbeiteten.

Sehr irreführend ist auch die Rechnung von 640000 Tschechen, die von 1939 bis 1945 zum „Arbeitseinsatz“ im Reich waren. Sie arbeiteten aufgrund länger- oder kürzerfristiger Verträge. Es gab gerade bei Tschechen eine ständige Rotation, so daß nie mehr als 287000 gleichzeitig im Reich waren, meistens deutlich weniger.

Das Deutsche Reich litt ab 1939 an Arbeitskräftemangel, der mit Anwerbungen in Nachbarländern nicht zu beheben war. Umgekehrt die 1938/39 durch Münchner Abkommen und Protektorat zuerst verkleinerte, dann zerschlagene Tschechoslowakei. Sie mußte rund 300000 Rückwanderer aus dem Sudetenland, der Slowakei und der Karpato-Ukraine unterbringen, was sie überforderte. In dieser Zeit bot Deutschland an, 40000 tschechische Arbeitskräfte zu beschäftigen, was angesichts attraktiver deutscher Löhne und Sozialleistungen verlockend war, auch später im Protektorat Böhmen und Mähren. Bis Mai 1940 wurden 120000 Arbeitskräfte rekrutiert, die knapp 93 Millionen Kronen nach Hause überwiesen. Und das war erst der Anfang, vermerkte Dr. Wilhelm Dennler, im Protektoratsapparat für Arbeitskräfte-Werbung zuständig. Noch 1942 bot die Protektoratsregierung die Jahrgänge 1921/22 als Arbeitskräfte an. Reichsdeutsche Löhne waren deutlich höher als die im Protektorat, Versorgung und Urlaubsregelung besser.

Laut dem „Reichsprotektor“ gab es 1942 1,5 Millionen „ausländische Arbeiter im Reichsgebiet“. Polen (798000) und Tschechen (142000) waren die größten Gruppen. Auf alle „Fremdarbeiter“ bezogen sich 1175 deutsche Gesetze und Bestimmungen, die bis April 1942 ergingen und ihre „Hierarchie“ regelten: Nahezu rechtlose Arbeitssklaven waren Polen, Russen und weitere Ostslawen. Weit besser erging es den „germanischen“ Dänen, Niederländern etc., denen Ungarn, Italiener und Tschechen gleichgestellt waren. Was letztere in Deutschland erlebten, hat noch im Ok-

tober 1999 ein Augenzeuge in der Prager Gratiszeitung „Metro“ beschrieben: Zwar Bombardement Hamburgs, aber gutes Geld für gute Arbeit, Bewegungsfreiheit, freundliche Aufnahme bei Deutschen. Darum auch kein Verständnis für tschechische Entschädigungsforderungen: „Wir haben für unsere Arbeit im Reich Lohn bezogen, müssen also keine Entschädigung einklagen. Hören wir auf zu lügen!“

Laut Prager Angaben haben tschechische Antragsteller von der deutschen „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ pro Kopf 2750 Euro erhalten, erheblich mehr als polnische (2015 Euro), russische (1530 Euro) und so weiter, was sogar  manche Tschechen als Ungerechtigkeit ansehen. Russische oder polnische „Ostarbeiter“ kamen ausgemergelt in Deutschland an, mußten erst aufpäppelt werden, ganz anders als gesunde, qualifizierte Tschechen. Im März 1942 befahl Hitler „die Mobilisierung aller noch unausgenutzten Arbeitskräfte im Großdeutschen Reich einschließlich des Protektorats“, was als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Tschechen wirkte: Im August 1944 arbeiteten 280273 von ihnen im Reich, die meisten in anspruchsvolleren Jobs in Industrie, Bauwesen oder Verkehr. Mit Fortgang des Kriegs machten Tschechen „Karriere“, beispielsweise als Ärzte oder Sanitäter, da ihre deutschen Kollegen längst an die Front kommandiert waren.

Tschechen hatten Recht auf Urlaub und Freizeitangebote. „Deutsche Arbeitsfront“ und „Kraft durch Freude“ kümmerten sich auch um fremde Arbeitskräfte, ganz besonders um Tschechen, zu denen man tschechische Konzert- und Bühnenstars auf Tournee schickte. Deutsche Firmen wie Siemens, Reichsbahn, Post und MAN bildeten aus ihren ausländischen Arbeitskräften „Nationalmannschaften“ für sportliche Wettbewerbe. Da Tschechen bekannt gute Fußballer sind – beispielsweise die Erfinder des „böhmischen Gäßchens“, einer Vorform des Doppelpasses –, waren sie in den Sportgruppen besonders gern gesehen. Ebenso in Werks-Musikgruppen, wofür „Kraft durch Freude“ ungezählte Musikinstrumente bereitstellte, Kriegsknappheiten übersehend.

Das alles klingt nach einer Idylle, war aber keine. Die Tschechen teilten mit Deutschen nicht nur Eintopf, Lebensmittelkarte und Feuerwehruniform, sondern auch Bombennächte, Brandka-tastrophen, das ganze Unglück der Kriegszeit. Alliierte Bomber, für die das Protektorat zunächst außerhalb ihrer Reichweite lag, zerstörten Hamburg, Nürnberg, Kassel und zahlreiche weitere bei Tschechen beliebte Städte. Deswegen ging ab 1943 die Bereitschaft zur Arbeit im Reich deutlich zurück. Hitlers „Mobilisierung“ umgingen Tschechen, indem sie früher heirateten, Kinder bekamen. Nach den damals geltenden Regeln waren junge Eltern von der Arbeitspflicht außerhalb des Protektorats meistens befreit. Gewiß gegen die Absichten des NS-Regimes wirkte sich diese familienfreundliche Regelung auch noch wie ein Geburtenförderungsprogramm aus. Wolf Oschlies


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