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06.06.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Famienfreunde,

immer wieder taucht in den Briefen mit Suchfragen der Satz auf: „Hätte ich doch bloß früher gefragt!“ Jetzt sind diejenigen Verwandten oder Nachbarn von einst, die noch eine mehr oder minder befriedigende Auskunft hätten geben können, verstorben, oder sie können sich nicht mehr erinnern, niemand ist da, der auf die Frage eingehen könnte. Nur unsere „Ostpreußische Familie“. Und so ist es auch in Fall von Frau Dorothea Seggebruch aus Meerbeck. Sie ist eine geborene Neumann, stammt aus Nautzken, Kreis Labiau, wo sie am 6. Januar 1940 als Tochter des Maschinisten Karl Neumann und seiner Ehefrau Anna geborene Milkereit zur Welt kam. Und um beide Linien geht es auch in ihren Fragen. Zuerst zu der väterlichen, von der Frau Seggebruch fast nichts weiß. Vater Karl Neumann, * 2. August 1911, stammt aus Karpau, Kreis Wehlau. Er wurde früh Vollwaise und wurde wahrscheinlich von seinen Großeltern erzogen. Großvater Neumann war in Karpau Schmiedemeister, seine Frau hieß Maria. Wer kannte die Familie Neumann in Karpau und kann etwas über sie aussagen? Vater Karl Neumann war, bis er eingezogen wurde, Maschinist in der Genossenschaftsmolkerei Nautzken, die von Herrn Wockenfuß geleitet wurde. Seit dem 24. Juni 1944 gilt er als vermißt. Wahrscheinlich ist er bei den Kämpfen um Witebsk gefallen.

Über die Familie ihrer Mutter weiß Frau Seggebrecht erheblich mehr. Anna Neumann wurde als zweite Tochter des Oberschweizers Karl Milkereit und seiner Frau Auguste Minna geborene Völkner am 30. Dezember 1913 in Kleinheide geboren. Als eines von 13 Kindern, von denen aber etwa die Hälfte als Kleinkinder verstarben. Karl Milkereit, * 30. März 1877, stammte wie seine zwei Jahre ältere Ehefrau aus Bartenstein. Sein Vater war selbständiger Zimmermann. Karl soll noch eine Schwester und einen Bruder gehabt haben. Der Oberschweizer muß öfters die Arbeitsstelle gewechselt haben, das kann man an den Geburtsorten seiner Kinder erkennen. So müßte er in folgenden Orten tätig gewesen sein: Plensen, Kreis Friedland (1899), Losgehnen, Kreis Bartenstein (1907), Gut Kleinheide, Kreis Samland (1912/13), Duhnau. Kreis Labiau (1919), danach in Mettkeim, Kreis Labiau. Da es sich um größere landwirtschaftliche Betriebe handelt, wüßte Frau Seggebrecht gerne mehr über diese Güter. Es gibt ein Foto, das sich leider nicht zur Veröffentlichung eignet, auf dem „Bullenreiten“ angesagt ist: Die Kinder Albert (* 1910) und Ernst (* 1912) sitzen auf zwei Bullen, zwischen denen Vater Karl und sein Mitarbeiter August Schwarz stehen. Die ältere Tochter Minna (* 1907) und ihre jüngeren Schwestern Anna – Mutter von Frau Seggebrecht – und Martha (* 1919) sind ebenfalls auf dem Foto zu sehen, sie zeigen nicht die geringste Angst vor den Bullen; anscheinend hatten die Männer die Tiere voll im Griff. Das Bild muß etwa 1924 aufgenommen sein, aber wo? Der Hintergrund – eine Stallwand mit einem großen Holztor – sagt nichts Wesentliches aus, so hat es auf vielen Gütern ausgesehen. Es könnte das Gut von Fritz Böhm in Mettkeim sein, der für seine 140 Stück Rindvieh schon einen Oberschweizer brauchte. Frau Seggebrecht möchte den Wirkungskreis ihres Großvaters eingehender erkunden, vielleicht gelingt dies nun durch unsere Leserinnen und Leser, die mehr über die genannten Orte, vor allem über die Güter und ihre Besitzer, sagen könnten. Ihre Mutter hat leider viel zu wenig danach gefragt, Anna Neumann verstarb bereits 1973. Die Flucht aus Nautzken war ihr übrigens mit Hilfe von Herrn Wockenfuß gelungen, der sie und ihre beiden kleinen Töchter mitnahm. Wollen mal sehen, ob die Fragen Resonanz finden und gegebenenfalls welche, wir hoffen eine positive. (Dorothea Seggebruch, Volksdorf 6 in 31715 Meerbeck, Telefon 05721/2378.)

In der nächsten Suchfrage geht es um eines jener Schiffe, mit denen die größte Rettungsaktion der Geschichte, die „Flucht über See“, durchgeführt wurde. Sie wird nicht leicht zu beantworten sein, denn es müßte wirklich der Zufall eine Rolle spielen, daß noch Menschen leben, die mit der Rote-Kreuz-Schwester Martha Schnittka auf der Flucht zusammen waren. Frau Hannelore Hilbers aus Witten möchte es wissen. Schwester Martha, * 13. Februar 1923 in Lyck, hatte in Königsberg ihre Ausbildung gemacht und ist mit einem der bei der Rettungsaktion eingesetzten Schiffe aus Königsberg herausgekommen. Wann, ist nicht bekannt, es muß ja in den ersten Monaten 1945 gewesen sein. Vielleicht ist sie auch an Bord als Rote-Kreuz-Schwester eingesetzt worden. Angeblich soll das Schiff nach Bremen gefahren sein, so meint Frau Hilbers, aber hier dürfte eine Verwechslung vorliegen, es könnte sich um ein Schiff einer Bremer Reederei handeln, immerhin waren mindestens 13 Reedereien der Hansestadt an der Aktion beteiligt, allein der Norddeutsche Lloyd mit 22 Schiffen. Wichtig ist für Frau Hilbers zu erfahren, wo Martha Schnittka im April 1945 gelebt hat, es kann sein, daß sie zu jenem Zeitpunkt mit einem der letzten Schiffe herausgekommen ist, vielleicht lebte sie aber bereits irgendwo in Norddeutschland oder Dänemark. Daß sie Flucht und Nachkriegszeit überlebt hat, ist bewiesen, denn 1949 heiratete Martha Schnittka ihren Mann Emil Jeschio und wohnte in Oerzen bei Lüneburg. Frau Hilbers hofft, daß sich nun Zeitzeugen finden, die mit Martha Schnittka in dem fraglichen Zeitrum zusammen waren und sich an sie erinnern. (Hannelore Hilbers, Witten, E-Mail: hannelorehilbers@gmx.de)

Nun aber zu erfreulichen Dingen, und dazu gehören die Briefe, über denen ein großes „Dankeschön“ steht, denn es hat wieder Erfolge gegeben. Wie das Schreiben von unserm Landsmann Burghard D. Lubbe aus Augsburg beweist, das so beginnt: „Auch ich gehöre zu denen, die Ihnen zu danken haben – von ganzem Herzen. Meine erste Suchfrage brachten Sie vor drei Jahren. Ich fragte nach dem Schicksal meiner Großeltern aus Ponarth. Die Veröffentlichung erbrachte zwar keine konkreten Ergebnisse, jedoch einige Hinweise auf die wohl letzten Lebenswochen der Großeltern – und ihr Haus in der Barbarastraße 44, das übrigens heute noch gut erhalten und bewohnt ist.“ Den Beweis bekam Herr Lubbe mit einem Foto geliefert, das sein Po­narther Landsmann Dieter Spiwokz im vergangenen Jahr aufgenommen hat. Herr Spiwokz hat seine Kindheitserlebnisse – als Zwölfjähriger lebte er noch zwei Jahre nach Kriegsende in der Barbarastraße mit 17 Personen in einem Raum! – in einer Broschüre „Meine Erinnerungen an Königsberg“ zusammengefaßt. Ja, und dann berichtet Burghard Lubbe noch von einer „Riesenüberraschung“, die ein im vergangenen Jahr veröffentlichtes Foto seiner Großeltern mütterlicherseits bewirkte. „Ein Anruf kam aus dem Rheinland von Veronika Winkler. Sie hatte beim Betrachten der Aufnahme eine verblüffende Ähnlichkeit meines Großvaters mit ihrer Großmutter Amalie festgestellt, vom Familiennamen ganz abgesehen. Mit ihrer Hilfe konnte ich dann die Herkunft meines Großvaters August Jucknies anhand von Urkunden zurück verfolgen. Und wir konnten sogar feststellen, daß wir miteinander verwandt sind, denn ihre Großmutter war die Schwester meines Großvaters!“ Also wieder einmal ein Erfolg durch die Veröffentlichung eines alten Fotos, was manche Leser bezweifeln. Nur in einer Angelegenheit hat Herr Lubbe bisher keine Resonanz zu verzeichnen, und das verwundert mich doch sehr. Denn es handelt sich um den Ort Piaten, Kreis Insterburg, an dessen Chronik er arbeitet. Zweimal hat Herr Lubbe schon um Überlassung von schriftlich festgehaltenen Erinnerungen, Urkunden und Dokumenten aller Art gebeten, aber niemand von den alten Piater Familien hat sich bei ihm gemeldet. Immerhin hatte der Ort doch fast 400 Einwohner, da müßte sich doch jemand bei Burghard D. Lubbe melden! (Telefon 0821/83576.)

Einen schönen – und schnellen – Erfolg hat Rektor i. R. Horst Grigat zu verzeichnen, der zusammen mit Manfred Samel den Großband „Unser Insterburg“ herausgebracht hat und ihn uns taufrisch vorlegt. Nicht nur, daß die ersten 50 Exemplare des 437 Seiten starken und mit über 1200 Bildern ausgestatteten Buches gesichert waren, es kommen bisher noch weitere 50 dazu, und darüber sind die Herausgeber natürlich sehr froh. Allerdings bekam ich von einer Leserin einen Rüffel, sie fand es „schockierend“, daß ich Insterburg als „Pregelstadt“ bezeichnet hatte. Natürlich weiß ich, daß die Heimatstadt meines Vaters an der Angerapp liegt, aber die vereint sich ja westwärts mit der Inster zum Pregel und um den Lesern, die Ostpreußen nicht kennen, die Lage großflächig zu verdeutlichen, hatte ich diese Bezeichnung gewählt. Und nun zitiere ich unseren Heimatkenner Paul Brock aus seinem Buch „Ostpreußen“, damit man ein bißchen schmunzeln kann: „Genau genommen liegt Insterburg an der Angerapp, aber anscheinend fühlten sich die Bewohner schon ganz dem Pregel zugehörig, sie würden sonst ihre Pregelstraße nicht so benannt und die Brücke über den Fluß nicht als Pregelbrücke bezeichnet haben.“ Und in dieser Pregelstraße stand das Stammhaus meiner Familie, und ich bin an der Hand meines Vaters hinunter zur Pregelbrücke gegangen, wenn er die Angelgründe seiner Kindheit noch einmal sehen wollte – in der Angerapp! Amüsant sind übrigens auch Paul Brocks weitere Ausführungen zu dem Namen der Stadt: „Der Außenstehende wiederum möchte Insterburg in Gedanken an die Ufer der Inster versetzen, weil sie der Stadt doch den Namen gab. Dieser Fluß aber begeht die Eigenwilligkeit, sich von solchen Regeln zu distanzieren. Er vereinigt sich erst ein Stück hinter den Gemarkungen der Stadt mit der Angerapp, um dann mit allen Quellflüssen gemeinsam als Pregel weiter zu fließen.“

„Ich habe lange überlegt, ob ich Sie in dieser Sache zu Rate ziehen darf, denn es ist keine Angelegenheit, die direkt die Ostpreußische Familie betrifft“, schreibt Frau Erika Volkmann aus Oschersleben. Dürfen Sie, liebe Frau Volkmann, denn unsere Kolumne wird ja intensiver als je zuvor gelesen, und zwar von einem immer größer werdenden Kreis. So wie Frau Ute Eichler – die übrigens auf ihre Bitte nach Überlassung von geretteten Gegenständen und Dokumenten für die Lötzener Heimatstube in Neumünster schon erste Erfolge verzeichnen kann – in letzter Zeit in Gesprächen verstärkt gemerkt hat, wie aufmerksam das Ostpreußenblatt mit unserer Familien-Kolumne gelesen wird. Und so also zu Ihrem Fund, liebe Frau Volkmann, den Sie in einem antiquarisch erstandenen Buch entdeckt haben. Eine Postkarte, geschrieben am 21. Juni 1941 in Suwalki. Ein Mann sendet an seine „kleine liebe Frau“ einen Sonntagsgruß. Nur wenige Zeilen, die kaum erwähnenswert wären, wenn da nicht der Satz stände: „Ich bin nun lange genug hier und fahre jetzt weiter.“ Wohin? Gehörte der Schreiber einer militärischen oder zivilen Einheit an, die längere Zeit in Suwalki lag, von wo aus kurze Zeit später der Rußland-Feldzug begann? Vielleicht war es eine der letzten Karten, die Frau Josefa Wenzel von ihrem Mann Emil erhielt? Sie wohnte damals in der Emdenerstraße 21 in Münster/Westfalen. Anscheinend war die Familie dort beheimatet, denn es fehlten nicht die „Grüße an Mutter“. Es ist möglich, daß diese Karte – keine Feldpost – für noch lebende Angehörige etwas bedeutet. Bitte an mich schreiben, die Karte ist in unserm Besitz.

Eure Ruth Geede


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