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06.06.09 / Im Vorhof des Todes / Lebensgefährtin erkrankt schwer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Im Vorhof des Todes
Lebensgefährtin erkrankt schwer

Der Schicksalsschlag einer plötzlichen schweren Erkrankung eines Menschen wird aus der Sicht des betroffenen Lebenspartners geschildert: Dieser wird mitgerissen und muß sich der Situation stellen. „Im Park“ heißt Christian Hallers jüngstes Buch, denn der tägliche Weg des Protagonisten Emile Ryffels beim Besuch seiner schwer erkrankten Partnerin in der städtischen Klinik führt durch einen Park, der zwischen der Alten Universität und dem Krankenhaus liegt. Der Basler Paläontologe Emile, der unmittelbar zuvor für sich in privater und beruflicher Hinsicht Veränderungen erwogen hatte, nennt diesen Park „Vorhof des Todes“, da es ihm dort so vorkommt, als wäre er „in etwas eingefangen, in einer Senke, wie es die Maare sind, jene mit Wasser gefüllten Erdtrichter in der Eifel, die vor Jahrmillionen durch gewaltige Explosionen herausgesprengt worden sind und zu den reichsten Fundstellen von Fossilien gehören“.

Eines Nachts hatte Emile seine Partnerin, die Dokumentarfilmerin Lia Schelbert, ins Krankenhaus einliefern müssen. Sie hatte eine Gehirnblutung erlitten, und die Prognose der behandelnden Ärzte fiel ungünstig aus. Am nächsten Morgen – an dieser Stelle setzt die Erzählung ein – kehrt Emile in die gemeinsame, schweizerisch-gemütliche Wohnung in der Altstadt zurück und versucht zunächst, das Ereignis zu verdrängen. Bei einem Cappuccino in seinem früheren Lieblingscafé am Fluß fällt sein Blick auf ein Bild im Lokalteil der Zeitung: Es zeigt Lia während einer Pressekonferenz zu ihrem jüngsten Filmprojekt. Wenig später, wieder in der vertrauten Umgebung, ereilt ihn mit Wucht die Erkenntnis, daß die selbstbewußte Lia wohl nie wieder in ihren Beruf zurückkehren und daß er selbst in der Freiheit seiner Lebensgestaltung dadurch eingeschränkt sein wird. 

Der Schweizer Journalist und Autor Christian Haller, dessen Frau vor mehr als 20 Jahren ebenfalls einen Schlaganfall erlitt, schildert das Dilemma, in das Emile gerät, in eindringlichen Momentaufnahmen. Der bereits über 40jährige wird eingeholt von Erinnerungen und grübelt gleichzeitig über Entscheidungen nach, die er in Kürze zu treffen hat. Bald steht für ihn fest, daß er seine groß angelegte wissenschaftliche Ausarbeitung nicht vollenden und am Ende seines Sabbaticals nicht mehr an das Institut zurückkehren wird, bei dem er beschäftigt ist. Gleichzeitig setzen ihm Schuldgefühle zu, da er kurz vor dem Unglück ein Verhältnis mit der erst 18jährigen Schülerin Klara begonnen hatte. Er hatte das Mädchen durch Lia kennengelernt. Die Beziehung zu Klara bricht er nicht ab, zumal diese „Amour fou“ vielleicht nur noch eine kurze Zeitspanne beschieden sein wird. Er geht abends häufig aus, um sie zu treffen, und versucht, in ihrem Freundeskreis seinen Platz zu finden.

Nach einigen Monaten erwacht Lia aus dem Koma. Ihre linke Körperhälfte bleibt gelähmt, doch innerlich hat sie sich nicht verändert. Die engagierte Feministin empfindet die aufgezwungene, schmerzhafte Bewegungstherapie, verbunden mit dem unsensiblen Verhalten der jungen Therapeutinnen, als gewalttätige Schikane. Nur langsam macht sie Fortschritte.

Wer sich auf diese im Übrigen etwas sperrig daherkommende Geschichte über eine Entscheidungsfindung einlassen möchte, bei der Treue und Pflichterfüllung einerseits und die an sich aussichtslose Neigung eines reiferen Mannes zu einem jungen Mädchen miteinander konkurrieren, dürfte Gefallen an dem Buch finden.            Dagmar Jestrzemski

Christian Haller: „Im Park“, Luchterhand, München 2008, geb., 186 Seiten, 17,95 Euro


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