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06.06.09 / Gutes Thema vergeigt / Dem Bestseller-Autor Wally Lamb merkt man seinen Leistungsdruck an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Gutes Thema vergeigt
Dem Bestseller-Autor Wally Lamb merkt man seinen Leistungsdruck an

Nein, jetzt ist Schluß. 206 lange Seiten wurde dem Autor Zeit gegeben, die Verfasserin dieser Zeilen an seinen Roman zu binden, doch es ist ihm nicht gelungen. Zwar deuten andere Rezensionen darauf hin, daß der insgesamt 750 Seiten umfassende Roman eine sich lohnende Lektüre darstelle, aber der Autor des Bestsellers „Musik der Wale“, Wally Lamb, setzt vor lauter Nebensträngen nach fast einem Drittel des dicken Wälzers immer noch nicht zu seiner Hauptgeschichte an. Diese erzählt den Weg der Selbstfindung des Lehrers Caelum Quirk. Nachdem seine Frau Maureen, von Beruf Schulkrankenschwester, zwar das Massaker an der Columbine Highschool überlebt hat, aber wegen ihres Traumas nur noch unter starken Medikamenten den Alltag bewältigen kann, verliert er sie dann doch noch: Indem sie sich im Medikamentenrausch am Tod eines Jungen schuldig macht, muß sie ins Gefängnis.

Eigentlich ist das Thema gut gewählt. Die meisten blicken bei Schulmassakern immer nur auf die Toten und die Täter, jedoch kaum einer fragt sich, wie es den Überlebenden ergeht, die ihr Leben lang die Erlebnisse in sich tragen. Doch selbst das Massaker schildert der Autor dermaßen unterkühlt, daß das Trauma, das Maureen davonträgt, nicht angemessen erscheint. Außerdem muß Wally Lamb nicht, bevor er auf sein eigentliches Thema kommt, über 180 Seiten damit verbringen, die Kindheit, die Verwandtschaft, die Ehe, die Karriere und die Freundschaften seines Protagonisten darzustellen. Der Leser weiß einfach nicht, warum er weiterlesen soll, wenn alles nur dahinplätschert, ohne zu einem Ziel zu führen.

Hätte der Autor Maureens Verhaftung oder wenigstens das Massaker an den Anfang gestellt, dann wäre dies durchaus ein Anreiz gewesen, zu erfahren, warum alles so wurde wie es ist. „Einen Einstieg in die Geschichte zu finden, ist mir unglaublich schwer gefallen. Ein vielversprechender Anfang nach dem anderen verdörrte und wurde verworfen – ein ganzes Jahr lang“, schreibt der Autor selbst in seinem Nachwort. „Meine Leser warteten auf mein nächstes Buch, ich hatte einen Vertrag, und ich hatte einen Termin, aber keine Geschichte.“ Neun Jahre dauerte es, bis nach einer „kreativen Dürrephase“, wie der Autor selbst schreibt, dieser Roman vorlag. Eine wahrhaft schwere und zähe Geburt, was man dem Buch leider allzu sehr anmerkt.             Rebecca Bellano

Wally Lamb: „Die Stunde, in der ich zu glauben begann“, pendo, München 2008, geb., 750 Seiten, 22,95 Euro


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