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13.06.09 / Merkel plagen Inflationssorgen / Beispiellose Warnung an die Notenbanken der USA und Großbritanniens – Zinsen am langen Ende steigen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-09 vom 13. Juni 2009

Merkel plagen Inflationssorgen
Beispiellose Warnung an die Notenbanken der USA und Großbritanniens – Zinsen am langen Ende steigen

In beispielloser Weise hat die deutsche Regierungschefin die US-Notenbank zu einer Kurskorrektur gemahnt. Kanzlerin Merkel plagen Inflationssorgen, vor allem hinsichtlich des US-Dollars. Viele Experten geben ihr recht und deuten auch die Preisanstiege bei Gold, Öl und Aktien sowie anziehende Zinsen als Vorboten stärkerer Teuerung.

Kurz vor dem Deutschland-Besuch des US-Präsidenten Barack Obama schlug Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen von ihr ungewohnten transatlantischen Ton an. „Wir müssen gemeinsam wieder zu einer unabhängigen Notenbankpolitik und zu einer Politik der Vernunft zurückkehren“, mahnte sie. Und: „Dinge, die andere Notenbanken jetzt machen, müssen zurück-geführt werden.“ Damit focht die Kanzlerin nicht nur für die Unabhängigkeit der Notenbanken von politischer Einflußnahme an. Sie kritisierte auch offen den von der US-Zentralbank Federal Reserve und der Bank of England geplanten umfangreichen Aufkauf von Wertpapieren. Die „Fed“ hatte angekündigt, hypothekengesicherte Anleihen von bis zu 1,25 Billionen Dollar sowie länger laufende Staatsanleihen im Wert von bis zu 300 Milliarden Dollar vom Markt nehmen zu wollen. Die Bank of England verfolgt einen ähnlichen Kurs.

US-Notenbankchef Ben Bernanke entgegnete, „mit allem Respekt“ stimme er nicht mit Merkels Sichtweise überein. Vor dem Haushaltsausschuß des amerikanischen Kongresses gab er zu Protokoll, die Kanzlerin verkenne das Ausmaß der bedrückenden Lage, bei der sich eine Finanzkrise mit einem massiven Wirtschaftseinbruch verbinde. Klar ist, daß die US-Notenbank mit Zinssenkungen die Konjunktur nicht mehr ankurbeln kann, weil der Leitzins ohnehin nahe null liegt. Um die Geldmenge dennoch auszuweiten, bleibt Bernanke nichts anderes übrig, als die sogenannte Offenmarktpolitik zu verstärken, also Wertpapiere zu kaufen und den Geschäftsbanken damit Geld zu verschaffen. Fraglich ist allerdings, ob in der jetzigen Lage eine weitere Ausweitung der Geldmenge, die schließlich eine der Hauptursachen der Krise war, überhaupt angezeigt ist.

Hier ist zu beachten, daß die US-Notenbank weit weniger strikt als ihr europäisches Pendant auf die vorrangige Sicherung des Geldwertes verpflichtet ist. Zu den gesetzlichen Aufgaben der Federal Reserve gehört neben der Geldwertstabilität auch die Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes in der heimischen Wirtschaft. Damit ist die US-Notenbank auch für die Konjunktur zuständig. Letztgenanntes unterscheidet sie von der Europäischen Zentralbank (EZB). Dem damaligen Finanzminister Theo Waigel und seinem Staatssekretär Horst Köhler war es in den neunziger Jahren gelungen, dieses Einfallstor für eine laxe Geldpolitik zu verrammeln.

Dennoch plant nun auch die EZB ähnlich wie die transatlantische Schwester den Kauf von Pfandbriefen, aber nur in Höhe von etwa 60 Milliarden Euro. Merkel rüffelte für diesen eher symbolischen Akt die Frankfurter, die sich dem „internationalen Druck etwas gebeugt“ hätten. EZB-Chef Jean-Claude Trichet griff prompt zum Telefonhörer und vergewisserte sich im Berliner Kanzleramt. Anschließend äußerte er, ganz Diplomat alter französischer Schule, „daß ich sehr glücklich darüber bin, daß die Kanzlerin unsere Unabhängigkeit voll und ganz unterstützt und unsere Arbeit gewürdigt hat“. Nicht nur er, sondern auch Paris dürfte wahrgenommen haben, daß sich Merkel mit ihrer Schelte zumindest vorbeugend dem schon immer von französischer Seite angestrebten stärkeren politischen Zugriff auf die unabhängigen Währungshüter entgegenstellen wollte. Zudem wehrt sich Berlin gegen französische Forderungen, die Stabilitätskriterien für den Euro zu lockern.

Unter Experten scheint die Zustimmung zu Merkels ungewöhnlichen Ermahnungen leicht zu überwiegen. So sieht DIW-Chef Klaus Zimmermann in der enormen Geldausweitung, wie sie von der Federal Reserve und der Bank of England betrieben wird, ein „großes Inflationspotential“. Der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav Horn befand hingegen, die Bundesregierung rede die Krise klein und spekuliere zu viel über angeblich drohende Inflationsgefahren. Die erkennt allerdings selbst Bernanke, der inzwischen die US-Regierung zur Haushaltskonsolidierung mahnt. Wer wie Horn das Inflationsrisiko leugnet, könnte für eine Art Veruntreuung verantwortlich werden. Die deutsche Politik predigt seit Jahren die private Altersvorsorge, Millionen Deutsche haben entsprechend gehandelt. Inflation würde diese Ersparnisse entwerten.

Kai Carstensen vom Münchner ifo-Institut hält die Linie der US-Notenbank für „nicht so abwegig“. Immerhin befinde sich das dortige Bankensystem in einer gefährlichen Notlage. Deshalb seien „extreme Maßnahmen durchaus angebracht“. Nicht von der Hand zu weisen ist wohl der Befund, daß alle Akteure bei der Krisenbewältigung Neuland betreten. Carstensen ist der Ansicht, daß bei anspringender Konjunktur die Notenbanken durchaus die Möglichkeit hätten, die überschüssige Liquidität wieder „einzusammeln“. Im Interview mit der PAZ erklärte er allerdings auch, daß die politischen Widerstände gegen eine solche Kursänderung im beginnenden Aufschwung enorm wären.

Ein anderes Problem der anglo-amerikanischen Politik des „Quantitative Easing“ (zu deutsch: Erleichterung durch Geldmengenausweitung) wird allerdings kaum diskutiert: Wenn Notenbanken den privaten Banken dadurch helfen, daß sie toxische Wertpapiere weit über ihrem aktuellen Wert übernehmen, verteilen sie im Grunde milliardenschwere Geschenke. Dies bedeutet eine Umverteilung, zumal die Entscheidungsmechanismen, welche der notleidenden Papiere zu welchen Konditionen letztlich auf Kosten des Steuerzahlers übernommen werden, wenig transparent sind.      Jost Vielhaber

Foto: Kritik: Auch Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, wurde von Merkel gerügt.


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