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13.06.09 / Ein Geschichtsschreiber im Dienste Preußens / Vor 125 Jahren starb mit Johann Gustav Droysen der »eigentliche Gründer und Schöpfer der preußisch-kleindeutschen Schule«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-09 vom 13. Juni 2009

Ein Geschichtsschreiber im Dienste Preußens
Vor 125 Jahren starb mit Johann Gustav Droysen der »eigentliche Gründer und Schöpfer der preußisch-kleindeutschen Schule«

Johann Gustav Droysen war nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Politiker. Sein Schüler Fried­rich Meinecke spricht von einer „Symbiose von Wissenschaft und Politik“. Seine „Geschichte der preußischen Politik“ legitimierte die Hohenzollernherrschaft in Deutschland wie kein anderes Geschichtswerk.

Im Gegensatz zu seinem Kollegen, Zeitgenossen und Landsmann Leopold von Ranke, der Objektivität anstrebte und die Aufgabe der gemeinsamen Zunft darin sah, aufzuzeigen, „wie es eigentlich gewesen“ ist, bekannte sich der Historiker Johann Gustav Droysen zur Geschichtspolitik – und war damit für heutige Maßstäbe sehr modern. Nach seinem Verständnis hatte der Historiker eine erzieherische Aufgabe für den Staat wahrzunehmen. Der Staat, in dessen Dienst sich Droysen auf diese Weise stellte, war der preußische, dem er eine deutsche Sendung zuschrieb. Er wurde, um es mit den Worten seines österreichischen Kollegen Heinrich von Srbik zu sagen, der „eigentliche Gründer und Schöpfer der preußisch-kleindeutschen Schule“.

Die frühere Kindheit des 1808 im pommerschen Treptow an der Rega geborenen Sohnes eines lutherischen Militärpfarrers ist geprägt durch die napoleonische Fremdherrschaft und die Befreiung von ihr durch die Freiheitskriege. In diesen Kriegen der Jahre 1813 bis 1815 kam Preußen neben Rußland die entscheidende Bedeutung als Initiator zu, und so nimmt es nicht wunder, daß Droysen von Preußen und dessen Herrscherhaus auch in anderen Bereichen der deutschen Geschichte eine Vorreiter- und Führungsrolle erwartet hat. In seinem Bild von der deutschen Geschichte unterstellt er den Hohenzollern eine Kontinuität der deutschen Politik vom 15. Jahrhundert bis zur Reichsgründung.

Wenn Preußen auch der Themenschwerpunkt seines historiographischen Wirkens wurde, so begann er doch seine wissenschaftliche Karriere mit einem Thema aus der Antike. Nach dem Abitur in Stettin 1826, einem Studium der Philologie und Philosophie in Berlin und einer Promotion bei August Böckh über das Lagidenreich unter Ptolomaios VI. habilitierte er sich 1833 mit einer bahnbrechenden Schrift über die „Geschichte Alexanders des Großen“, die eine Ehrenrettung des Makedonenkönigs und damit eine Revision seines Bildes in der Geschichtswissenschaft darstellte. Für Droysen stellt der Sieg von Alexanders Vater Philipp II. über Athener und Thebaner in der Schlacht von Chaironeia im Jahr 338 v. Chr. nicht das Ende der griechischen Freiheit und Geschichte dar. Statt dessen bildete für ihn Philipps Einigung der griechischen Staatenwelt im Korinthischen Bund unter seiner Führung die Voraussetzung für Erfüllung und Höhepunkt der griechischen Geschichte unter dessen Sohn Alexander. Für ihn sind die Makedonenkönige nicht das Ende, sondern der Anfang einer Epoche, die er als „Hellenismus“ bezeichnet und die er erst mit der römischen Einverleibung des ägyptischen Reiches als des letzten hellenistischen im Jahre 30 v. Chr. beendet sieht. So wie die Makedonenkönige den griechischen Partikularismus überwanden, erwartete er, daß die Preußenkönige das gleiche mit dem deutschen täten.

Nach der Habilitation und einer anschließenden Tätigkeit als Oberlehrer und Privatdozent an seiner Alma mater trat er 1840 seine erste Professur in Kiel an. In seinen dort auch veröffentlichten „Vorlesungen über die Freiheitskriege“ betonte er den Zusammenhang zwischen der gesamtdeutschen nationalliberalen Bewegung und den Preußischen Reformen. Als 1848 die Märzrevolution ausbrach, beteiligte sich der Nationalliberale daran. Er vertrat die provisorische Regierung in Kiel beim Bundestag in Frankfurt und saß für Holstein in der Nationalversammlung, wo er im Verfassungsausschuß das Protokoll führte. Er positionierte sich in der sogenannten Kasinopartei und setzte sich dort für eine preußisch-kleindeutsche Lösung der deutschen Frage mit einem erblichen Kaisertum der Hohenzollern ein.

Nach dem Scheitern der 48er Revolution und der Erhebung der Schleswig-Holsteiner gegen den dänischen Landesherren kam Droysen Schikanen seines Dienst­herren zuvor und wechselte 1851 auf den neugeschaffenen Lehrstuhl für Geschichte an der renommierten Universität Jena. 1859 schließlich schloß sich der Kreis. Er wechselte an die Universität der Hauptstadt Preußens, die nicht nur das Land seiner Geburt, sondern auch seine politische Heimat war.

Hier setzte er die Arbeiten an der bereits in Jena begonnen „Geschichte der preußischen Politik“ fort. Dieses von 1855 bis 1886 in 14 Bänden erschienene Hauptwerk Droysens ist die umfassendste Darstellung der preußisch-kleindeutschen Geschichtsidee, die in der Gründung des Deutschen Reiches Ziel und Erfüllung der deutschen Geschichte sieht. Dabei wird deutsche Geschichte vor 1871 zur Vorgeschichte der Reichsgründung. Diese Reichsgründung noch zu erleben, war Droysen vergönnt. Fast eineinhalb Jahrzehnte nach der Kaiserproklamation, am 19. Juni 1884, starb er in Berlin.  Manuel Ruoff

Foto: Johann Gustav Droysen: Aus seiner Feder stammt die umfassendste Darstellung der preußisch-kleindeutschen Geschichtsidee.


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