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13.06.09 / Lehrpfad durch ein Stück Weltkriegsgeschichte / In der Pfalz wird ein neues Teilstück des »Westwall-Wanderweges« eröffnet – Die Reste der Bunkerlinie sind zum Biotop geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-09 vom 13. Juni 2009

Lehrpfad durch ein Stück Weltkriegsgeschichte
In der Pfalz wird ein neues Teilstück des »Westwall-Wanderweges« eröffnet – Die Reste der Bunkerlinie sind zum Biotop geworden

Oberotterbach ist ein unscheinbares Dorf in der Südpfalz unweit von Bad Bergzabern. Demnächst wird hier das zweite ausgeschilderte Teilstück des „Westwall-Wanderweges“ eröffnet.

Ab Montag können geschichtsbewußte Wanderer, beginnend an der evangelischen Kirche, eine rund zehn Kilometer lange Tour durch das Waldgebiet von Oberotterbach unternehmen und dabei gesprengte Bunker, Laufgräben und Stellungen sowie etliche Einmannringkampfstände bestaunen. Immer wieder gibt es nach dem Muster des Vorgängerabschnitts des Westwallweges Infotafeln mit genauen Erläuterungen. Die ersten acht Tafeln dieses Lehrpfades existieren seit Sommer 2007 in den Nachbargemeinden Steinfeld und Niederotterbach. Sie stehen an nassen Panzergräben und den heute bisweilen mitten durch Privatgärten verlaufenden Höckerlinien des auch als „Siegfriedlinie“ bezeichneten Walls.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war der Westwall auf Geheiß der Alliierten gesprengt worden. Anschließend ließ die Bundesrepublik neun Zehntel der Ruinen restlos beseitigen. Von den größten und am besten ausgestatteten Bunkeranlagen des Westwalls mit einer Wand- und Deckenstärke von eineinhalb Metern, den sogenannten B-Werken, ist in der Pfalz kein einziges mehr erhalten. Die regionale Bevölkerung empfand die übriggebliebenen Bunkerruinen und Höckerlinien über Jahrzehnte hinweg als störend. Sie verstellten den Blick in die schöne Landschaft dieser sonnigen Gegend, behinderten Bebauungspläne, stellten eine Gefahr für spielende Kinder dar und erinnerten immer wieder an die Kriegszeit. Allein manche Jugendliche, die zwischen den Höckerlinien ungestört ihre Feste feierten, und einige wenige Geschichtsbewußte konnten diesem Erbe auch Positives abgewinnen. Der Westwall und seine letzten sichtbaren Spuren drohten endgültig der Vergessenheit anheimzufallen, bis im Dezember 2003 der „Verein zum Erhalt der Westwall-Anlagen“ entstand.

Seither wurden die Pläne für einen zeitgeschichtlichen Wanderweg seitens des Vereins und der Gemeinde Bad Bergzabern immer konkreter. Jedoch galt es noch eine Menge bürokratischer Hemmnisse zu überwinden. Mit dem neugeschaffenen, noch sehr kurzen Lehrpfad, der langfristig in Richtung Saarland, Eifel und Ardennen fortgesetzt werden soll, werden die Reste des Westwalls nun deutlich aufgewertet. Die Initiatoren möchten für die weitere Streckenführung unter anderem das 1998 eröffnete, in erhalten gebliebenen Bunkerräumen untergebrachte private „Westwall-Museum“ in Bad Bergzabern einbeziehen. Der Wanderweg soll anschauliche Erinnerung für Zeitzeugen und künftige Generationen ermöglichen, aber auch Rückzugsgebiete für seltene Tiere und Pflanzen bewahren helfen. Denn die Bunkerreste haben sich als schützenswerte ökologische Nischen für Fledermäuse, Lurche, Wildkatzen sowie seltene Moose und Farne erwiesen.

Bei der Textgestaltung der Bildtafeln spielte die Mainzer Landeszentrale für politische Bildung die entscheidende Rolle, zumal der Wanderweg ausschließlich mit öffentlichen Geldern finanziert wird. Gegen mancherlei Unmut örtlicher Fachleute wurde eine „Kontextualisierung“, sprich: Einbettung in den historischen Gesamtzusammenhang, durchgesetzt, die leider von Einseitigkeit geprägt ist.

Ein Beispiel: Die zur Erklärung des geschichtlichen Hintergrunds unerläßliche Erinnerung an die Erfahrungen des Stellungskrieges an der Westfront zwischen 1914 und 1918 sowie an die im Europa der Zwischenkriegszeit allgemein vorherrschende Festungsideologie kommt auf den Anfangstafeln in Steinfeld nicht zur Sprache. Die Maginotlinie als französischer Vorläufer und Gegenstück des Westwalls wird nur an einer Stelle kurz erwähnt, andere Festungsanlagen wie der „Ostwall“ der Weimarer Republik, die Festungslinie der Tschechoslowakei, der in den dreißiger Jahren erbaute 1850 Kilometer lange italienische Alpenwall, das legendäre Schweizer Réduit oder die Metaxaslinie in Griechenland tauchen überhaupt nicht auf. Die Verantwortlichen begründen ihre Darstellung damit, daß solche Hintergründe „zu speziell“ seien und man „kein Übermaß an Militärgeschichte“ gewollt habe.

Glücklicherweise zeugen die anderen Infotafeln dann doch von militärgeschichtlichen Detailkenntnissen – zum Beispiel gibt es aufwendig recherchierte Karten zu den Befestigungsanlagen – und bieten aufschlußreiche regionalbezogene Erläuterungen. Zum heute 2000 Einwohner zählenden Steinfeld erfährt man: „Der Ort lag zudem in der ,Roten Zone‘, dem Gebiet im Bereich des Westwalls, das bei Kriegsbeginn sofort geräumt werden sollte, damit Soldaten der Wehrmacht in die Bunkerzone einmarschieren konnten. Diese Evakuierung wurde für die 1348 Steinfelder am 1. September 1939 angeordnet. Binnen zwei Tagen waren das Dorf wie auch die in direkter Grenznähe liegenden Ortschaften Dierbach, Niederotterbach, Schweighofen, Schweigen und Rechtenbach bis auf wenige mit Sondergenehmigung Zurückgebliebene vollständig geräumt.“

Westwall-Interessierte sollten sich auch in den unweit von Oberotterbach gelegenen Bienwald begeben, wo schon seit 2004 zwei vom Pfälzerwald-Verein Schaidt angelegte Rundwanderwege zu Überresten der Festungsanlagen führen. Für geschichtsbewußte Wanderer ergeben sich also viele neue Möglichkeiten, diesen bemerkenswerten Teil der Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts in Augenschein zu nehmen. Martin Schmidt

Eine kürzlich erschienene Informationsbroschüre zu den erwähnten Abschnitten des „Westwall-Wanderweges“ sowie weitergehende Informationen sind erhältlich bei Manfred Mizkunaz, Röllergasse 4, 76889 Oberotterbach, Telefon 06342/919593, E-Mail: Manfred.Mizkunaz@t-online.de, Internet: www.otterbachabschnitt.de


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