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20.06.09 / Der Aufholprozeß geht weiter / Bericht zum Stand der Einheit: Neue Bundesländer kommen sogar besser durch die Krise als der Westen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Der Aufholprozeß geht weiter
Bericht zum Stand der Einheit: Neue Bundesländer kommen sogar besser durch die Krise als der Westen

Abgehängt? Entindustrialisiert? Nichts von dem: Die neuen Bundesländer arbeiten sich bei der Wirtschaftsleistung langsam, aber stetig dem bundesdeutschen Durchschnittsniveau entgegen, so der Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit.

Die neuen Bundesländer holen gegenüber dem Westen der Republik selbst während der Finanzkrise weiter auf. Damit setzt sich ein Trend fort, der schon seit Anfang des Jahrzehnts zu beobachten ist. So das Resümee der Bundesregierung in dem jetzt veröffentlichten Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit.

Danach ging der Umsatz der Industrie im ersten Vierteljahr 2009 in den alten Ländern um 21,1 Prozent zurück, in den neuen verringerte er sich „nur“ um 16,6 Prozent. Ursache: Die Industrie zwischen Rügen und dem Vogtland ist weniger stark exportorientiert als die westdeutsche. Vor allem der Einbruch beim Export aber ist es, welcher der deutschen Industrie zu schaffen macht. Wichtige Abnehmerländer wie etliche EU-Staaten oder die USA sind besonders hart von der Finanzkrise erwischt worden. Zusammengenommen erwarten die Fachleute für 2009 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in den neuen Ländern von fünf Prozent gegenüber sechs Prozent im Bundesschnitt.

In der Entwicklung der neuen Länder seit 1990 erkennen die Experten heute drei Phasen. In der ersten Phase von Anfang bis Mitte der 90er Jahre holten die Länder der vormaligen DDR rasant auf. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf stieg von 42,8 Prozent (mit Groß-Berlin) des Westniveaus auf 68,3 Prozent 1996. Ohne Berlin mit seinen Westsektoren lag das Pro-Kopf-BIP der damaligen DDR 1990 gar nur bei 33,5 Prozent des bundesdeutschen Werts. Mit dem BIP pro Kopf wird die durchschnittliche Wirtschaftsleistung jedes Einwohners ermittelt. Der Wert gibt damit zuverlässig Auskunft über die Wirtschaftskraft einer ganzen Region.

In der zweiten Phase bis zum Jahr 2000 schien der Trend zu kippen. Das Pro-Kopf-BIP der neuen Länder sank leicht ab auf zuletzt 67,2 Prozent des westdeutschen. Seinerzeit machte sich beträchtliche Sorge breit, daß die beiden Teile der Republik wieder auseinanderdriften könnten. Von einer „neuen Spaltung“ war die Rede.

Heute verweisen die Fachleute solche Befürchtungen ins Reich der Gruselgeschichten. Der – statistische – Rückschlag sei leicht zu erklären: Gleich nach der Vereinigung habe eine enorme Bautätigkeit eingesetzt. Wohnungen, Infrastruktur, Industrie – auf allen Bereichen habe ein erheblicher baulicher Nachholbedarf geherrscht, der den steilen Anstieg beim BIP von 1990 bis 1996 wesentlich beschleunigt habe. Mitte der 90er Jahre war das meiste fertig, die Bautätigkeit ließ stark nach, was die BIP-Daten nach unten zog.

Die übrige Wirtschaft habe den Aufholprozeß jedoch fortgesetzt, was in der dritten Phase seit 2000 auch wieder sichtbar geworden sei. So ist dem Bericht zur deutschen Einheit zufolge das Pro-Kopf-BIP der neuen Länder zwischen 2000 und 2008 von 67,2 Prozent des Westniveaus auf 71 Prozent angestiegen. Damit hinkt es dem westdeutschen Durchschnittswert zwar noch deutlich hinterher, nähert sich jedoch bereits den Werten des schwächsten West-Bundeslandes Schleswig-Holstein, das 85,5 Prozent des Bundesschnitts erreicht.

Nicht bestätigt hat sich auch die Befürchtung, den neuen Ländern drohe infolge der schlechten Wettbewerbsfähigkeit der alten DDR-Betriebe eine „Entindustrialisierung“. Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung (BWS) erhöhte sich von 2000 bis 2008 von 15,3 auf 19,6 Prozent. Der Bundesschnitt liegt zwar bei 24,5 Prozent, doch viele westliche Volkswirtschaften haben die neuen Länder bereits hinter sich gelassen. So lag der Anteil der Industrie an der BWS in Großbritannien zuletzt bei 12,6 Prozent und in den USA bei 13,3.

Einen Vorteil für die Industrie der neuen Länder stellen die nach wie vor geringeren Lohnstückkosten dar; sie lagen 2008 bei 88 Prozent des westdeutschen Durchschnitts. Dies lockt Investoren an, was sich auch in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit niederschlägt. Sie sank 2008 auf 13,1 Prozent gegenüber 15,1 im Vorjahr und damit weit stärker als im Westen. Auch wuchs die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten steiler.

Derzeit steigen die Erwerbslosenzahlen krisenbedingt auch in den neuen Ländern wieder an, ebenso wie im We-sten. Allerdings sind die Aussichten kaum mehr von denen in den alten Bundesländern zu unterscheiden. Demnach dämpft bislang die erheblich ausgeweitete Kurzarbeit noch den Anstieg der Erwerbslosenzahlen. Dies dürfte sich nach Meinung aller Fachleute bald ändern.

Jedoch gehen sie davon aus, daß die neuen Bundesländer – lediglich „ver-deckt“ von den beispiellosen Krisenzahlen – ihren Aufholprozeß fortsetzen werden. Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), hält es für realistisch, daß die stärksten der neuen Länder bis 2019 zumindest das Pro-Kopf-BIP der schwächsten West-Länder erreichen. In dem Jahr läuft die Förderung durch den Solidarpakt II aus. Hans Heckel

Foto: Erfolgreich: Justage und Kalibrierung von Hochleistungsmikroskopen bei der Carl Zeiss AG in Jena


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