20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.06.09 / Wie die Lombardei sardisch wurde / In der Schlacht von Solferino wurde nicht nur das Schicksal der italienischen Provinz entschieden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Wie die Lombardei sardisch wurde
In der Schlacht von Solferino wurde nicht nur das Schicksal der italienischen Provinz entschieden

Die Schlacht von Solferino mit ihren 5000 Toten und 25000 Verwundeten führte nicht nur zur Gründung des Roten Kreuzes, sondern auch zur Beendigung des Sardinischen Krieges. Dieser sogenannte Zweite Italienische Unabhängigkeitskrieg stand am Beginn einer Entwicklung, welche einen Kleinstaat zur Großmacht und eine Großmacht zum Kleinstaat werden ließ.

Nachdem Sardinien Österreichs Forderung vom 19. April 1859, innerhalb dreier Tage zu demobilisieren, zurückgewiesen hatte, erklärte der Kaiserstaat dem Königreich den Krieg, woraufhin Frankreich entsprechend einem sardisch-französischen Geheimvertrag seinem Verbündeten zur Seite sprang. Am 29. April überschritten die Österreicher die lombardisch-sardische Grenze und marschierten in den Nachbarstaat ein. Unglücklich geführt, unterließen sie es jedoch, bis nach Turin vorzurücken, um mit ihrer drückenden Überlegenheit von 220000 Mann die mit 70000 Soldaten vergleichsweise kleine Armee Sardiniens zum Kampf zu stellen. Statt dessen ermöglichten sie es den Gegnern, sich mit der 130000 Mann starken französischen Armee in Italien zu vereinigen.

Am 29. Mai gingen Sarden und Franzosen in die Offensive und begannen die Österreicher zu­rück­zudrängen. Die Verbündeten schlugen den Feind am 4. Juni nahe der lombardischen Hauptstadt Mailand bei Magenta und marschierten nun Richtung des an der lombardisch-venezianischen Grenze gelegenen Festungsviereckes Mantua–Peschiera–Verona–Legnago, mit dem Österreich Norditalien beherrschte. Die Österreicher suchten die Entscheidung vor dem Festungsviereck auf der westlich von diesem gelegenen Ebene von Montichiari, um ihre Kavallerie besser einsetzen zu können.

Im Ergebnis trafen vor 150 Jahren, am 24. Juni 1859, 110000 Österreicher auf der einen Seite sowie knapp 119000 verbündete Sarden und Franzosen auf der anderen in der Doppelschlacht von Solferino und San Martino aufeinander. Wie die Sardinier in der vergleichsweise unbedeutenden Schlacht von San Martino waren wenige Kilometer südlich auch die von Sarden unterstützten Franzosen in der Entscheidungsschlacht von Solferino erfolgreich. Die Besiegten räumten das Feld und zogen sich in ihr Festungsviereck zurück.

Die blutige Massenschlacht kostete 5000 Soldaten das Leben, 25000 wurden verletzt. 17000 Tote, Verwundete, Vermißte und Gefangene hatten Franzosen und Sarden zu beklagen und 22000 gar die Österreicher. Dabei hätte die Zahl der Todesopfer kleiner sein können, wenn man sich der Verletzten angenommen und sie nicht auf dem Schlachtfeld zurück- und sich selber überlassen hätte.

Am Abend des 24. Juni wurde Henry Dunant Zeuge des Elends auf dem Schlachtfeld. Eigentlich war der aus der Schweiz stammende Geschäftsmann nach Solferino gekommen, um den französischen Kaiser Napoleon III. um mehr Konzilianz der kaiserlichen Verwaltung im französisch besetzten Algerien zu bitten, wo Dunant wirtschaftlich engagiert war. Unter dem Eindruck des Elends auf dem Schlachtfeld organisierte er spontan im Rahmen seiner beschränkten privaten Mittel Hilfe für die Leidenden – und zwar unabhängig von deren Nationalität. Nach seiner Rück­kehr schrieb und verteilte er dann das Buch „Eine Erinnerung an Solferino“, in der er nicht nur das erlebte Elend öffentlich, sondern auch Verbesserungsvorschläge für die Zukunft machte. Auf der Basis dieser Ideen initiierte der durch die Erinnerung an Solferino für den Rest seines Lebens geprägte große Humanist und spätere Nobelpreisträger sowohl die Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz als auch die Genfer Konventionen, die ihn berühmt, um nicht zu sagen unsterblich machten.

Das Gemetzel hinterließ nicht nur bei Dunant einen tiefen Eindruck, sondern auch bei Napoleon. Die Opferzahlen ließen das Schlimmste für eine Eroberung des gut ausgebauten österreichischen Festungsviereckes befürchten. Möglicherweise waren es derartige Überlegungen, die Napoleon einen ungewöhnlichen Schritt tun ließen: Obwohl Sieger, schlug er dem österreichischen Kaiser Franz Joseph Waffenstillstandsverhandlungen vor.

Es gab jedoch noch andere gute Gründe für den Franzosenkaiser, eine Eskalation des Konfliktes zu verhindern. Der sardische Verbündete drohte zu mächtig zu werden. Bonaparte schwebte ein sardinisch beherrschtes Norditalien als Juniorpartner vor. Das genügte dem sardischen Ministerpräsidenten Camillo Graf Benso di Cavour aber offenkundig nicht, denn er beschränkte seine subversive Arbeit, das heißt die Unterstützung prosardischen Aufruhrs, nicht auf die Staaten des italienischen Nordens, sondern steuerte auf eine Einigung Italiens unter sardischer Führung und damit der Schaffung einer neben Frankreich, Österreich, Rußland, Großbritannien und Preußen sechsten Großmacht zu.

Und schließlich sprach die Politik Preußens für ein schnelles Kriegsende. Noch verhielt sich die zweite deutsche Großmacht neutral, aber wenn Preußen mit den anderen Staaten des Deutschen Bundes aus nationaler Solidarität mit Österreich am Rhein eine zweite Front aufmachte, konnte sich der Krieg zur existentiellen Bedrohung für Napoleons Herrschaft entwickeln.

Franz Joseph ging auf Napoleons Angebot ein, und am 11. Juli 1859 schlossen Österreicher und Franzosen über den Kopf der Sarden hinweg in Villafranca di Verona einen Vorfrieden, dem am 10. November 1859 der Frieden von Zürich folgte. Beide Seiten einigten sich auf der Basis des militärischen Status quo. Österreich trat an Frankreich die militärisch bereits verlorene Lombardei mit Ausnahme des noch von eigenen Truppen gehaltenen Festungsvierecks ab. Frankreich, das mit der Lombardei keine Grenze hatte, trat dann diese Kriegsbeute an Sardinien ab und bekam dafür von seinem italienischen Nachbarn und Verbündeten Savoyen und Nizza.

Letztere Gebiete sind noch heute französisch. Dennoch hatte der Sardinische Krieg von allen beteiligten Staaten für Frankreich noch die geringste Bedeutung. Frankreichs jahrhundertelanger Erbfeind Habsburg wurde zwar geschwächt, aber Napoleons Traum von einem norditalienischen Juniorpartner erfüllte sich nicht. Statt dessen entstand bereits 1861 der von Bonaparte gerade nicht gewollte italienische Nationalstaat.

Für die beiden anderen am Sardinischen Krieg beteiligten Staaten bildete das Jahr 1859 den Beginn einer Ent­wick­lung, welche den einen zur Großmacht und den anderen zum Kleinstaat werden ließ. Nachdem Sardinien sich im sogenannten Ersten Italienischen Unabhängigkeitskrieg von 1848 noch nicht gegen Österreich hatte durchsetzen können, gewann es an der Seite Frankreichs im sogenannten Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg, dem Sardinischen Krieg von 1859, nun die Lombardei. 1861 wurde das sardinische zum ungleich größeren italienischen Königreich. 1866 gewann es an der Seite Preußens im sogenannten Dritten Italienischen Einigungskrieg, dem Deutschen Krieg, Venetien hinzu. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt es als Verbündeter der Ententemächte von Österreich noch Welschtirol, Südtirol und das Österreichische Küstenland.

Für Österreich hingegen begann mit der Niederlage von 1859 eine Entwicklung, welche es erst die Führungsrolle in Italien und Deutschland und schließlich auch den Großmachtstatus verlieren ließ. Manuel Ruoff

 

Preußens Rolle im Sardinischen Krieg

Preußens Haltung im Sardinischen Krieg ist durch zwei Faktoren bestimmt. Da war zum einen die nationale Gegnerschaft gegen Frankreich, das, indem es Österreich in Italien angriff, zu einer neuen Hegemonie in Europa anzusetzen schien, die abzuwehren das Interesse Preußens und Österreichs gleichermaßen war. Daneben stand – in einem gewissen Widerspruch hierzu – die Versuchung, die Notlage Österreichs in Italien mit dem Ziele auszunutzen, die Gleichberechtigung im Deutschen Bund endlich durchzusetzen.

Österreich hätte dem Königreich Sardinien nicht mit dem Ultimatum vom 19. April einen Kriegsgrund geliefert, wenn es nicht die Unterstützung Preußens und des gesamten Deutschen Bundes vorausgesetzt hätte. Trotz der Volkswut gegen den damaligen Erbfeind Frankreich blieb sie jedoch aus.

Wenn Sardiniens Ministerpräsident Camillo Benso von Cavour und der Kaiser der Franzosen Napoleon III. Österreichs dominierende Stellung in Italien angriffen, stellten sie damit zwar die Wiener Nachkriegsordnung von 1814/15 in Frage, aber die Lombardei und Venetien gehörten nicht zum Territorium des Deutschen Bundes, und daher war Preußen als dessen Mitglied auch nicht zu deren Verteidigung verpflichtet. So konnte Preußens damaliger Außenminister Alexander von Schleinitz das Eintreten für Österreich von der Anerkennung der Gleichberechtigung Preußens im Bund abhängig machen. Letztere machte Berlin am preußischen Oberbefehl über die Bundestruppen am Rhein fest.

Da die diesbezüglichen Verhandlungen mit Österreich nicht vorankamen, liefen die militärischen Vorbereitungen Preußens am Rhein schleppend – viel langsamer jedenfalls als der französisch-sardische Vormarsch in der Lombardei.

Österreichs Kaiser Franz Joseph war empört über das preußische Zögern, da dessen politische Gründe nicht in sein hochkonservatives und habsburgzentrisches Weltbild paßten. Als letzten Trumpf schickte er den uralten Feldmarschall Alfred I. zu Windisch-Graetz, der die 48er Revolution in Wien niedergeschlagen hatte, nach Berlin, denn der Fürst war bekannt für seine Hochschätzung gleichberechtigter österreichisch-preußischer Waffenbrüderschaft. Prinzregent Wilhelm, der spätere König und Kaiser Wilhelm I., wäre zwar bereit gewesen, gegen Frankreich zu marschieren, Schleinitz und übrigens auch der preußische Gesandte in St. Petersburg Otto von Bismarck, auf den es damals aber noch nicht ankam, wollten Österreichs Notlage jedoch nicht ungenutzt lassen. Schleinitz verdeckte das hinter dem Vorschlag einer Vermittlung von Preußen, Rußland und Großbritannien zwischen Wien, Turin und Paris.

Da platzte in die wohlwollenden Gespräche zwischen Wilhelm und Windisch-Graetz wie eine Bombe die Information über den Waffenstillstand von Villafranca, dem sofortige Friedensverhandlungen folgen sollten. Durch den überraschenden Waffenstillstand schien Schleinitz in seiner Sorge bestätigt, daß Preußen und die kleineren Bundesstaaten nach einem Losschlagen am Rhein von einem österreichisch-französischen Separatabkommen hätten überrascht werden können. Andererseits ist fraglich, ob Wien sich auf ein Übereinkommen mit Paris derart schnell eingelassen hätte, wenn es Berlin an seiner Seite gewußt hätte. Wie viele hypothetische Fragen ist auch diese nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten.

Als Fazit läßt sich konstatieren, daß Österreich es sich als Großmacht meinte schuldig zu sein, sowohl in Italien als auch in Deutschland zu dominieren. So war es nicht dazu bereit, für die Verteidigung seiner italienischen Position in Deutschland nachzugeben. Nicht nur, daß es mit dem Sardinischen Krieg die Lombardei verlor, es gab auch in Preußen all jenen Kräften Auftrieb, die auf eine entscheidende Konfrontation mit dem Kaiserstaat hinsteuerten, die dann 1866 eintrat.       Bernd Rill

Foto: „Napoleon III. zu Solferino“: Ölgemälde von Jean-Louis-Ernest Meissonier aus dem Jahre 1863


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren