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20.06.09 / Ein Sonderweg? / Clark sprach in Stuttgart über Preußens Rolle in Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Ein Sonderweg?
Clark sprach in Stuttgart über Preußens Rolle in Deutschland

In ein Verhältnis zur Vergangenheit zu treten ist nicht nur eine wissenschaftliche Aufgabe, sondern ein offizielles Bedürfnis“, sagt Christopher Clark, Professor für Neuere Europäische Geschichte an der Universität Cambridge. Der in Sydney geborene Clark ist Autor des mehrfach ausgezeichneten Buches „Preußen – Aufstieg und Niedergang 1600–1947“. Als Mitglied der Preußischen Historischen Kommission und der German History Society gilt er als international führender Interpret Preußens.

Bei einem Vortrag im Stuttgarter Rathaus über die „Rolle Preußens in der deutschen Geschichte“ und den sogenannten Sonderweg, dem man dem Preußischen so gern zuschreibt, traf er dementsprechend sowohl auf ein hochrangiges akademisches Publikum als auch auf interessierte Bürger vieler Schichten und Altersgruppen. Wer spitzte in Deutschland nicht die Ohren, wenn von Preußen als schillerndem Begriff der deutschen Geschichte die Rede sein soll?

Bis heute gehört zum weltweiten Echo auf Preußen und das Preußische die Bewunderung seiner Gradlinigkeit und die Furcht vor deren Härte. Von Friedrich dem Großen bis zum antinationalsozialistischen General Kurt von Hammerstein-Equord (Hans Magnus Enzensberger: „Hammerstein oder der Eigensinn – Eine deutsche Geschichte“, Frankfurt am Main 2008) zieht sich diese Reaktion durch die deutsche Geschichte und Gesellschaft.

In Stuttgart kommentierte man diese Situation mit den Worten „Die These des deutschen Sonderweges innerhalb Europas bei der Entwicklung eines modernen demokratischen Staates bezog sich im Kern stets vorrangig auf Preußen und setzt voraus, daß es einen deutschen ,Normalweg‘ gab.“

Da sich in den vergangenen Jahrzehnten aber nicht nur die Technik, sondern auch ihr gesellschaftliches Umfeld erheblich wandelten, haben die Historiker und an ihrer Spitze Christopher Clark festgestellt, daß die Sache mit der so vielfach attackierten Vormachtstellung preußischer Eliten nicht so ganz stimmen kann.

Clark fügte hinzu, daß auch die Neigung von Joseph Goebbels und vielen anderen, preußische Disziplin als NS-Charakterzug zu werten, einem objektiven Urteil über Preußen nicht eben gut bekommen sei. Hinzu komme, daß als eine der bleibenden Grundlagen des Staates um Potsdam der Gehorsam betrachtet werde und daß selbst die Wissenschaft Preußens Gesellschaft als eine ausgeprägt militaristische bezeichnet habe, die von ihren Landjunkern geprägt worden sei.

Dagegen führte Clark an, daß der preußische Staat aufgrund seiner Gesetzgebung die Bauern gegen die Übergriffe der Junker geschützt habe. Die sogenannten preußischen Konservativen aber seien eine ausgesprochen ostelbische Angelegenheit gewesen. Das ist in Kenntnis gegenwartsnaher politischer Entwicklungen eine hochinteressante Interpretation.

Der australische Professor machte betont darauf aufmerksam, daß die neueren wissenschaftlichen Urteile Preußen sehr viel objektiver bewerten und erkennen lassen, daß der bisherige Gedanke eines „Sonderweges“ in die Irre führe. Zumal etwa die hohe Anerkennung des Offiziersstandes in der Gesellschaft durchaus nicht nur für Preußen gelte.

Am Ende erntete der Hochschullehrer aus Cambridge nicht nur donnernden Applaus, sondern auch die vertraute Kritik von entsprechender Seite, die sich auf die „anmaßende Arroganz der Offizierskaste“ konzentrierte. Die internationale Geschichtsforschung hat begonnen, die Gegner Preußens eines besseren zu belehren. Rosemarie Fiedler-Winter


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