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20.06.09 / Bunt, schick, doch manchmal sogar tödlich / Billige Discounter-Klamotten haben eine lange Reise hinter sich, bevor sie auf den Warentischen und in den Kleiderschränken landen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Bunt, schick, doch manchmal sogar tödlich
Billige Discounter-Klamotten haben eine lange Reise hinter sich, bevor sie auf den Warentischen und in den Kleiderschränken landen

Die Klamotten sind bunt, schick, zu billig, oft giftig und mitunter sogar tödlich. Fast ein Viertel der jährlich versprühten Pflanzengifte landet auf den Baumwollplantagen dieser Welt. Jedes Jahr sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO 28000 Bauern an Pestiziden. Nach der Ernte wird die Baumwolle gesponnen, gefärbt und ausgerüstet – ebenfalls mit reichlich ungesunder Chemie. Die Näherinnen in den Fabriken, in denen die großen Handelskonzerne

T-Shirts, Blusen, Hosen und andere Kleidungsstücke fertigen lassen, bekommen ein paar Euro im Monat. Dafür schuften manche 100 Stunden die Woche. Nach Feierabend lassen einige Fabrikbesitzer die Arbeiterinnen in den Schlafsälen einsperren. Wer aufmuckt fliegt raus. Doch es gibt inzwischen flotte, moderne und gut geschnittene Kleidungsstücke aus Bio-Baumwolle und fairem Handel. 

Schon ein T-Shirt kann ganz schön gewichtig werden. Rechnet man Rohstoff- und Wasserverbrauch, die giftigen Abwässer, Farbstoffe für die Herstellung eines gefärbten T-Shirts, die Verpackung und den Transport zusammen, bringt es rund vier-einhalb Tonnen auf die Waage, ungefähr so viel wie ein ausgewachsener Elefant. Forscher um den Wissenschaftler Friedrich Schmidt-Bleek haben den „ökologischen Rucksack“ eines banalen schwarzen T-Shirts berechnet. Bis es am Verkaufsständer in einer Fußgängerzone hängt, hat das Kleidungsstück einiges durchgemacht – und die Menschen, die an seiner Herstellung arbeiten auch. Schon die Bauern und Feldarbeiter bekommen von den Pestiziden, die zum Schutz der Baumwolle auf die Felder gesprüht werden, Hautkrankheiten, Allergien, sogar Krebs.

Damit Maschinen die Baumwolle schnell und billig ernten können, werden die Pflanzen mit Sprühgiften entlaubt. Wo die Maschinen nicht hinkommen oder die Bauern sie sich nicht leisten können, pflücken oft Kinder die weißen Büschel. Für drei Cent pro Kilo Ernte oder drei US-Dollar am Tag schuften etwa in Usbekistan Kinder auf den Plantagen. 

Kaum eine landwirtschaftliche Pflanze verbraucht so viel Wasser wie die Baumwolle. Die Folge der intensiven Bewässerung sieht man zum Beispiel in Zentralasien. Der Grundwasserspiegel sinkt, die Böden versalzen und der Aralsee trocknet aus.

Nach der Ernte wird die Baumwolle gereinigt, gesponnen, mit Chlorlösungen gebleicht, teilweise mit hochgiftigen Farbstoffen gefärbt und chemisch ausgerüstet. So gelangt ein ganzer

Cocktail an Giftstoffen in die Kleidung: Formaldehyd, Chlor, Motten-, Flamm- und Fleckenschutz. Manche dieser Zutaten sind so giftig, daß Deutschland und die EU sie längst verboten haben. In Asien, Afrika und Lateinamerika werden sie weiter verwendet. So entsteht der Stoff, aus dem die Alpträume der asiatischen Näherinnen ist: „Wir schlafen in überfüllten, stickigen Räumen. Dort bekommen wir zu wenig Luft. Vor den Mücken gibt es kein Entkommen“, berichtet eine Arbeiterin einer Textilfabrik in Sri Lanka. „Von meinem mageren Gehalt bezahle ich die Unterkunft, das Essen und schicke einen kleinen Betrag meiner Schwester für ihr Studium.“

Umgerechnet 15 Euro verdienen viele Näherinnen in Bangladesch im Monat, rund 300 Pesos auf den Philippinen, wo ein Kilo Reis 35 Pesos kostet. Leben kann davon niemand. In Bangladesch kostet schon ein kleines Zimmer so viel Miete, wie eine Hilfsnäherin verdient. Fürs Essen bleibt fast nichts mehr übrig. Wer krank wird, muß unbezahlten Urlaub nehmen – oder kann gehen. Gewerkschaften sind verboten.

„Wir müssen von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts arbeiten, an 30 Tagen im Monat“, erzählt eine Textilarbeiterin in Indien und eine andere: „Du fragst nach Gewerkschaften? Wir dürfen ja in der Fabrik nicht mal miteinander reden.“

Bangladesch, Indien, China, El Salvador, das Elend in den Fabriken unterscheidet sich kaum. Dafür verkaufen deutsche Discounter Kinderjeans für 5,99 Euro und Freizeithosen für 2,99 Euro. Auf die Ausbeutung in ihren Zulieferfabriken angesprochen, verweisen die großen Textilketten auf ihre Codes of Conduct, Verhaltensregeln, an die sich die Zulieferer halten – oder halten müßten. Kontrollen sind selten.

Oft wissen die Unternehmen selbst nicht, wo der Zulieferer ihres Zulieferers ihres Zulieferers einkauft. Und wenn, können sie deren Versprechen kaum kontrollieren. „C&A verteilt Schulbücher in Indien und beutet die Leute mit Stundenlöhnen von 20 Cent an 16-Stunden-Tagen aus“, beklagt etwa Christiane Schnura von der Kampagne „Saubere Kleidung“. Tatsächlich haben viele große Textilunternehmen nach zahlreichen Protesten etwas für ihr angeschlagenes Image getan: Sie legen Sozialprogramme auf, spenden Geld für Entwicklungsprojekte und versuchen, in den Fabriken bessere Bedingungen durchzusetzen. Dabei arbeitet C & A zum Beispiel mit der Menschenrechtsorganisation „Terre des Hommes“ zusammen. Kritiker wie Christina Schnura nennen solche Veranstaltungen Feigenblätter. Wirklich geändert habe sich in den Zulieferbetrieben und auf den Baumwollplantagen wenig. Den Verbrauchern in Europa empfiehlt sie: „Immer wieder in den Läden nach den Herstellungsbedingungen für die Kleidung fragen“ und gegen die schlechten Bedingungen protestieren. Robert B. Fishman

Foto: Schön bunt, aber auch ungefährlich? Textilien werden in Fernost oft unter den unmenschlichsten Bedingungen hergestellt        und enthalten Reste von giftigen Pestiziden.


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