25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.06.09 / Das Ende der Einheit in Vielfalt / Indonesien vor der Wahl – Islamisten-Sprecher: Demokratie hat nur Schaden gebracht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Das Ende der Einheit in Vielfalt
Indonesien vor der Wahl – Islamisten-Sprecher: Demokratie hat nur Schaden gebracht

Am 8. Juli wählt Indonesien, ein Staat mit 300 Völkern und 238 Millionen Menschen, einen neuen Präsidenten. Der Wahlkampf treibt merkwürdige Blüten. Beispielsweise verlangen über 700 islamische Geistliche, das Internet-Portal „Facebook“ zu beschneiden oder gar mit einem Bann zu belegen. Nach ihrer Ansicht diene der Online-Dienst der Förderung verbotener Lust, verlocke Jugendliche zu freiem Sex und fördere die Pornographie. Die südostasiatische Nation mit ihren zu 88 Prozent muslimischen Einwohnern verzeichnete 2008 einen Zuwachs der „Facebook“-Gemeinschaft um 645 Prozent auf 831000 Nutzer. Indonesier stellen nun weltweit vier Prozent der Nutzer und rangieren damit nach den USA, England, Frankreich und Italien an fünfter Stelle.

Die Besinnung auf islamische Werte und eine entsprechende Regulierung ist nach Ansicht der gestrengen Imame deshalb unabdingbar. Das sogenannte „Ulema Council“, eine orthodoxe Schiedsstelle, gab bereits Regeln gegen das Rauchen und gegen Yoga-Praktiken heraus, die angeblich gegen den islamischen Sittenkodex verstoßen. Zudem streben die Kleriker eine Kontrolle oder gar ein Verbot von Handys an, die nach ihrer Ansicht ebenfalls zu unmoralischen Kontakten führen. Im Bundesstaat Aceh mit seiner Scharia beispielsweise ging es im Jahr 2008 mit rund 490 von 1250 Gerichtssitzungen um sexuelle „Strafdelikte“, wie zu freizügige Kleidung und Aufenthalt von Paaren in Parks und auf anderen öffentlichen Plätzen.

Der Vorstoß der Hardliner hat angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Methode. Denn auch andere islamische Gruppen sekundieren und stützen die wachsende Popularität solcher Bewegungen, denen sich sowohl breite Schichten des Volkes als auch immer mehr Intellektuelle anschließen. So tönte der Sprecher von „Hizbut Tahrir Indonesia“, Muhammad Ismael Yusanto, während der kürzlich abgehaltenen Kalifat-Konferenz, daß die Einführung der Demokratie im Lande nur Schaden angerichtet habe.

Nahmen an der entsprechenden Kundgebung im Jahr 2000 nur 5000 Gläubige teil, so waren es dieses Jahr bereits 100000 – ein Signal für den wachsenden Einfluß der Kleriker und Politiker, die die Schaffung eines wahabitischen Kalifats anstelle der Demokratie und die Einführung der Scharia protegieren. Ismail verweist darauf, daß 39 Millionen Indonesier in Armut leben und Millionen Kinder unterernährt seien und keine ausreichende Schulbildung genießen könnten. Das ist das politische Potential, auf das Hizbut mit seinen inzwischen zwei Millionen Anhängern zielt. Um internationalen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, betonte die Konferenz, daß sie jegliche Gewalt ablehne. Tatsächlich jedoch kamen in den vergangenen Jahren durch radikale und terroristische Gruppen Tausenden von Christen zu Tode.

Sicher ist, Militanz und Intoleranz im Lande nehmen zu. Eine überwältigende Mehrheit der Lehrer an Schulen und Universitäten, so ergab eine Studie, spricht sich gegen nicht-muslimische politische Führer aus und lehnt jeden Pluralismus ab. Nur drei Prozent der Befragten fühlten sich einer gewissen Toleranz verpflichtet. Kurz: Indonesien geht auf einen islamistischen Gottesstaat zu.

Drei Jahrzehnte hatte der diktatorische Präsident Suharto in dem tropischen Inselreich der 1700 Eilande den Ton angegeben, die Ära danach mußte erst einmal mit dem Fehlen dieser „väterlichen“ Führerfigur fertig werden. Die Folge: Suhartos Grundidee der Trennung von Staat und Religion wurde mehr und mehr verwässert, der einst zentral und straff geführte Staat dezentralisiert. Das hat regionale, religiöse und wirtschaftliche Einzelinteressen gestärkt, eben auch jene streng islamistischer Kreise. Der indonesische Staat begann zu schwächeln, Korruption und Bürokratie blühten, die Wirtschaft lahmte.

Bei der Wahl am 8. Juli gelten höchst komplizierte Regeln, in früheren Jahren waren solche Urnengänge zudem stets mit Unruhen und Attentaten verbunden. Die Prosperous Justice Party (PKS), eine religiös orientierte Partei, strebt den Sieg an und unterstützt die Democratic Party (PD) mit ihrem gegenwärtig amtierenden Präsidenten Susilo Bambang. Sie schließt in ihrem Schattenkabinett ausdrücklich den Posten des Religionsministers aus, weil der Anspruch zu Unruhen führen könnte.

Einig sind sich alle Beobachter, daß die als vorbildlich geltende Staatsdoktrin „bhinueka tunggaiika“ – Einheit in Vielfalt – als beendet gelten darf.     J. Feyerabend


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren