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27.06.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Schwarzer Humor / ... und rote Ehrlichkeit: Wie Merkel etwas (nicht) verspricht, wie besoffen die SPD sein muß, und warum die Linke nicht sexy ist
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Geschichte wiederholt sich nicht, sagt die Wissenschaft. Da hat sie gewiß recht, aber in unserer beschränkten Wahrnehmung kommt es uns halt so vor, daß wir alle naselang das Gleiche erleben. „Mit mir gibt es keine Mehrwertsteuererhöhung“, verkündet Angela Merkel drei Monate vor der Wahl.

Hoppla! Letztes mal hörten wir so etwas 2005 von ihrem späteren Koalitionspartner SPD. Wir wissen, wie es weiterging. Die Union wollte um zwei Punkte erhöhen, was die Sozis dramatisch ablehnten als Programm zur Massenverelendung. Später einigten sich Schwarze und Rote auf drei Punkte mehr, nach der Wahl.

Diesmal geht die Kanzlerin im Ringen um Wählerbetörung sogar  einen Schritt weiter und verspricht echte Steuersenkungen nach der Wahl: Um 15 Milliarden sollen die Steuerzahler entlastet werden, irgendwann, irgendwie, irgendwo. Das Geld will sie aus „möglichen finanziellen Spielräumen“ puhlen. Genaueres verrät sie uns nicht. Warum? Weil es nichts genaueres zu sagen gibt als: Wird sowieso nix. Denn solche „Spielräume“ sind für die kommenden Jahre dermaßen tief hinterm Horizont versunken, daß jeder weiß: Wer sie zum Unterpfand seiner Versprechungen macht, braucht keine Angst zu haben, seine Zusagen jemals einlösen zu müssen.

Drei Monate noch! Drei Monate wird das nun so weitergehen mit dem vermutlich schlechtesten Wahlkampf, der den Deutschen je zugemutet wurde. Vergangene Woche hatten wir uns über das Blendwerk „Schuldenbremse“ gebeugt, und wenig Erbauliches gefunden. Aber die ist ja nur ein Teil des schmierigen Schauspiels aus faulen Wahlkampfschlagern, das uns da geboten wird.

Damit wir bis Ende September nicht verzweifeln, muß etwas passieren. Aber was? Kluge Menschen raten: Wenn Du die Lage nicht ändern kannst, mit der Du leben mußt, dann ändere eben Deine Art, die Dinge zu betrachten.

Ja, fabelhaft! Und wie? Ein Weg ist so banal, daß man im ersten Anlauf kaum drauf kommen mag. Gucken wir uns die Sachen einfach so an, wie sie sind. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen verdoppelt das bundesweite Kita-Programm von Rot-Grün auf 750000 neue Plätze, um ihre Vorgänger zu überstrahlen. Dann sackt sie den Löwenanteil der Kosten dafür den klammen Kommunen auf. Und heute demonstriert sie mit den Erzieherinnen gegen eben jene Kommunen, die ihre Kita-Angestellten kaum noch anständig bezahlen können und keinen Schimmer haben, wie sie das ehrgeizige Ausbauprogramm der Ministerin finanzieren sollen.

CDU-Politikerin von der Leyen hat dem Ausdruck „Schwarzer Humor“ damit eine reizvolle neue Facette verliehen. Wie beim schwarzen Humor üblich, gibt es allerdings auch in der Leyen-Burleske  welche, die absolut nichts zu lachen haben. Das sind diesmal die, die in den Rathäusern sitzen und die Fäuste in den Taschen ballen, die entnervten Bürgermeister und ihre mittellosen Kämmerer.

Gegen solche Inszenierungen wie die von Merkel oder von der Leyen machen sich die Versuche der SPD eher rührend. Schon 2003, als Gerhard Schröder seine Agenda verkündete, hat es die Partei aus der Spur getragen. Seitdem wanken die Sozialdemokraten wie Besoffene von links nach schräg und zurück durchs politische Spektrum und landen in unregelmäßigen Abständen im schlammigen Graben; meist passiert ihnen das an Wahltagen.

Wie bei Suffköppen oft zu beobachten, stehen sie sich dabei selber im Wege. Seit 2005 macht die SPD bereits Wahlkampf gegen sich selbst. Nun packte SPD-Bundestagsabgeordneter Florian Pronold die Forderung aus, die Rente mit 67 wieder abzuschaffen und zu 65 zurückzukehren. Dabei war die 67er-Regelung seinem heutigen Vorsitzenden Franz Müntefering höchstpersönlich entsprungen! Der Mann schießt also gegen den SPD-Chef.

Atemberaubend die Begründung für die Reform der Reform: Wegen der Krise steige die Arbeitslosigkeit – auch bei älteren. Deshalb müsse der Ausweg Rente in erreichbarer Nähe bleiben. Was aber hat das Renteneintrittsalter Ende der 2030er Jahre (erst dann greift die Reform ja gänzlich nach vielen kleinen Zwischenschritten) mit der Arbeitslosigkeit des Jahres 2010 zu tun? Schwer zu sagen. Zwei mögliche Antworten: 1. Das ist viel zu kompliziert, das kapieren wir gewöhnlichen Dussel nicht. 2. Das Wahlkampfmanöver ist dermaßen platt, daß der Urheber hofft: Wer die Leute so dreist verkaspert, der muß damit einfach durchkommen.

Wir tippen mal auf 2. Die Frage ist, ob Pronold damit durchkommt. Bei den Gewerkschaften auf jeden Fall. Die waren sofort hin und weg. Und beim Volk? Ach, diese Bande von Nichtsnutzen! Auf dem Juso-Kongreß in München zog SPD-Chef Müntefering den Deutschen ordentlich die Hammelbeine lang und hielt uns „Wurstigkeit im Umgang mit der Demokratie“ vor, weil bei der Europawahl nur 43 Prozent hingegangen sind.

Das schmerzt. Zum einen ist Deutschland für seine Würste weltberühmt und zum anderen: Vielleicht schmecken sie uns einfach nicht, die madigen Phrasenkadaver und nährwertlosen Scheingerichte, mit denen sie uns an ihren Tisch locken wollen?

In München brachte es Müntefering fertig, vor Journalisten die Koalition mit der Linkspartei kategorisch abzulehnen, um sich anschließend von Jusos feiern zu lassen, die diese Koalition emsig anstreben und die SPD zum „Linksruck“ auffordern. Kurz: Münte bietet die Katze im Sack und ist fürchterlich enttäuscht, daß wir nicht begierig hinlangen.

Die Linkspartei ist viel ehrlicher. Sie hat ihr Wahlprogramm verabschiedet und damit jeden Lügen gestraft, der ihr irgendwelche Abweichungen vom kommunistischen Gedankengut vorgehalten hatte. Der Forderungskatalog ist so sehr linksradikale Ursuppe, das einem beinahe die Tränen kommen wollen über ein solches Ausmaß von Offenheit in dieser von grauen Sprechblasen verdunkelten Zeit.

Womit der fröhliche Teil mit den Linken allerdings schon wieder vorbei ist. Ihr Manko ist nämlich, daß sie nicht die ersten sind, die alle Banken verstaatlichen, die Gehälter per Steuern hier und steuerfinanzierten Grundeinkommen da gleichschalten wollen, die den Firmen vorschreiben möchten, wie und was sie produzieren („sozial und ökologisch“) und so weiter. Das hatten wir alles schon. Leider riechen diese Forderungen kaum mehr nach süßen roten Nelken, mit denen man sie umkränzt. Es ist der miefige Dunst eines paranoiden Funktionärsstaats, der allen Unternehmergeist verdorren und die Freiheit verdampfen läßt, der solchen Programmen entsteigt. Und der macht (um mit dem Rot-Rot-Koalitionär Wowereit zu sprechen) zwar arm, ist aber keineswegs sexy.

Eine Frage bleibt: Warum nur sind die Dunkelroten auf einmal so ehrlich und sagen uns klipp und klar, daß sie unser Land klar auf die Klippe setzen wollen? Nun, das Kreidefressen hat ja nichts gebracht, siehe Europawahl. Da kann man sich die Verrenkung auch sparen. Außerdem will Juso-Chefin Franziska Drohsel sowieso nach links, da soll sie einen ja nicht überholen.

Aber schadet das nicht der Perspektive Rot-Rot-Grün? Die Beschwichtiger sind schon ausgeschwärmt und belehren uns, daß man „dieses Wahlprogramm“ ja nur nicht allzu ernst nehmen sollte. Seien halt Maximalforderungen, die in der Regierung schon zurechtgerückt würden.

Die Geschichte wiederholt sich nicht, das stimmt. Wahr ist aber auch das scheinbare Gegenteil: „Es geschieht nichts Neues unter der Sonne.“ Wie das geht? Nun, es wiederholt sich nichts, aber auf merkwürdige Weise ähneln sich manche Dinge, und Fehler machen wir doch wohl weniger, um aus ihnen zu lernen, als vielmehr, um sie immer und immer wieder zu begehen. Wie war das? Man solle das Programm der Radikalen nicht so wörtlich nehmen? An der Regierung gebe sich das schon? Auch schon mal gehört.


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