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11.07.09 / Minsk fährt zweigleisig / Lukaschenko im Interessenkonflikt zwischen West und Ost

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-09 vom 11. Juli 2009

Minsk fährt zweigleisig
Lukaschenko im Interessenkonflikt zwischen West und Ost

Gerade erst mutmaßten die Medien darüber, daß Weißrußlands Staatsoberhaupt Alexander Lukaschenko sich wegen des jüngsten Handelsstreits um Milchlieferungen von seinem „großen Bruder“ Rußland abwende und auf eine neue Partnerschaft mit dem Westen baue. Schon heißt es – fast im gleichen Atemzug – in Pressemeldungen, daß Minsk von Moskau den bereits vor Monaten in Aussicht gestellten Kredit in Höhe von 6,4 Milliarden Euro für den Bau eines Atomkraftwerks erhalten wird. Dieser soll für den Zeit-raum von 2010 bis 2018 gewährt werden. Moskau hatte die Entscheidung über die Zusage immer wieder verschoben, zuletzt auf das dritte Quartal 2009. Zwar hat Rußland dem ehemaligen Bruderland in den vergangenen Jahren immer wieder mit Krediten unter die Arme gegriffen, doch seit Mai haben sich die Beziehungen zwischen Minsk und Moskau verschlechtert, nicht zuletzt wegen der Aufnahme Weißrußlands in die neu gegründete „Ost-Partnerschaft“ der EU.

Aus der derzeitigen Annäherung zwischen EU und Weißrußland Rückschlüsse auf einen Sinneswandel Lukaschenkos hinsichtlich seines Reformwillens und Demokratieverständnisses zu ziehen, erscheint verfrüht. Die Bereitschaft des Westens, wieder mit Lukaschenko zu verhandeln, kommt für den „letzten Diktator Europas“, als der er vor kurzem noch galt, wie gerufen, denn nach dem Milchboykott der Russen und der Drohung Gasproms, Weißrußland wegen Nichtbegleichung von Schulden in Höhe von 175 Millionen Euro den Gashahn abzudrehen, steht Lukaschenko das Wasser bis zum Hals. Mehr als ein Drittel der Exporte aus Weißrußland gehen nach Rußland. Minsk sucht neue Absatzmärkte, um die Abhängigkeit von Moskau zu minimieren. Gleichzeitig gilt der östliche Nachbar aber als wichtigster Bezugspunkt. 

Seit November 2008 wirkt sich die Weltfinanzkrise spürbar auf die weißrussische Wirtschaft aus. Der vergleichsweise hohe Lebensstandard des Landes war und ist Lukaschenkos Legitimationsgrundlage als Regierungsoberhaupt; er kann jedoch nur durch Kredite finanziert werden. Die rückständige Industrie und Wirtschaft benötigten dringend ausländische Investionen für Modernisierungen. Schon im vergangenen Jahr bemühte Minsk sich deshalb um Milliardenkredite beim Internationalen Währungsfonds und bei der russischen Staatsbank. Mit der Kreditvergabe sind jedoch auch Forderungen der Geber verbunden.

Sowohl dem Westen als auch dem Osten geht es neben wirtschaftlichen Interessen auch um politischen Einfluß in der Region, darum, Investoren den Zugang zu wichtigen Schlüsselunternehmen des Landes zu sichern. Lukaschenko befindet sich in der Zwickmühle − russischen Investoren traut er nicht, die westlichen Geldgeber fordern demokratische Reformen: Privatisierungen, Presse- und Meinungsfreiheit. Diese Offenheit könnte Lukaschenkos despotische Herrschaft in Gefahr bringen.

Er wird wohl weiter zweigleisig fahren: Er will sich weder den Zugang zu europäischen Wirtschaftshilfen verbauen noch die traditionell engen Beziehungen zu Rußland weiter belasten. Manuela Rosenthal-Kappi


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