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11.07.09 / Scheinwissenschaftlich / US-Autor versucht, das Christentum in den USA als Vorbild zu offerieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-09 vom 11. Juli 2009

Scheinwissenschaftlich
US-Autor versucht, das Christentum in den USA als Vorbild zu offerieren

Die wesentlichen Werte und Errungenschaften der westlichen Zivilgesellschaften sind „Segnungen, die der christliche Glaube in die Welt gebracht hat“. Dies umfassend nachzuweisen hatte sich Alvin J. Schmidt, ein emeritierter Collegeprofessor für Soziologie aus dem US-Bundesstaat Illinois, vorgenommen und darüber ein Buch geschrieben. Es heißt „Wie das Christentum die Welt veränderte – Menschen, Gesellschaft, Politik, Kunst“. Der Autor unternimmt darin einen Streifzug durch die Weltgeschichte unter dem Aspekt dieser Prämisse. Vom Inhalt ist jedoch einzig die ansprechende Übersicht über die „Meilensteine der Kulturgeschichte“ positiv hervorzuheben. Denn allzu offenkundig bezweckt dieses Werk gleichzeitig, die heutige USA, die in der Vergangenheit hauptsächlich durch lutherische und calivinistische Einflüsse geprägt wurde, zum idealen Staat zu stilisieren (auf den christlich-orthodox geprägten Kulturkreis geht der Autor leider kaum ein). Die moralische Führungsrolle der USA wird zwar nicht formuliert, aber indirekt postuliert. Dabei bleibt die Glaubwürdigkeit selbstredend auf der Strecke, da A. J. Schmidt die Binsenweisheit „Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten“ ignoriert.

So beschreibt er die protestantische Arbeitsethik mit nur geringen Abstrichen als „eine der Säulen der Wirtschaft der heutigen westlichen Länder“. Ob es der Manager ist, der bis in die Nacht über seinen Akten sitzt, oder der Arbeiter, der nach Feierabend einem zweiten Job nachgeht: Solchen Fleiß kann er nicht tadeln. Zwar gebe es heute einen Unterschied zum Mittelalter und der Reformationszeit: „Damals hatte alle Arbeit zur Ehre Gottes zu geschehen“, doch dies sei heute praktisch in Vergessenheit geraten. Immer mehr Menschen, auch viele Christen, arbeiteten nur noch für ihre Familie oder andere persönliche Ziele. Dennoch, auch sie seien „innerweltliche Asketen“ im Sinne Max Webers, da sie auf Freizeit und manchen Genuß verzichteten, um zum Beispiel die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren. All dies sind Behauptungen ohne empirische Grundlage, die immer demselben Ziel dienen, nämlich die positive Auswirkung christlichen Einflusses zu belegen. Von den gierigen Aktienspekulanten, die während der Regierung Bush jenseits der durch Arbeit geschaffenen realen Werte eine Verzerrung des Banken- und Finanzsektors verursacht haben, welche die jetzige globale Finanzkrise herbeiführte, weiß der Autor nichts.

Und er übergeht das rücksichtslose Vorgehen der weißen Siedler gegen die nordamerikanischen Indianer zur Zeit der Landnahme. All das paßte nicht in sein Konzept – die Abschaffung der Sklaverei auf Betreiben kirchlicher Kreise im Jahr 1865 hingegen schon. Übergangslos wird anschließend auf den christlichen Hintergrund der gewaltlosen Demonstrationen gegen die amerikanischen Rassengesetze von Geistlichen wie Martin Luther King in den 60er Jahren hingewiesen. Doch Details über die selbst während des Zweiten Weltkriegs und in Nachkriegsdeutschland aufrechterhaltene Politik der Rassentrennung bleibt der Autor schuldig und vermeidet konsequent, eine kritische Aussage über die USA zu machen. Ausgespart ist übrigens auch die Epoche der christlichen Kreuzzüge im Mittelalter: Es hätte ja ein unerwünschter Schatten auf das große Ganze fallen können. Kurz, es handelt sich hier um nichts anderes als um eine scheinwissenschaftliche Lektüre des christlich-erbaulichen Genres, die sich fast ausschließlich an ein unkritisches Lesepublikum richtet, das sich selbst dem frommen Spektrum zuordnet – und die einem Genre zuzuordnen ist, das in Europa bislang eher wenige Anhänger hat.           Dagmar Jestrzemski

Alvin J. Schmidt: „Wie das Christentum die Welt veränderte – Menschen, Gesellschaft, Politik und Kunst“, Resch-Verlag, Gräfelfing 2009, broschiert, 494 Seiten, 19,90 Euro


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