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18.07.09 / Tödliches Aufeinandertreffen droht / Wenn die saisonale Grippewelle auf das H1N1-Virus trifft, könnte dieses mutieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

Tödliches Aufeinandertreffen droht
Wenn die saisonale Grippewelle auf das H1N1-Virus trifft, könnte dieses mutieren

Die Schweinegrippe ist ernster als es noch vor wenigen Wochen schien: Weltweit sind 100000 Menschen mit dem H1N1-Virus infiziert, davon rund 700 in Deutschland. 441 Menschen sind dem Virus bereits zum Opfer gefallen.

Die USA und Mexiko sind nach wie vor die am stärksten betroffenen Weltregionen: 34000 Erkrankungen sind in den USA registriert, mehr als 10000 in Mexiko. Kenner munkeln, daß sich die Schweinegrippe gerade in Mittelamerika vermutlich noch wesentlich stärker ausgebreitet habe als bekannt, doch verhindere die dort übliche Behördenschlamperei genauere Zahlen und effektive Gegenmaßnahmen.

Seit 11. Juni spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell von einer Pandemie und hat die höchste Warnstufe 6 ausgelöst. Wozu das genau gut sein soll, weiß eigentlich niemand. Im Gegenteil scheint sich allgemein eine gewisse Lässigkeit breitgemacht zu haben: Eine rasche Abkühlung des Interesses nach einer typischen Presse-Hysterie Ende April, Anfang Mai. Doch die allgemeine Entwarnung führt oft zu Leichtsinn.

So wurden an allen deutschen Flughäfen die intensiven Warnhinweise und medizinischen Untersuchungen bei Reisen aus den zentralen Ansteckungsregionen USA und Mexiko ausgesetzt. Lediglich Info-Flugblätter liegen herum, doch was die bringen, kann man sich ausmalen: nichts. Wer achtet schon auf die vielen Warnhinweise, mit denen man bei jedem Flug zwangsweise zugemüllt wird? Und wer achtet ständig auf irgendwelche Anzeichen von Grippe in seiner Umgebung? Grund für das Schleifenlassen der Zügel ist laut kommunalen Behörden, daß die Schweinegrippe nun mehr und mehr als in Deutschland heimisch gilt. Mit anderen Worten: Das Risiko, sich bei Einheimischen anzustecken, ist annähernd so hoch wie bei Reisenden aus Hochrisikogebieten.

Die Pandemie verläuft nicht explosionsartig, sondern in Etappen, in Wellen. Langsam aber stetig kämpft sie sich voran. Man könnte feuilletonistisch sagen: Sie tarnt sich mit Harmlosigkeit. In der Tat verläuft sie sichtlich weniger oft tödlich als die „normale“, sogenannte „saisonale Grippe“. Der fallen im Schnitt in Deutschland jedes Jahr mehrere Tausend Menschen zum Opfer. In der Regel liegt die Zahl der Grippetoten pro Jahr höher als die Zahl der Verkehrstoten. Diese saisonale Grippe stammt regelmäßig aus Südostasien, wo die Viren offenbar besonders günstige Bedingungen für Mutationen, Vermehrung und Übertragungswege vorfinden: Menschen und Tiere leben auf engem Raum, Hygiene wird nicht überall großgeschrieben, das schwülheiße Klima tut sein übriges.

Experten erwarten im Herbst, wenn die Schweinegrippe auf die „normale“, saisonale Grippewelle trifft, vermehrte Todesfälle in allen Teilen der Welt – möglicherweise durch Gen-Austausch oder auch durch die ganz normalen Gesetzmäßigkeiten der Krankheitsdynamik: Wenn ein Körper eines Menschen nach einer überstandenen Infektion geschwächt ist und dann auf ein neues, mutiertes Virus trifft, kann das tödlich enden.

Gegen Viren gibt es keine Antibiotika im klassischen Sinn, wie sie gegen Bakterien eingesetzt werden. Einzig das Mittel Tamiflu hilft gegen Virusinfektionen, indem es ein bestimmtes Eiweiß (Neuramidase) in Schach hält, das alle Viren zur Vermehrung brauchen. Damit erhält die körpereigene Immunabwehr Zeit, sich auf die Eindringlinge einzustellen und sie zu bekämpfen.

An der Entwicklung eines speziellen Impfstoffes gegen die Schweinegrippe arbeiten Forscher mit Hochdruck, möglicherweise könnte es im Spätsommer so weit sein. Dabei kommt Forschern und Medizinern die relative Trägheit des H1N1-Virus zupaß: Es mutiert offenbar langsamer als die üblichen Grippeviren. Von allen Erkrankungen weltweit wurden nur drei Fälle bekannt, in denen Virus-Mutationen Tamiflu-Resistenzen ausbildeten. Diese Größenordnung, drei von 100000, ist laut WHO-Generaldirektor Keiji Fukuda als „Einzelfälle“ zu werten, weitere Ausbreitungen von resistenten Viren seien nicht bekannt.

In Deutschland entfällt ein Großteil der 700 Infektionen auf Nordrhein-Westfalen und Bayern. Insgesamt vier deutsche Schulen, drei in Bayern und eine in Berlin, mußten bisher wegen Infektionsfällen schließen. In manchen Fällen infizierten sich Schüler bei ihren Eltern, die von einer Amerikareise heimgekommen waren, und steckten kurz danach etwa ihren Banknachbarn an. Die Behörden und Schulleitungen tun also gut daran, lieber auf Verdacht für eine Woche zuzusperren (zumal kurz vor den Sommerferien!), als eine allzu große lokale Epidemie zu ris-kieren.

Eine merkwürdige dpa-Schlagzeile lautete kürzlich: „Schweine mit Schweinigerippe-Viren infiziert“. Der Terminus Schweinegrippe ist eigentlich irreführend, weswegen manche Offizielle und Medien lieber von der „Neuen Grippe“ sprechen. Schweine sind seltener als Menschen betroffen. Das Schweinegrippevirus H1N1 – und das ist das Besondere daran – springt sehr leicht über Tierart-Grenzen hinweg. In seinem Genmaterial finden sich Sequenzen aus Schweinegrippe, Vogelgrippe und Menschengrippe.

Daß die aus Mexiko stammende „Neue Grippe“ in der Tat „auch“ eine Schweinegrippe ist, haben deutsche Wissenschaftler vom Friedrich-Loeffler-Institut nachgewiesen: Sie infizierten Schweine mit H1N1, und als diese anfingen zu niesen und zu fiebern, setzten sie gesunde Schweine hinzu, die ebenfalls erkrankten.   Anton Heinrich

Foto: Die weitere Ausbreitung verhindern: Zwei Männer in Schutzkleidung verteilen in der Japanischen Schule in Düsseldorf Schutzmasken.


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