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18.07.09 / Erstaunliche Gemeinsamkeiten / In einer Ausstellung werden die Werke von Max Beckmann und Lovis Corinth einander gegenübergestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

Erstaunliche Gemeinsamkeiten
In einer Ausstellung werden die Werke von Max Beckmann und Lovis Corinth einander gegenübergestellt

Zwei Malern, wie sie gegensätzlicher nicht scheinen können, ist eine Ausstellung des Buchheim-Museums am Starnberger See gewidmet: Max Beckmann und Lovis Corinth. Die Gegenüberstellung ihrer Werke offenbart Erstaunliches.

Rund 150 Gemälde, Arbeiten auf Papier, illustrierte Bücher und Dokumente aus der Sammlung Buchheim werden in der Ausstellung präsentiert. Wenn auch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird, so zeigt die Gegenüberstellung doch viele Gemeinsamkeiten. „Beide Maler“, erläutert die Kuratorin des Buchheim-Museums, Clelia Segieth, „waren Einzelgänger, verfolgten trotz massiver Widerstände beharrlich ihre künstlerischen Ziele und hielten in einer Zeit an der Figuration fest, als abstrakte Tendenzen begannen, das Kunstgeschehen zu bestimmen.“ In der Berliner Sezession, auf deren Ausstellungen Max Beckmann (1884–1950) und Lovis Corinth (1858–1925) ihre Arbeiten zeigten, werden sich die Künstler begegnet sein. Auch bei dem Verleger und Kunsthändler Paul Cassirer waren beide vertreten und erhielten von ihm Aufträge für Buchillustrationen.

Ein Vergleich der Gemälde zeigt allerdings die gravierenden Unterschiede in den Positionen. „Beck-mann ist kein Naturschilderer“, so Segieth, „ihn bewegen von Beginn an existenzielle Fragestellungen. Doch auch Corinth hält nicht an der bloßen Impression, an der Oberfläche fest: Die skizzenhafte Unmittelbarkeit seiner Malerei vermittelt stets den Eindruck, als seien die Bildgegenstände nur vorübergehende Erscheinungen.“

Die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, in dem Beckmann 1914 als freiwilliger Sanitätshelfer an der Ostfront und im Jahr darauf in Flandern diente, hinterließen unübersehbare Spuren in seinem Werk. „Beckmann setzt sich dem Kriegsgeschehen bewußt aus“, erläutert Segieth. „Sein Verhältnis zum Krieg ist ambivalent. Doch betrachtet er die Ereignisse als Möglichkeit, Einblick in das Innerste des Menschen zu gewinnen, stellt doch der Krieg für ihn eine außergewöhnliche Situation, eine ,Erscheinungsform des Lebens‘ dar ,wie Liebe, Krankheit und Wollust‘.“ „Und genau so, wie ich ungewollt und gewollt der Angst, der Krankheit und der Wollust, Liebe und Hass nachgehe, – nun, so versuche ich es eben jetzt mit dem Kriege“, schrieb Beckmann in einem Brief vom 24. Mai 1915.

Während Beckmann sich nach dem Krieg auf die Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten begibt, zieht Corinth sich in die Idylle der Walchenseelandschaften zurück. Zu Beginn des Krieges, der als Folge die von dem Verehrer der Hohenzollern Corinth bedauerte Abdankung Kaiser Wilhelms II. mit sich brachte, malte der Ostpreuße immer wieder Männer in Kriegsmontur. Nach dem Ende dann lag nicht nur Deutschland am Boden, sondern auch die von Corinth gemalten Rüstungen – „Kommentar eines deutsch gesinten Romantikers, der die Realität des Krieges mit seinen modernen Massenvernichtungswaffen und dem Hinschlachten Abertausender nicht mehr fassen konnte. Zu viel totes Fleisch, verwesende Leiber und verstümmelte Körper“ (Segieth). Als Maler reflektiert Corinth die Nachkriegszeit nicht weiter, allerdings geht er in seinen Lebenserinnerungen ausführlich und temperamentvoll auf die Entwicklungen ein. „Die Zukunft ist schwarz, schrecklich“, schrieb Corinth am 1. November 1918. „Vor lauter Feinden ist kein Ausblick. Und doch fühle ich mich noch als Preuße und erhoffe von diesem Staate noch die einzige, wenn auch noch so kleine Rettung. Selbst der Kaiser – so schwer er sich versündigt hat, soll bleiben und vielleicht hilft etwas die Kraft des Militärs – wenn es nicht auch schon untergraben ist.“ Und zwei Tage später: „Ohne daß man nur das Geringste tun kann, werden die Verhältnisse immer verzweifelter. Wird Deutschland von der Landkarte gestrichen?“ Der Maler Corinth zog sich zurück an den Walchensee, wo 1918 die ersten Bilder entstanden.

„Buchheims breiter und bewußt auf die Mischung von Gemälde und Arbeiten auf Papier zielender Sammelansatz erweist sich bei dieser Ausstellung als Glücksfall“, erläutert Segieth die Auswahl der Arbeiten, „denn gerade in den Krisensituationen, die beide Künstler durchliefen – Corinth erlitt 1911 einen Schlaganfall, Beckmann im Ersten Weltkrieg einen Zusammenbruch – kam der Kaltnadelradierung in beider Werk eine befreiende und stilbildende Funktion zu. Corinth entwickelt dabei eine offene malerische Textur, die sich auch seiner Malerei mitteilt und seine Bildräume öffnet. Bei Beckmann hingegen verfestigen sich die Bildgegenstände, Offenheit und Weite verbleiben Sehnsucht, Ahnung.“

Ein letztes verbindet die zwei Künstler dann doch wieder: ihre Selbstporträts, die sich zwischen Selbsttest und Egomanie bewegen. Silke Osman

Das Buchheim Museum, Museum der Phantasie / Sammlung Buchheim, Am Hirschgarten 1, 82347 Bernried, ist von April bis Oktober dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, von November bis März von 10 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 8,50/3,50 Euro.

Foto: Lovis Corinth und Max Beckmann: Wie die Künstler sich sahen


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