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25.07.09 / Bis zum nächsten Streit / CSU will Beißereien innerhalb der Union vorerst beenden – Eher mäßige Wahlergebnisse für den Vorstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-09 vom 25. Juli 2009

Bis zum nächsten Streit
CSU will Beißereien innerhalb der Union vorerst beenden – Eher mäßige Wahlergebnisse für den Vorstand

„Alles Gute und viel Glück, du bist unser bestes Stück“, flötete der Kinderchor beim CSU-Parteitag am 55. Geburtstag der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. So viel Ironie war selten bei den Unionsschwestern. Oder doch nicht?

Nürnberg war diesmal kein Parteitag der Applaus-Orgien, kein aufpeitschendes Motivationsorchester, wie der Parteitag genau ein Jahr zuvor an selber Stelle. Was auf die künstlich aufgeblasenen Beifallsstürme für das glücklose Duo Beckstein und Huber beim Parteitag 2008 folgte, ist bekannt: der totale Absturz der CSU bei der Landtagwahl auf 43 Prozent. Insofern müssen die neue Nüchternheit und die durchaus noch steigerbaren Wahlergebnisse für den Vorstand bei diesem Parteitag kein schlechtes Zeichen sein.

Bei vielen Delegierten, speziell aus dem fränkischen Teil des Freistaates, sitzen offensichtlich die Wunden noch tief, die das sang- und klanglose Ausscheiden des aus der Frankenmetropole Nürnberg stammenden Günther Beckstein hinterlassen hat. Das zeigte sich bereits, als Generalsekretär Alexander Dobrindt die Ehrengäste begrüßte: Beckstein erhielt mit Abstand den meisten Applaus und wurde mit „Günther, Günther“-Sprechchören gefeiert. Das zeigte sich auch bei den Vorstandswahlen, als Bundestags-Spitzenkandidat Peter Ramsauer, ein Oberbayer, nur 78 Prozent der Stimmen erhielt – für CSU-Verhältnisse eine echte „Watschn“.

Auch Parteichef Seehofer erhielt mit 88 Prozent (nach 90 Prozent vor einem Dreivierteljahr) die Quittung für seine Art, mit führenden Parteifreunden umzuspringen: Rüde Kommando-SMS an die Minister, Lästereien über ambitionierte Vorstandsmitglieder, die Einführung einer Quasi-Altersgrenze fürs bayerische Kabinett von 60 Jahren (natürlich mit Ausnahme seiner eigenen Person), radikaler Umbau der einst behäbigen Altherrenpartei und nicht zuletzt die Gerüchte über sein Privatleben haben ihm Feinde geschaffen.

Auch Seehofers Parteitagsrede war weniger eine – früher übliche – deftige Offensive mit massiven Breitseiten gegen SPD, Linkspartei, Grüne und FDP, sondern in weiten Teilen das, was im Parteitagsprogramm stand: ein Rechenschaftsbericht. Vielfach defensiv-entschuldigend, bestenfalls sachlich-analysierend, aber nie angriffslustig oder einpeitschend. Gute zwei Monate vor der Bundestagswahl eigentlich überraschend, für manchen Delegierten sicher auch enttäuschend.

Inhaltlich und atmosphärisch hat Seehofer den Schwelbrand im Verhältnis mit der Schwesterpartei CDU nicht gelöscht, aber etwas eingedämmt. Zwar stehen im CSU-Wahlaufruf, den die Delegierten einstimmig beschlossen, nach wie vor die Jahre 2011 und 2012 für die Steuersenkungen – die CDU hatte zuvor nicht den Mut gehabt, diese genauen Angaben ins gemeinsame Wahlprogramm zu schreiben. Allerdings sagte nun sogar Bundeskanzlerin Merkel moderate Steuerentlastungen „in zwei bis drei Jahren“ zu – was rechnerisch auf denselben Zeitraum herauskommt.

Über den anderen (auch innerparteilichen) Zankapfel, die Europapolitik, wurde beim Parteitag überhaupt nicht diskutiert. Die Position der CSU steht vielmehr in einem eigenen 14-Punkte-Papier, das in der Woche zuvor von der Landesgruppe der CSU-Bundestagsabgeordneten bei ihrer Klausur im Kloster Banz ausgearbeitet wurde. Wer diesen Beschluss genau liest, wird feststellen, dass es der CSU keineswegs um eine Blockade der Bundesregierung bei Verhandlungen auf europäischer Ebene geht, sondern darum, dass Grundsatzbeschlüsse von Bundestag und Bundesrat während EU-Verhandlungen nicht einfach von Ministerialbeamten über Bord gekippt werden können. Diese etwas moderatere Position artikulierte nun auch Seehofer und ließ damit viel Druck aus dem Kessel.

Auch versicherte Seehofer, das sei die Ausgangsposition der CSU, man werde aber sinnvolle Kompromisse nicht blockieren. Nun darf man auf die Verhandlungen innerhalb der Koalition und der Länder gespannt sein. Schon die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die CSU bei Verhandlungen hinter geschlossenen Türen unverhältnismäßig erfolgreich ist: Das Erfolgsrezept, das Seehofer im Gegensatz zu Huber und Beckstein beherrscht, war in den vergangenen Wochen mehrfach, Merkel vor Verhandlungen in der Koalitionsrunde auf eine gemeinsame Unions-Position zu verpflichten. Damit nimmt die CSU ihr die Möglichkeit, moderierend zwischen den Kontrahenten zu sitzen, während sich CSU und SPD aneinander abarbeiten. Nach dem Willen von Bundeskanzlerin Merkel jedenfalls soll das Thema Lissabon-Begleitgesetz noch vor der Wahl vom Tisch.

Pikantes Detail am Rande: Der CSU-Chef konnte in Nürnberg auf eine Gesetzesinitiative der (damals noch oppositionellen) Unionsfraktion vom Januar 2005 verweisen, als unter anderem Merkel und der heutige Bundesinnenminister Schäuble genau dies gefordert hatten. Wie war das gleich nochmal mit dem Geschwätz von gestern?

Zwar steht die CSU bei Kommunen und den bayerischen Wählern im Wort, dass sie eine allzu starke EU-Zentralisierung verhindern und den Regionen in Brüssel eine starke Stimme verleihen werde. Dass sie das tun will, demonstrierte Seehofer ja in den vergangene zwei Wochen bei jeder Gelegenheit. Aber dass die meisten CSU-Delegierten dennoch eine weltoffene Pro-Europa-Partei wollen, zeigten auch die Wahlen zum Parteivorstand: Der junge EU-Abgeordnete Manfred Weber wurde mit fulminantem Ergebnis gewählt. Der ebenso junge Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn, der die Parole „Europa muss Sache der Parlamente werden“ erfunden hatte, wurde abgestraft.

Fazit: Die CSU, die sich in den vergangenen Wochen häufig auf Kosten der CDU und ihrer Chefin Merkel profiliert hatte, stimmt sich insofern durchaus auf den Bundestags-Wahlkampf ein, als sie zunächst die Beißereien im eigenen Lager einstellt – ganz wie das die CDU-Chefin gefordert hatte. Man scheint verstanden zu haben: Angela Merkel ist die Spitzenkandidatin der gesamten Union und sollte nicht über die Maßen beschädigt werden. Wie lang Seehofer das beherzigt? Zumindest bis zum nächsten Streit. Anton Heinrich

Foto: Wenig Liebe, viel Vernunft: Horst Seehofer schwört seine CSU auf die Unions-Kanzlerin Merkel ein.


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