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01.08.09 / Mit dem Bagger in die Antike / Im rheinischen Braunkohletagebau schaufeln die Archäologen mit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Mit dem Bagger in die Antike
Im rheinischen Braunkohletagebau schaufeln die Archäologen mit

Für Heinrich Schliemann und seine Nachfolger eigentlich ein fürchterlicher Alptraum: Bagger 288, ein 96 Meter hoher Stahlkoloss, frisst sich mit seinem 21,6 Meter-Durchmesser-Schaufelrad durchs historisch durchsetzte Gelände, räumt pro Tag 240000 Tonnen Erdreich beiseite – Archäologen verbinden mit dem Begriff „Ausgrabung“ gemeinhin andere Vorstellungen.

Nicht so die Archäologen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege in Bonn. Die fünf Mann Besatzung auf Bagger 288 schätzen sie als „Freunde und Helfer“. Denn wo immer „Rheinbraun“, 1898 gegründet, seit 2000 Teil des RWE-Konzerns, im Revier westlich von Köln Braunkohle fördert – die Altertumsforscher sind an vorderster Front dabei.

Der Boden im rheinischen Braunkohlerevier enthält nämlich nicht nur energiewirtschaftlich verwertbare Bodenschätze, sondern auch die stummen Zeugen einer jahrtausendealten Siedlungsgeschichte. Kelten, Römer und Germanen haben hier ihre Spuren hinterlassen.

In den Rheinbraun-Tagebauen werden jährlich rund 360 Hektar Land umgepflügt, ein wahres Dorado für die Archäologie. Pro Jahr können die Bonner Denkmalpfleger bis zu 200000 Fundstücke dokumentieren, inventarisieren und in vielen Fällen auch dauerhaft der Nachwelt erhalten.

Unterstützt von einer Stiftung, die RWE und das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit über 16 Millionen Euro Stiftungskapital ausgestattet haben, konnten die Ausgräber mit ihren gigantischen Baggern das rheinische Braunkohlerevier zu einer der archäologisch besterforschten Kulturlandschaften Europas gestalten. Der entscheidende Vorteil dieser speziellen Form der Altertumsforschung ist die einmalige Möglichkeit, großflächige Siedlungen und Gräberfelder vollständig zu erfassen und in freier wissenschaftlicher Verantwortung thematische oder zeitliche Schwerpunkte zu setzen.

Dank der überreichen Ausbeute der Braunkohlearchäologie – diesen von Anerkennung geprägten Begriff hat sich die Fachwelt inzwischen zu eigen gemacht – konnte beispielsweise die Geschichte der Römer am Rhein weitgehend neu geschrieben werden. Auch über Kultur, Gesellschaft und Verbreitung der Kelten in Mitteleuropa wurden in den letzten Jahrzehnten grundlegend neue Erkenntnisse gewonnen.

Gern erinnert der Autor sich seiner eigenen Ausbildungszeit beim „Bonner Generalanzeiger“: Damals, Ende der 60er Jahre, war die Zusammenarbeit zwischen Bergbau und Archäologie noch keineswegs selbstverständlich, eher von beiderseitigen Vorurteilen und Spannungen bestimmt: Die einen mussten lernen, dass Tagebau nicht nur ein Werk der Zerstörung ist, die anderen mussten aufhören, diese wunderlichen Akademiker, die da rund um ihre Schafelräder im Erd-reich wühlten, als Störenfriede zu sehen. Diesen Wandel bei gelegentlichen Feldbesuchen im Revier vor Ort mitzuerleben, war für den jungen Volontär stets ein einprägsames Erlebnis.         H.J.M.


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