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01.08.09 / Ein Genie und andere große Geister / Neben Weimar und Marbach feiert auch Jena den 250. Geburtstag von Friedrich Schiller

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Ein Genie und andere große Geister
Neben Weimar und Marbach feiert auch Jena den 250. Geburtstag von Friedrich Schiller

Es sind gerade mal vier Jahr vergangen, dass Literaturfreunde des 200. Todestages von Friedrich Schiller (1759–1805) gedachten. Am 10. November nun wird man seinen 250. Geburtstag feiern. Mit Ausstellungen, Aufführungen und Publikationen gedenkt man nicht nur in Weimar und Marbach des großen deutschen Dichters. Auch Jena stellt Schiller in den Mittelpunkt des Interesses.

„Ich kenne meine Pappenheimer“, lacht Tammy Smith, als die Mitglieder ihrer kleinen Gruppe sehnsüchtig zu einer Weinstube hinüberblicken. „Sie wollen eine Pause machen und ein Gläschen trinken. Auch Friedrich Schiller wußte einen guten Tropfen zu schätzen.“ Und da ist Tammy auch schon mitten in ihrem Lieblingsthema. Die Werke Schillers, sagt sie, hätten sie schon während ihrer Schulzeit in Pennsylvania fasziniert. Sie habe Deutsch als erste Fremdsprache gewählt, um „Don Carlos“ und „Maria Stuart“ im Original lesen zu können. Heute ist sie glücklich, Gäste durch die Stadt führen zu dürfen, in der Schiller zehn Jahre seines viel zu kurzen Lebens verbrachte.

Eingebettet in blühende Weinberge und beschützt von hoch aufstrebenden Muschelkalkwänden, liegt eine reizvolle Stadt, in deren Straßen und Gassen sich ein stattliches, mustergültig saniertes Bürgerhaus an das nächste schmiegt. Neben Novalis und Johann Gottfried Fichte lebten hier zeitweise auch Caroline und Friedrich Schlegel. „Nur wenige wissen, dass Goethe sich öfter in Jena als in Weimar aufgehalten hat“, erzählt Tammy Smith. „Die Bekanntschaft zwischen Schiller und dem deutschen Dichterfürsten begann übrigens sehr zögerlich. Zuerst beschnupperten sie sich und erkannten dann, dass sie viel Gemeinsames verband.“ Und als Goethe seinem Dichterkollegen die Mitarbeit an seiner berühmten Literaturzeitschrift „Die Horen“ anbot, war das Eis endgültig gebrochen. Von Stund’ an trafen sie sich häufig unter dem Denkmal des Großherzogs Johann Friedrich und promenierten, über Gott und die Welt plaudernd, in unmittelbarer Nähe der Stadtmauer.

Obwohl Herzog Karl August den Geschichtsprofessor Schiller zum „Fürstlichen Rat“ ernannt hatte, verließ dieser 1789 Weimar und übernahm eine nicht fest besoldete Professur an der Jenaer Universität, die heute seinen Namen trägt. Bereits Schillers Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte“ war ein Riesenerfolg. Der Andrang sprengte den Hörsaal und zwang den frisch gebackenen Dozenten, mit seinen Anhängern quer durch die Stadt in ein anderes Domizil umzuziehen. Böse Zungen behaupteten später, die einheimischen Studenten hätten das württembergische Idiom ihres Idols kaum verstanden. Gleichwohl, Friedrich Schiller war über Nacht zu einem berühmten Mann geworden, der sich alsbald in Jena niederließ und 1790 Charlotte von Lengefeld in der nahe gelegenen Dorfkirche von Wenigenjena ehelichte.

Die glücklichsten Jenaer Jahre verbrachte das Ehepaar Schiller in seinem romantischen „Gartenhaus“. Auch Goethe fühlte sich hier wohl und kam oft vorbei. Hier führten er und Schiller Gespräche bis in die Nacht und dichteten gemeinsam Balladen. Das behagliche Haus atmet auch heute noch den Geist seines ehemaligen Besitzers.

Über eine knarrende Holztreppe erreicht der Besucher die Wohnräume Schillers. Bei den Restaurierungsarbeiten wurde viel Wert auf Detailtreue gelegt. Alles hier ist authentisch – vom zierlichen Schreibtisch bis zum spartanisch schmalen Bett. Selbst die fauligen Äpfel, an denen der Dichter sich während der Arbeit an seinem „Wallenstein“ berauschte, um wach zu bleiben, fehlen nicht. Auch die Gartenzinne, ein Türmchen in Schillers Gartenhaus, und das Küchenhäuschen können besichtigt werden. Die Hauptattraktion ist der verwitterte ovale Steintisch vor dem Haus unter den alten Bäumen, an dem Schiller 1797 im Wettstreit mit Goethe seine wohl berühmteste Ballade „Der Handschuh“ schrieb.

Das Gartenhaus bietet den geeigneten Rahmen für eine Vortragsreihe über den Dichter. Die Themen lauten unter anderem „Schillers Professur an der Jenaer Universität“, „Schillers Jeaner Jahrzehnt“ sowie „Glückliches Ereignis – Schillers Weg zu Goethe“.

Auch das liebevoll restaurierte „Romantikerhaus“ – die einstige Wohnstatt des Philosophen Johann Gottfried Fichte – lädt im Schillerjahr zu einer ebenso interessanten wie kontroversen Ausstellung ein. Sie trägt den Titel „Dem fällt bei Glocken vieles ein… – Friedrich Schiller und die Jenaer Romantiker“ (bis 10. November) und beleuchtet die verschiedenen Schaffensphasen Schillers, die Bedeutung des Dichters für die Universitätsstadt sowie sein problematisches Verhältnis zu den Frühromantikern.

Wenn Tammy Smith auf Caroline Schlegel zu sprechen kommt, steigt ihr die Zornesröte in die Wangen: „Man nannte diese Frau in Schillers Freundeskreis ‚Dame Luzifer‘ oder – noch treffender – ‚das Übel‘. Über Schillers ‚Lied von der Glocke‘ soll Caroline vor Lachen vom Stuhl gefallen sein. Eine Schande!“

Eine ebenso bezaubernde wie zu Herzen gehende Veranstaltung ist die Kostümführung Charlotte Schiller. Eine Schauspielerin schlüpft in die Rolle von Schillers Frau und berichtet in Anekdoten und Geschichten über ihr Leben an der Seite des Genies und die großen Geister, die um 1800 in Jena lebten. Auf das „Apfelfest in Schillers Gartenhaus“ am 19. September und die Lesung „Leben Sie recht wohl. Herzlich freue ich mich drauf, bald wieder eine Zeitlang mit Ihnen zu verleben“ (die Freundschaft zwischen Schiller und Goethe im Spiegel ihres Briefwechsels) dürfen Jena-Besucher heute schon gespannt sein. Keiner sollte übrigens versäumen, die „kreativste und lebendigste Theaterruine Deutschlands“ zu besuchen, die sich, blutrot angestrichen, just gegenüber dem Gartenhaus erhebt. Lebte Schiller noch, er hätte mit Sicherheit seine helle Freude an der Experimentierfreudigkeit des munteren jungen Ensembles. Uta Buhr

Weitere Auskünfte und Termine unter www.jena.de

Foto: Friedrich Schiller: Büste im Garten des Dichterhauses


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