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01.08.09 / Bernstein, Strand und Luxusjachten / An der Küste des Samlandes soll ein Urlaubsparadies der Superlative entstehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Bernstein, Strand und Luxusjachten
An der Küste des Samlandes soll ein Urlaubsparadies der Superlative entstehen

Die Wirtschaftskrise trifft eine Exklave wie das nördliche Ostpreußen besonders hart; dies zeigt sich vor allem im sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit. Ein Grund mehr für die Regierenden, verstärkt auf den Ausbau des Tourismus zu setzen.

Anfang Juli zeigt sich der ostpreußische Sommer von seiner schönsten Seite: Tief hängende Wolken ziehen in lockeren Formationen am blauen Himmel vorüber, die Temperaturen sind angenehm warm, frisch kühlt eine sanfte Brise. Die Bilderbuchseiten der einzigartigen Landschaft rücken verstärkt auch in den Blick der Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Sie schmieden ehrgeizige Pläne für den Ausbau des Tourismus im Gebiet. Viel zu spät dis­kutiert man über Restaurierungen und Rekonstruktionen historischer Baudenkmäler, versucht, die erhalten gebliebenen vor dem endgültigen Verfall zu bewahren. Nicht selten scheitern die guten Absichten an der Finanzierung.

Der Ausbau der Hauptverkehrsstraßen ist eine Voraussetzung für die Tourismusförderung. Hier wie in vielen Bereichen des russischen Alltags stößt man auf Widersprüche: Wird beim Ausbau einer Bundesstraße modernes Gerät verwendet, schuften  Männer bei der Reparatur einer Ortsdurchfahrt noch wie früher mit Spitzhacken und Schaufeln.

Bauarbeiten sind überall im Gange, auf dem Land ebenso wie in Königsberg. Auch hier zeigen sich krasse Gegensätze, wenn neben einem neu gepflasterten, mit Blumenrabatten geschmück­tem Platz, an den ein gepflegter Park angrenzt, die Ruine eines deutschen Vorkriegsbaus wie ein Mahnmal aufragt. Zahlreiche Neubauten entstehen, mit Krüppelwalmdächern dem norddeutschen Baustil angepasst, − allerdings nach russischem Geschmack bunt getüncht − oder moderne Bürohochhäuser mit Glasfronten, wie man sie in jeder europäischen Stadt antrifft. Die Straßen Richtung Küste sind zwar in gutem Zustand, jedoch können sie den Verkehrsstrom am Wo­chen­ende, wenn die Menschen an die Badestrände der Ostsee strömen, nicht bewältigen. Dies führt zu kilometerlangen Staus, öffentliche Verkehrsmittel verkehren viel zu selten.

Die unklare, zum Teil widersprüchliche Gesetzgebung führt zu Verwirrung und zu der Auffassung, alles, was nicht ausdrück­lich verboten ist, sei erlaubt. Einerseits sollen ausländische Investoren und Touristen angelockt werden, andererseits wurde ein Gesetz erlassen, das einen fünf Kilometer breiten Streifen entlang der Staatsgrenze zur Sperrzone erklärt. Ein Gesetz, das Einheimische nicht verstehen und das gerade Investoren abschreckt.

Korruption ist in den Behörden an der Tagesordnung. Es wird wild gebaut, verschachert und betrogen. Dass dennoch etwas Vernünftiges dabei herauskommt, zeigt unter anderem das Beispiel Palmnicken. Hier begann 1827 die industrielle Bernsteinförderung. Das Gold der Ostsee fasziniert die Menschen seit jeher. Allein deshalb ist das Bernsteinland ein touristischer Anziehungspunkt. Inmitten einer waldreichen Landschaft liegt außerhalb der Stadt der Bernsteintagebau. Beim Fabrikgebäude verhindern ein Schlagbaum und große Schilder mit der Aufschrift „Sperrzone – Zutritt verboten“ die Weiterfahrt. Wer sich auskennt, zahlt einen Obulus und die Schranke öffnet sich. Nach etwa zwei Kilometern Kraterpiste ist der Tagebau erreicht. Völlig überraschend erwartet hier ein Kiosk mit vielen Souvenirs den Besucher, eine fröhliche Verkäuferin ermuntert zum Probieren des Bernsteinwodkas, ein junger Mann erzählt über die Geschichte des Bernsteinabbaus, ein Fernrohr steht kostenlos zur Verfügung. Etwas weiter von hier, am Strand von Kraxtepellen, wo in der Grube Anna Bernstein geschürft wurde, den die Russen hier bis Ende der 90er Jahre im Tagebau förderten, entstand ein breiter Sandstrand. Es heißt, er sei der schönste der Bernsteinküste. Unterhalb der Überreste der Grube Anna liegt eine große „Galeere“, auf der sich ein Ausflugslokal und Bars befinden. Überfüllte Parkplätze und ein buntes Treiben am Wasser zeugen von der Beliebtheit des Ortes. Strandbars und Strohschirme vermitteln Mittelmeer-Flair.

Während Palmnicken schon teilweise touristisch erschlossen ist, steht Neukuhren noch Großes bevor. Geplant ist der Bau einer weiteren Mole und ein Jachthafen für Luxusboote. Um das Interesse der Reichen und Schönen zu erwecken, will man die Liegeplatze günstiger vermieten als in St. Tropez.

Mitten im Wald auf der Steilküste ist ein Gelände für den Bau einer Präsidentenresidenz mit Blick aufs Meer vorbereitet worden. Ex-Präsident Putin hatte sie in Auftrag gegeben, doch zur Zeit ruhen die Bauaktivitäten. Im Ort sind viele Baukrähne zu sehen. Noch wirken der Strand und das Steilufer Neukuhrens wie ein unberührtes Stück Natur. Sollte der Badeort tatsächlich eines Tages Touristenmagnet sein, dürfte es mit der Ruhe und dem einzigartigen Blick aus dem Kiefernwäldchen am Steilufer aufs Meer unwiderbringlich vorbei sein.

Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Kraxtepellen-Palmnicken: Wo sich einst die Grube Anna befand, gibt es heute beliebte Badestrände.


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