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01.08.09 / Mutter Teresa von Dresden / Sabine Ball aus Königsberg gab vielen Kindern und Jugendlichen wieder eine Perspektive

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Mutter Teresa von Dresden
Sabine Ball aus Königsberg gab vielen Kindern und Jugendlichen wieder eine Perspektive

Im Juli starb Sabine Ball nach einem Herzinfarkt im Alter von 83 Jahren. Bis zuletzt hat sich die am 9. September 1925 in Königsberg geborene Ostpreußin in Dresden für gesellschaftlich ausgestoßene Kinder und Jugendliche  eingesetzt.

Ihr Leben war von Extremen geprägt: Sie war steinreich und bettelarm, sie stand auf der Sonnenseite des Lebens und wandte sich freiwillig ab, um sich ganz den Benachteiligten und Armen zu widmen. Ihr soziales Engagement trug ihr den Namen „Mutter Teresa von Dresden“ ein: Sabine Ball, geborene Koritke.

Aus einer wohlhabenden Industriellenfamilie stammend, verlor sie im Krieg ihr Königsberger Elternhaus. Sie er- und überlebte die Bombardierung Dresdens, doch die Bilder dieser Tragödie sollte sie nie mehr vergessen. Sie ließen in ihr den Entschluss reifen, dem Elend und der Armut der Nachkriegszeit zu entfliehen. Mit 24 Jahren wanderte sie nach Amerika aus.

Durch eine Anstellung in einem Yachtclub lernte die bildschöne junge Frau den Millionär Clifford Ball kennen. Das sorglose und beschwingte Leben der Reichen reizte sie. Sie heiratete Clifford Ball – und es folgten Jahre des Glanzes und des Luxus. Sabine Ball war eine begehrte und bewunderte Schönheit, lebte in Villen mit Pool, Bar und Palmengarten. Aber immer wieder wurde sie von Sinnfragen gequält. War dies das Leben, welches sie führen wollte? So sagte sie einmal rückblickend über diese Zeit: „Da war immer noch diese Leere in mir.“

Als ihre Ehe in die Brüche ging, suchte sie Wahrheit und Erkenntnis auf psychologischen Seminaren und in der fernöstlichen Religion in einem Kloster am Rande des Himalaja. Über viele Umwege gelangte die Königsbergerin schließlich im Alter von 46 Jahren zum christlichen Glauben. Dort fand sie endlich das Gefühl des Friedens und der Klarheit, nach dem sie sich jahrzehntelang unbewusst und bewusst gesehnt hatte.

Sie, die nach dem Verlust des Königsberger Elternhauses nie mehr einen Ort als Heimat bezeichnet hatte, sagte nach ihrer Bekehrung: „Ich bin zu Hause angekommen.“ Ihre tiefste Sehnsucht war gestillt.

Sie spendete ihr Vermögen für wohltätige Zwecke und widmete sich von nun an ganz dem Dienst an hilfsbedürftigen Menschen. Es zog sie nun nicht mehr zu den Schönen und Reichen, sondern zu den Menschen am Straßenrand. Sie arbeitete als Putzfrau und Haushälterin, kümmerte sich um Straßenkinder und um misshandelte Frauen; sie pflegte Sterbende.

1980 kehrte Sabine Ball nach Deutschland zurück und gelangte über München nach Dresden. Die Dresdener Neustadt mit ihren damals verfallenen Häusern, den trostlosen Graffiti-Sprüchen und okkulten Symbolen schockierte sie tief. Zugleich wusste die damals 68-Jährige aber auch schnell, dass hier ihr Platz ist. Der Trostlosigkeit hatte sie die Hoffnung des christlichen Glaubens entgegenzusetzen.

Mit 1500 Dollar in der Tasche und zwei kleinen Koffern kam die Ostpreußin im Januar 1993 in Dresden an. Ein Café und eine Kleiderkammer waren der Anfang ihrer segensreichen Arbeit in der Dresdner Neustadt: Sabine Ball nahm sich Zeit für die Menschen, die kamen und mit denen andere nichts mehr zu tun haben wollten.

„Wir wollen retten, was andere fortwerfen: alte Möbel, alte Häuser oder – das Wertvollste – Kinder und Jugendliche. Menschen, die andere abgeschrieben haben.“ Mit diesen Worten hat sie immer wieder in der Öffentlichkeit ihre Motivation beschrieben. Aus ihrem eigenen Leben kannte sie Scheitern und Versagen, deshalb konnte sie barmherzig mit anderen sein.

Das, was Anfang der 90er Jahre so klein begonnen hat, stellt sich heute als der Verein „Stoffwechsel e. V.“ (www.stoffwechsel.com) mit rund 100 Mitarbeitern dar. Darunter sind sowohl ehrenamtlich als auch hauptamtlich Tätige, die über Spendengelder finanziert werden. So bleibt der Verein unabhängig von staatlichen Fördergeldern und Richtlinien.

Die Bandbreite der Projektarbeit ist groß und hat sich bereits auf mehrere Dresdener Stadtteile ausgedehnt. Zu den 14 verschiedenen Projektangeboten gehört unter anderem ein Schulprojekt. Mit Hilfe von Schulhofeinsätzen, Besuchstouren und Einladungen werden Schüler mit der biblischen Botschaft in Berührung gebracht. Dass sie wertvoll sind und ihr Leben einen Sinn hat – diese Botschaft können viele schon gar nicht mehr glauben. Dank diesem Einsatz werden zirka 1000 Kinder und Jugendliche wöchentlich erreicht.

Als Sabine Ball nach Dresden zurückkehrte, war es ihr Ziel gewesen, den deutschen Jugendlichen wieder eine Hoffnung zu geben. Viele von ihren „Kindern“ waren unter den rund 1000 Trauergäste, die in der Dresdener Kreuzkirche von ihr Abschied genommen haben. Ihre segensreiche Arbeit und ihr Lebenswerk werden unter der Führung des Stoffwechsel-Leiters Ralf Knauthe weitergeführt. Sie hat ein wertvolles geistliches Vermächtnis hinterlassen: die Hingabe an Gott und den liebevollen Dienst am Nächsten.     Caroline v. Keudell

Foto: Leben voller Höhen und Tiefen: Sabine Ball fand ihre Erfüllung in tätiger Nächstenliebe.   


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