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01.08.09 / Ungewöhnliches Frauenschicksal / Eine Collage über Caroline Schlegel-Schelling ist als Hörbuch erschienen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Ungewöhnliches Frauenschicksal
Eine Collage über Caroline Schlegel-Schelling ist als Hörbuch erschienen

Eine Frau, die sich weigerte, im „Hauptzweck des Weibes“ für sich selbst den Hauptzweck des Lebens zu sehen, und die sich dem Manne ebenbürtig fühlte, war im Deutschland des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts nicht nur ungewöhnlich; eine solche Haltung konnte unter Umständen dazu führen, dass sie moralisch und politisch denunziert wurde. So erging es der verwitweten Caroline Böhmer (2. September 1763 in Götingen, † 7. September 1809 in Maulbronn), die im April 1793 nach ihrer Flucht aus dem französisch besetzten Mainz in den Strudel der politischen Ereignisse geriet. Sie wurde drei Monate auf den Festungen Königstein und Kronberg interniert, da man sie, die Freundin des Revolutionärs Georg Forster, ebenfalls für eine Jakobinerin hielt.

Nach ihrer Freilassung sah sich Caroline Verleumdung und Rufmord ausgesetzt, heiratete 1796 August Wilhelm Schlegel und stand als seine Gattin im Mittelpunkt des Jenaer Romantikerkreises. 1803 wurde ihre Ehe einvernehmlich geschieden und einer ehelichen Verbindung mit Friedrich Schelling stand nichts mehr im Wege. Wegen ihrer charismatischen Persönlichkeit und vielseitigen Talente bewunderten junge Dichter wie Novalis, Tieck und Brentano Caroline Schlegel-Schelling, während Schiller die Muse der Romantiker mit „Ma-dame Lucifer“ titulierte.

Die Schriftstellerin und Germanistin Sigrid Damm hat sich bereits als Schülerin für diese polarisierende Frauengestalt interessiert. 1979 erschien eine Auswahl von Briefen Carolines unter ihrer Herausgeberschaft, verbunden mit einem wissenschaftlichen Essay. Seit Mitte der 1980er Jahre veröffentlicht Sigrid Damm belletristische Werke über Gestalten der Weimarer und Jenaer Klassik sowie der Frühromantik und seit langem gilt sie als Spezialistin für einfühlsame, gut recherchierte Romanbiographien. Nun ist sie gleichsam zu den Wurzeln ihres Schaffens zurückgekehrt. Mittels einer Auswahl aus den zahlreich überlieferten Selbstzeugnissen Caroline Schlegel-Schellings, Briefen an Freunde und Verwandte sowie eigenen Texten, die den kulturhistorischen Rahmen erläutern, hat sie eine Collage zusammengestellt und unter dem Titel „Caroline Schlegel-Schelling. Ein Lebensbild“ als Hörbuch herausgebracht. Sprecherinnen sind Gabriela Jaskulla als Leserin der Briefe und Sigrid Damm, die ihre Texte vorträgt. Caroline habe unter widrigen Bedingungen, von ihr selbst als „höchst interessante Zeitläufte“ bezeichnet, die Kunst zu leben ausgeübt, meint Damm. Vor dem Hintergrund der französischen Revolution habe sie sich selbst verwirklicht. Während sich das Bürgertum, erschrocken über die kriegerischen Ereignisse, die von Frankreich her nach Deutschland hereinbrachen, ins Private zurück-zog, suchten die Dichter und Schriftsteller um Caroline neue Richtlinien der Orientierung, fühlten sich als „Jakobiner der Poesie“. In einer als problematisch empfundenen Zeit wollten sie eine „gesamtgesellschaftliche Utopie ausleben“.

Das Leid durch Diskriminierung, das ihr seit 1794 in Lucka und Gotha zugefügt wurde, war so groß, dass sie an Auswanderung dachte. Schlimmer noch war für Caroline Schlegel-Schelling allerdings, die zur Zeit ihrer politischen Verfemung von einem französischen Besatzungsoffizier schwanger war, der Verlust all ihrer vier Kinder.

Ausdrücklich hatte sich Sigrid Damm die Aufgabe gestellt, ohne Fremdworte zu schreiben, einfach zwar, aber ohne zu vereinfachen, wie sie in dem Interview im Beiheft erklärt: „Leichtigkeit der Sprache; Schwere durfte nur aus dem Lebensschicksal der beschriebenen Gestalt kommen.“ Man spürt, sie steht der Protagonistin nicht fern, obwohl sie sich eigener Bewertungen enthält und nur manchmal ihre eigene Sicht auf die Personen und Ereignisse in ihren Kommentaren durchscheinen lässt.

Sigrid Damm wäre indes gut beraten gewesen, ihren Part der Lesung einer erfahrenen Sprecherin zu überlassen: Das persönliche Zurücktreten der Autorin wird in ungünstiger Weise unterstrichen durch den kaum modulierten, nachgerade monotonen  Tonfall ihres Vortrags. Zur willkommenen Abwechslung für den Hörer geraten dabei die Lesungen der Briefe Carolines. Doch wurde seitens der Regie offenbar ein allzu starker Kontrast zwischen den beiden Frauenstimmen vermieden. Für ihre wohlüberlegte Briefauswahl und die spannenden Schilderungen der „Zeitläufte“ ist der Autorin und Moderatorin dieser Collage hingegen ein hohes Lob zu zollen. Dagmar Jestrzemski

Sigrid Damm: „Caroline Schlegel-Schelling. Ein Lebensbild“. Hörbuch, 3 CDs, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009, 24,95 Euro


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