29.03.2024

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01.08.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Im bösen Blick / Warum das alles kein Zufall mehr sein kann, wer bei der SPD eigentlich das Sagen hat,  und wie aus Grippe Geld wird
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Das kann doch alles nicht wahr sein! Sollte dies nicht die Woche der Wende werden? Der große Schritt aus dem kalten, düst’ren Umfragental hinaus ins strahlende Licht der Siegerstraße? Frank-Walter Steinmeier hatte alle seine Bauernschläue zusammengenommen und einen gerissenen Plan gefasst, um endlich zur Attacke blasen zu können.

Perfekt: Die Journaille ist sommerlochbedingt von Nachrichtenarmut geplagt. Sie würde sich gierig auf das „Kompetenzteam“ des SPD-Kandidaten stürzen und tagelang über jeden einzelnen Kopf berichten. Der Kanzlerin ist der Blick aufs Berliner Geschehen durch die Alpen verstellt, sie urlaubt in Südtirol. So hätte die ihm kaum in die Quere kommen können.

Alles war bereit, der Außenminister zupfte sich bereits die Krawatte zurecht, um eine bedeutungsvolle Rede zu halten, da rannten auf einmal alle raus um sich mit Frau Schmidt über den Unterschied von „legal“ und „gerechtfertigt“ zu unterhalten. Ob Steinmeier Lieblingsschimpfwörter hat? Er wird sie bestimmt alle mehr als einmal ausgestoßen haben in dem Moment.

Was für Mächte sind da am Werk? Hätte sich die unglaubliche Pechsträhne, welche die SPD seit Monaten durchläuft, vor 500 Jahren zugetragen, wäre die Frau Merkel in ernster Gefahr. Den Sozialdemokraten wäre es ein Leichtes gewesen glaubhaft zu machen, dass sie Opfer des bösen Blicks geworden seien und dass die Kanzlerin mit dem Schwefligen im Bunde sein müsse. Irgendwann ist ja mal Schluss mit „Zufall“, irgendwann stinkt’s nach System, nach Ranküne.

Sind die Verschwörungsfreunde eigentlich schon auf die Idee gekommen, dass Innenminister Schäuble den Dienstwagen durch seine geheimen Dienstleute vom BND hat klauen lassen? Ist nur so ein Gedanke, aber einer, der sich in den Schluchten des Internets herrlich weiterspinnen ließe. Ohne den Diebstahl wäre Ulla Schmidts schlecht getarnter Urlaubstrip ja nie aufgeflogen. Sie hätte da Termine gehabt, sagt sie. Immer das Gleiche: Wer auf Staatskosten in Urlaub will, der puzzelt ein oder zwei Alibi-Termine in seine Reise ein und schon ist alles „rechtlich nicht zu beanstanden“. Hier war es dieser Rentnerabend in Weißnichtwo und ein Besuch bei der Bürgermeisterin des 40000-Seelen-Ortes Denia, die nach eigenem Bekunden gar nichts wusste von der prominenten Visite aus Berlin (klar, die spielt natürlich mit: Señora Kringe Sánchez ist Mitglied der konservativen Volkspartei). Dennoch: Von Urlaub zu sprechen, das weist Ministerin Schmidt energisch zurück. Witzig, dass diese einschlägigen „Arbeitsbesuche“ stets in behaglichen Badeorten oder ähnlichem enden und nie in einer schäbigen Industriegegend am Rande einer verstopften Millionenstadt.

Die Opposition hat die Schmidt nun durch die ganze Woche gescheucht, begleitet vom hämischen Lächeln des missgünstigen Koalitionspartners. Auch die Fotoredakteure haben ganze Arbeit geleistet. Plötzlich schien es nur noch Bilder zu geben, die Ulla Schmidt im Auto zeigen. Steinmeier konnte sein „Kompetenzteam“ gleich wieder einpacken.

Was soll’s, es ist sowieso nur eine Frage der Zeit, bis Steinis Schattenkabinett im Getriebe des kreuz und quer ratternden SPD-Partei-Apparats geschreddert wird. Selbst Eingeweihte tun sich schwer bei der Frage, wer da eigentlich das Sagen hat. Zwischen der Parteizentrale unter Franz Müntefering und dem Stab um Kanzlerkandidat Steinmeier herrsche eine bedrückende Stille, heißt es. Man hat sich offenbar nicht allzu viel zu sagen, ergo wurstelt jede Seite vor sich hin. Statt einem koordinierten Kampagnenplan zu folgen, würgt man hin und wieder eine Parole heraus, die nicht selten den eigenen Genossen quer in die Parade fährt.

Koordinieren müsste das eigentlich der Generalsekretär. Doch wo ist Hubertus Heil eigentlich? Mit dem redet in der SPD-Führung niemand mehr, in seiner Einsamkeit hat er sich, wir berichteten, an das Kindermädchen Frau Saalfrank gewendet, um gemeinsam Kindergärten zu überfallen. Er hätte genauso gut auch in Urlaub fahren können. Niemand hätte ihn vermisst bis zum Frustsaufen am Wahlabend.

Für Angela Merkel wäre es sogar angeraten, ruhig länger in ihrem transalpinen Refugium zu verweilen. Die Sozis zerlegen sich  sowieso selber, da sollte man nicht stören. Doch das hat die kluge Strategin auch nicht vor. 2005 steckt ihr noch in den Knochen. Damals hatte sie im Wahlkampf inhaltlich Farbe bekannt, und dann eine andere, und dann noch eine. Ziemlich verwaschene Soße zum Schluss. Das soll ihr nicht wieder passieren, deshalb ist die Kanzlerin diesmal sowas von „Mitte“, dass wirklich gar keine Position mehr herausguckt, weder nach rechts noch nach links noch nach oben noch nach unten, alles ist mittelste Mitte, wie das Schwarze Loch im Zentrum des Universums, die Stelle, wo es am dunkelsten ist.

In dem galaktischen Schlund fühlt sie sich pudelwohl und absolut sicher, weshalb sie vorbeifliegende Diskussionsfetzen einfach ignoriert, während andere hastig aufspringen und sich die Knie aufschlagen. So könnte es, ginge es nach der Kanzlerin, ruhig bis zu den Wahlen weitergehen. Es wäre der gemütlichste Wahlkampf, den je ein CDU-Chef genießen durfte.

Danach wird es weniger gemütlich. Nicht allein, dass dann eine Reihe von überaus bitteren Wahrheiten aus den Schleiern der verklungenen Wahlkampflyrik herausplatzt. Auch personalpolitisch warten Probleme auf Angela Merkel.

Das komplizierteste heißt Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Wirtschaftsminister hat die Kanzlerin in der Beliebtheit überholt. Für die machtbewusste Regierungschefin heißt das: Der Kerl muss demnächst ordentlich gestutzt werden, so oder so. Zumal sich da ein Trend abzeichnet, der für Merkel alles andere als verheißungsvoll erscheint: Werden die Deutschen des wolkigen Mitte-Geschwafels, das die Kanzlerin so meisterlich beherrscht, überdrüssig? Wünschen sie sich die kantigen Geradeaus-Redner zurück? Auf Platz drei der Beliebtheitsskala folgt immerhin gleich Finanzminister Peer Steinbrück, dessen schnörkelloses Rabaukentum beim Volk als frischer Wind angekommen ist.

Wenn es kommt, wie es sich derzeit abzeichnet, landet der Steinbrück jedoch in der Opposition. Das böte Merkel die Chance, Guttenberg an seine Stelle zu setzen. Als Finanzminister mit den ka­tastrophalsten Budgetdaten, die je ein Amtsinhaber geerbt hat, kann der sich nur unbeliebt machen. Das sollte also klappen. Und falls nicht? Was, wenn der Mann sogar auf dem Posten seine Popularität noch steigert? Dann muss Angela Merkel andere Saiten aufziehen gegen die Bedrohung ihrer Machtstellung, die ihr bekanntermaßen über alles geht. Man könnte den jugendlichen Minister ja beispielsweise in seinem Dienstwagen ...

Na, warten wir’s ab. Das nächste Sommerloch kommt gewiss. Und nicht nur Politiker wissen, wie man das Loch sinnvoll füllen kann. Die Schweinegrippe wurde bisweilen in einer Weise angekündigt, als handele es sich um sowas wie den Schwarzen Tod. Warum so dramatisch? Das klärt sich gerade, denn langsam schälen sich die interessanten Nebenaspekte der gut geölten Kampagne heraus. Womöglich müsse man wegen der immensen Zusatzkosten (geredet wird von 500 Millionen Euro), welche die „Pandemie“ verursache, demnächst die Kassenbeiträge erhöhen, verlautet von den Krankenversicherern.

Aha, darum geht es. Es gab mal Zeiten, da hat man uns für höhere Tabaksteuern mehr innere Sicherheit und für mehr Mineralölsteuern eine sichere Rente versprochen. Damals hatten die Leute Angst vor Terrorattacken und Altersarmut und waren entsprechend zahlungswillig. Jetzt treibt sie die Furcht vor der Schweinegrippe. Da sollte man rasch zugreifen, solange die Angst hält.


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