© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Zwischen Zwang und Zusammenhalt

Sie ist jung, sie ist schön und vor allem ist sie gut ausgebildet − die 22-jährige Siri begeistert ihren potenziellen neuen Arbeitgeber. Freudig nimmt sie den angebotenen Arbeitsplatz an, ist er doch unbefristet, höherwertig und besser bezahlt als ihre jetzige Stelle. Doch wenige Tage später erfolgt die Absage. Nein, ihr Mann und ihre Eltern möchten nicht, dass sie 70 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt arbeitet. Umziehen käme nicht infrage, so die Familie, und dies obwohl ihr Mann beruflich nicht gebunden, sprich arbeitslos ist.

Siri ist Türkin. Zwar ist sie in Deutschland geboren und aufgewachsen, doch obwohl sie 22 Jahre alt ist, bestimmt ihre Familie. Natürlich ist sie mit einem Türken verheiratet und das schon seit zwei Jahren. Inwieweit ihre Ehe aus freien Stücken geschlossen wurde, ist von außen schwer zu beurteilen, denn selbst gut ausgebildete türkischstämmige Frauen und Männer mucken selten auf, wenn ihre Eltern ihnen einen Ehepartner „nahelegen“. Widerspruch bedeute, die innerfamiliäre Harmonie zu gefährden. Mancher, der rebellierte, musste erfahren, dass ein Familienurlaub in der Türkei nicht die Harmonie wieder herstellte, sondern nur Vorwand war, um dort zwangsverheiratet zu werden. Diplomatische und konsularische EU-Auslandsvertretungen in der Türkei haben hier bereits mehrfach Hilfe leisten müssen.

Deutsche Behörden mahnen „Sensibilität für kulturelle Unterschiede“ an, doch wo endet der traditionelle Familienzusammenhalt und beginnt der gesetzeswidrige Zwang? Nimmt Siri nur

Rücksicht auf die Wünsche ihrer Familie oder wird sie gezwungen? Derartige Fragen muss sich auch die „Mehrheitsgesellschaft“, wie es auf Behördendeutsch so schön heißt, offen stellen.       Bel