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08.08.09 / Russki-Deutsch (29): Sarafan

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Russki-Deutsch (29):
Sarafan
von Wolf Oschlies

Wetten dass – neun von zehn Deutschen den Ausdruck „roter Sarafan“ schon einmal gehört haben und ihn als russisch einordnen können. So heißt ein Lied, das Nikolaj Ziganow (Text) und Aleksander Warlamov (Melodie) vor fast 200 Jahren schufen und das seither weltweit eines der bekanntesten russischen Lieder ist. Der elegische Text ist ein Dialog zwischen Mutter und Tochter über Lust und Leid des Frauenlebens, die sich im prachtvollen Kleidungsstück eines Sarafan versinnbildlichen.

Prachtvoll war der (sprachlich türkisch-persische) „Sarafan“ immer, weiblich ist er erst seit neuerer Zeit. Im Altrussischen bezeichnete er ein Festgewand für Männer, in der Form wie ein „Kaftan“, nur eben aufwendiger und glanzvoller. Der Sarafan besteht aus einem Hemd, das an Ärmeln und Ausschnitt prachtvoll verziert war, und einem Oberkleid, welches bei Männern als Prachttalar ausfiel: Gewissermaßen altrömische Tunica und Toga in russisch-ornamentaler Farbenpracht.

Erotischen Pfiff brachten die Frauen ein, als sie um 1800 den Sarafan eroberten und ihn so trugen, dass er weibliche Rundungen betonte. Das Geheimnis war der Gurt, der unter den Brüsten angelegt wurde und die wallende Kleidung bildhauerisch anordnete: Bildschöne Büste auf aufstrebendem Sockel. Wer meint, so etwas könne nicht sexy aussehen, hätte 2007 in Denver beim „Festival Russian Sarafan“ dabei sein müssen: Russinnen sind meist keine umwerfenden Schönheiten, wissen aber, sich zurecht zu machen – am besten mit einem Sarafan!

Und zwar unabhängig von der Jahreszeit. Nicht einmal ein russischer Winter konnte früher Sarafan-Charme vertreiben. Die leichteren Sommerversionen wurden gegen schicke Pelz- und Brokatkreationen ausgewechselt, die so warm wirkten, dass sie von Russen „duschegrejka“ (Seelenwärmer) genannt wurden.

Sowjet-Ärmlichkeit und postsowjetisches Neurussentum haben die Sarafanpracht fast versiegen lassen, aber die Wende zeichnet sich ab. Russische Modedesigner haben ihn wieder entdeckt, von überflüssigem Schnickschnack befreit − unterschiedliche Stilisierung für junge oder alte, ledige oder verheiratete Frauen – und so ein sehr russisches, geschmackvolles Kleidungsstück kreiert.


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