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08.08.09 / Das Wunder des Hauses Brandenburg / In der Schlacht bei Kunersdorf erlitt Friedrich II. eine schlimme Niederlage, aber der Preußenkönig triumphierte trotzdem

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Das Wunder des Hauses Brandenburg
In der Schlacht bei Kunersdorf erlitt Friedrich II. eine schlimme Niederlage, aber der Preußenkönig triumphierte trotzdem

In der Schlacht bei Kunersdorf erlitt Friedrich der Große seine schlimmste Niederlage. Der Verzicht des Kriegsgegners, seinen Sieg kriegsentscheidend auszunutzen, ließ den Preußenkönig vom „Wunder des Hauses Brandenburg“ sprechen. Diese unerwartete Schwäche der miteinander verbündeten Russen und Österreicher gab dem Preußen die Zuversicht, dass dieser Gegner ihn nie würde besiegen können.

Am 12. August 1759 trafen 49900 Preußen und 79000 vereinigte Russen und Österreicher auf dem rechten Oderufer bei Kunersdorf gegenüber Frankfurt aufeinander. Die Preußen waren zunächst siegreich und eroberten die russischen Stellungen bis hinter den so genannten Kuhgrund. Ab 17.30 Uhr wendete sich das Schlachtenglück, denn die überlegenen Kräfte der Russen und Österreicher wehrten einen letzten Angriff der Preußen ab, drängten diese zurück und brachten den tapferen, aber erschöpften preußischen Soldaten, die ihre Patronen teilweise schon verschossen hatten, so verheerende Verluste bei, dass alle Regimenter ihr Heil in der Flucht suchten. Die Verluste waren auf Seiten der Russen und Österreicher schlimm – auf preußischer Seite waren sie katastrophal. Die Russen verloren 14181 Mann, davon 566 Offiziere, die Österreicher 2331 Mann, davon 116 Offiziere, und die Preußen 18063 Mann, davon 564 Offiziere sowie 172 Geschütze. Die Ereignisse nach der Schlacht zerfallen in drei Phasen, die einer korrekten Darstellung und neuen Interpretation bedürfen.

Noch am Abend des 12. August hatten sich auf dem rechten Oder­ufer bei der Pontonbrücke gegenüber von Ötscher 12000 preußische Soldaten versammelt, weil der König dem Generalmajor von Fleming noch während des Zurückflutens der eigenen Truppen den Befehl zugeschickt hatte, nur Verwundete auf das linke Oder-Ufer durchzulassen. Außerdem zeigte sich der König den verzweifelten Soldaten, lobte einzelne Regimenter und verteilte Geldgeschenke. Damit die preußischen Truppen nicht auf dem rechten Oderufer unkontrolliert weit nach Norden flüchteten, war auf den Höhen bei Bischofssee eine Art Auffanglinie gebildet worden, entlang derer sich die Verbände sammeln konnten. Sie wurden dann durch Offiziere geordnet und neu formiert. Selbst wenn die Russen und Österreicher hätten folgen wollen, was nur der österreichische Befehlshaber Gideon Ernst v. Laudon befürwortete, dessen Truppen nicht so gravierende Verluste wie die Russen erlitten hatten, wären sie wegen der einsetzenden Dunkelheit nicht weit gekommen. Am nächsten Morgen gingen die Reste der preußischen Armee über die Oder.

Die drei Tage nach der Schlacht bilden die zweite Phase. Sie sind durch zwei Aspekte gekennzeichnet. Zum einen sah der König eine Nacht lang die Situation als verloren an. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1759 schrieb er in einem Brief an den Minister Finckenstein in Berlin, er „wollte den Untergang“ seines „Staates nicht überleben“. Am 13. August übergab er den Oberbefehl seines Heeres an den Generalleutnant von Finck und erteilte Order,

dass die Armee auf seinen Nachfolger, seinen Neffen Friedrich Wilhelm, schwören solle. Das war der absolute Tiefpunkt in der Seelenverfassung des Königs. Von einer Abdankung, die in einigen Publikationen erwähnt wird, ist in den Quellen der Politischen Korrespondenz nichts zu finden. Friedrich der Große handelte auch sich selbst gegenüber nach dem Prinzip: alles oder nichts. Wenn die Russen und Österreicher jetzt mit vereinten Kräften auf dem linken Oderufer angegriffen hätten, wäre Preußen tatsächlich verloren gewesen. Es ist aber müßig darüber zu spekulieren, ob der König dann von eigener Hand aus dem Leben geschieden wäre.

Bereits am Abend des 13. August hatten sich in dem Lager links der Oder zwischen 12000 und 18000 Soldaten eingefunden und waren formiert worden. In der Nacht vom 13. zum 14. August hatte sich Friedrich in das Schloss Reitwein zurückgezogen. Er überwand seine Krise aus eigener Kraft und gab bereits am 14. Instruktionen zur weiteren Verteidigung. Am 16. übernahm er wieder den Oberbefehl.

Es begann die dritte Phase. Die zwei Wochen bis zum 1. September waren gekennzeichnet durch die Wiederherstellung der Schlagkraft der preußischen Armee und die Aufrüstung durch Kanonen aus Berlin und eine hinreichende Menge von Patronen. Am 24. August standen 34000 Preußen ordentlich ausgerüstet in einem Lager bei Fürstenwalde. Der russische Oberbefehlshaber Peter Graf Szaltikow, der die eigenen Verluste vor Augen hatte, griff weiterhin nicht an. Friedrich kommentierte am 1. September gegenüber seinem Bruder Heinrich lakonisch: „Ich verkündige Ihnen das Wunder des Hauses Brandenburg: In der Zeit, in der der Feind die Oder überschritten hatte und mit dem Wagnis einer zweiten Schlacht den Krieg hätte beenden können, ist er von Mühlrose nach Lieberose marschiert.“

Das neue Buch von Eduard Kessel „Das Ende des Siebenjährigen Krieges 1760–1763“, Paderborn 2007, zeigt, welche Ressourcen Preußen auch in den letzten Jahren des Siebenjährigen Krieges noch hatte. Nach den drei von den preußischen Waffen nacheinander verlorenen Schlachten bei Hochkirch (14. Oktober 1758), Kay (23. Juli 1759 durch Generalleutnant Karl Heinrich v. Wedel) und Kunersdorf hätte der Feind triumphieren müssen. Er verpasste den endgültigen Sieg. Die literarische Formulierung Friedrich des Großen vom 1. September zeigt seine feste Zuversicht, dass dieser Gegner ihn nie würde besiegen können.         Jürgen Ziechmann

Foto: „Friedrich läuft Gefahr, bei Frankfurt oder Kunersdorf von Kosaken gefangen zu werden“: Kolorierter Kupferstich von Peter Haas (1754–1813) nach einer Zeichnung von Bernd Rode (1725–1797)


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