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08.08.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es geschieht immer wieder, dass meine – nicht ostpreußischen Begleiter – den Kopf schütteln, wenn ich mich auf einem Heimattreffen lange und herzlich mit den andern Teilnehmern unterhalte, die ich nie zuvor gesehen habe. So wird dann zwangsläufig die Frage gestellt: „Kennt Ihr Euch?“, worauf unsererseits ein Kopfschütteln erfolgt. Ich wage dann manchmal zu behaupten: „Wenn zwei Ostpreußen sich treffen, haben sie nach fünf Minuten Plachandern schon mindestens einen gemeinsamen Bekannten, nach weiteren zehn Minuten sind es bereits fünf und nach einer halben Stunde sind sie auch noch verwandt.“ Das ist natürlich leicht übertrieben, aber wirklich nur leicht, denn niemand außer uns kann verstehen, was das Bindeglied „Heimat Ostpreußen“ bewirken kann. Ich habe es wieder einmal zu spüren bekommen. Nicht bei einer persönlichen Begegnung, sondern als ich das Buch von George Turner „Die Heimat nehmen wir mit“ aufschlug, das mir der Verfasser übersandte, weil er eine Frage hatte, die mit seiner Ahnenforschung zusammenhängt. Er ahnte nicht, dass er mich dabei an den Wurzeln gepackt hatte, denn der Untertitel „Ein Beitrag zur Auswanderung Salzburger Protestanten im Jahr 1732, ihrer Ansiedlung in Ostpreußen und der Vertreibung 1944/45“ weckte sofort die Alarmglocken in mir. Denn ich bin mütterlicherseits – fast lupenreiner – Salzburger Abstammung und kann dank der Familienforschung meines Vetters Georg Reinecker unsere Ahnen bis zu jenem Rupert verfolgen, der aus Goldegg bei Schwarzach nach Preußen zog, um an der östlichsten Grenze im Kreis Stallupönen die ostpreußische Linie Reinecker zu begründen. Dies zur Erklärung, warum ich sofort das Buch in die Hand nahm. Ich war sehr angetan von der Art, wie der Autor anhand der Geschichte seiner Familie vor klar gezeichnetem historischem Hintergrund die Historie der 15000 Salzburger Emigranten behandelt, von denen allein 12000 in das durch Pest und Tatareneinfälle „wüst“ gewordene Preußen kamen – und deren Nachkommen nun, wie einst ihre Vorfahren, aus ihrer ostpreußischen Heimat vertrieben wurden. So schlägt der Autor – Universitätsprofessor, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Berliner Senator – einen Bogen über die Jahrhunderte und beweist mit der Einfügung der unterschiedlichsten Schicksalsberichte aus seinem Familienbereich, dass immer ein Neubeginn möglich ist, wenn man „die Heimat mitnehmen kann“. (Das Buch von George Turner „Die Heimat nehmen wir mit“, Berliner Wissenschafts-Verlag, wurde in Folge 4 der PAZ rezensiert).

Wie sagte ich doch zu Beginn meiner Kolumne? „… nach einer halben Stunde sind wir auch noch verwandt!“ Es dauerte noch nicht einmal so lange, bis ich auf den Namen „Wiemer“ in der Ahnenliste von Herrn Turners mütterlicher Linie Hofer stieß. Es ist der Mädchenname seiner Urgroßmutter – und der meiner Ururgroßmutter. Und auch weitere Familiennamen tauchen auf, bei denen eine verwandtschaftliche Beziehung möglich wäre, wie Flötenmeyer oder Mett – na ja, die Ehen unserer Altvordern waren mit Kindern reich gesegnet. Aber soviel steht fest: Sie stammen alle aus der gemeinsamen Urheimat, dem Salzburgischen. Und damit komme ich zu dem eigentlichen Anlass, den Professor Turner bewog, sich an mich zu wenden: Es geht um die väterliche Linie Turner, über die er nur wenig Angaben hat. Während die Familiengeschichte der Hofers bis zum letzten Winkel ausgeleuchtet ist – sogar die Zugroute der Exulanten im achten Trupp der Angesessenen, zu dem der Urahn Martin Hofer gehörte, ist vom Verlassen des Erzstifts Salzburg bis zur Ankunft in Königsberg am 6. Ok­tober 1732 etappenweise aufgelistet! –, klaffen in dieser Familiengeschichte große Lücken. George Turners Mutter Martha Hofer war in erster Ehe mit dem Besitzer des Gutes Doblentschen, Albert Turner, verheiratet. Kurz nach der Geburt ihres Sohnes George 1935 wurde die Ehe geschieden, der Vater fiel 1944. Zweifellos stammt die Familie aus Salzburg. Es ist anzunehmen, dass eine Verbindung zu David Turner besteht, der von Oberpichl. Ger. Radstadt – Algnberg nach Preußen auswanderte und in Kötschen ansässig wurde. Angeblich soll die Exulantenfamilie sieben Söhne gehabt haben, eine entsprechende Eintragung ist jedoch nirgends zu finden. Aber David und seine Frau Margarete geborene Kendlpacher hatten nachweisbar sieben Kinder, darunter fünf Söhne, einer von ihnen dürfte zu George Turners Vorfahren zählen, da sein Vater wie auch Großvater Otto Turner in Kötschen geboren wurde. Eine exakte Feststellung der Abstammung war wegen lückenhafter Kirchenbücher und anderer Annalen bisher nicht möglich, obgleich der Name Turner mehrfach auftritt. Mündliche Überlieferungen gibt es nicht, außer einem Halbbruder sind keine Verwandten ausfindig zu machen. Es wäre nun für George Turner wichtig zu erfahren, ob es noch Nachkommen von ostpreußischen Familien dieses Namens gibt, ob und welche Unterlagen über deren Abstammung vorhanden sind und auf welchen Quellen diese beruhen. (Prof. George Turner, Kurfürstendamm 213 in 10719 Berlin, Telefon 030 / 8812836, Fax 030 / 8812277. E-Mail: George.Turner@t-online.de)

Und eine ganz besondere Erinnerung hat dieses Buch in mir geweckt, und auch sie führt zurück nach Salzburg, in einen wundervollen Sommer in den späten 30er Jahren. George Turner bezieht in seine Familiengeschichte auch die Dichterin Agnes Miegel mit ein – ihre Mutter war ja eine geborene Hofer. Ihre Ahnen wie die des Autors stammen vom Oberhof in Filzmoos. Agnes Miegels Vorfahr, der nach Preußen zog, war Johann Hofer, der Bruder von George Turners Ahnherrn Martin Hofer. In der fünften Generation dieses Hofer-Zweiges, der in der Niederung eine neue Heimstatt fand, wurde eine Tochter Helene geboren: die Mutter von Agnes Miegel. Die Dichterin und ich haben viel über unsere Salzburger Vorfahren gesprochen. Und nun kommt das nie vergessene Erlebnis, das sich in Schwarz­ach abspielt. Ich hatte Goldegg aufgesucht, wo meine Vorfahren herstammen, und stehe an der Fahrstraße, als ein großes Auto plötzlich bremst. Eine Frauenhand winkt mir zu, und ich höre meinen Namen. Es war Agnes Miegel, die – zusammen mit ihrer Freundin Alma Rogge – ebenfalls die Heimat ihrer Vorväter aufsuchte. Da standen wir nun zusammen an jener Stelle, wo ihre und meine Vorfahren einst als Exulanten ausgezogen waren. Und nahmen das Bild dieser wundervollen Landschaft in uns auf, wie Agnes Miegel in ihrem Gedicht „Meinen Salzburger Vorfahren“ schreibt: „So wie’s in singender Brüder Zug der Ahne sah zum letzten Mal!“ Am Oberhof erinnert eine Gedenktafel an die Dichterin und ihre mütterlichen Vorfahren, die in dem Buch abgebildet ist.

Sollte ich heute zu sehr auf meine persönlichen Empfindungen eingegangen sein, so sehen Sie es mir bitte nach. Wenn man eine so lange Lebensspanne aufweisen kann und die in ihr gespeicherten Erlebnisse noch voll abrufen kann, wenn man dazu täglich mit Fragen und Wünschen zu tun hat, die mit diesen zu verbinden sind, dann wird man eben zur Chronistin und will die Erkenntnisse weitergeben. Als ich einmal in einem Seminar gefragt wurde, warum ich in meinem hohen Alter noch immer so viel schreibe und vortrage, habe ich erklärt, dass ich mich glücklich schätze und dankbar dafür bin, dass ich mein durch Erleben bereichertes Wissen über meine Heimat Ostpreußen in diese Arbeit mit einbringen kann. Und das werde ich, auf die Seminararbeit bezogen, auch am letzten Septemberwochenende in Bad Pyrmont tun, wenn im Ostheim das diesjährige Geschichtsseminar der Landsmannschaft Ostpreußen stattfindet.

Jetzt kann unsere Familie auch etwas zu dem Thema „Hindenburg“ beitragen, denn wir bekamen ein Foto übersandt, das wahrscheinlich aus einem privaten Album stammt. Frau Christel Behrend aus Hamburg meint, es könnte was für unser Archiv sein, aber wir wollen es unsern Lesern nicht vorenthalten, denn es könnte für einige interessant sein. Es zeigt Hindenburg mit dem König Aman Ullah von Afghanistan bei einem Staatsbesuch in Deutschland im Jahre 1928. Zwei Jahre zuvor hatte der Emir das Land am Hindukusch nach blutigen Kämpfen gegen die Engländer und errungener Unabhängigkeit zum Königreich gemacht und selber den Thron bestiegen. Seine Untertanen waren mit den Reformen des Königs nicht einverstanden und vertrieben ihn ein Jahr später aus dem Land. Damals stand also König Aman Ullah auf der Höhe seines erstrittenen Erfolges. Da das Foto wohl nicht von einem Reporter aufgenommen ist, wirft sich die Frage auf, ob hier persönliche Gründe eine Rolle mitspielen. Vielleicht sollte es eine Erinnerung für den Hauptmann Koldemann sein, der auf dem Bild links zu sehen ist, dann hätte das Foto vielleicht für dessen Familie einen gewissen Wert. Ein Staatsbesuch mit Ehrengarde war schon ein Ereignis. Wo der Empfang stattfand, ist nicht vermerkt, mit Sicherheit in Berlin. Übrigens hat dieses kleine Bild auch Erinnerungen an einen Hindenburg-Besuch in Königsberg geweckt. Damals durfte meine ältere Schwester Anny ihm als weiß gekleidete Ehrenjungfrau einen Blumenstrauß überreichen. Er sagte sehr freundlich: „Danke, mein Kind“, und strich ihr über den blonden Kopf. Das ging in die Annalen unserer Familiengeschichte ein. Leider ohne Foto.

Ein erfreulicher Brief erreichte uns aus dem US-amerikanischen Texas. Dort lebt die Familie Pomper Gilliland, und Christina und Bill Gilliband bedanken sich für eine paar gute Ratschläge für eine geplante Ostpreußenreise, die sie in diesem Jahr machen wollten. Die ich aber nicht allein erteilte, und deshalb muss ich den Dank weiterreichen, in dem ich diesen wörtlich wiedergebe: „Seit einiger Zeit habe ich das Ostpreußenblatt gelesen, fand aufgrund Ihrer Empfehlungen Frank Schneevogt in Berlin und Oleg Popov in Cranz/Königs­berg, der mich wiederum auf Klaus Lunau aufmerksam machte, und somit fand ich vieles wie erwartet. Es war ein herrlicher Urlaub. Von Anfang Januar 1945 bis Anfang Juni 2009 ist eine lange Zeit, ich hatte jedoch Cranz in bester Erinnerung. Ich danke allen vielmals für die Ratschläge meiner Ostpreußenreise.“ Herzliche Grüße nach Texas!

Eure Ruth Geede

Foto: Afghanischer Staatsbesuch in Berlin 1928: Hauptmann Koldemann, Reichspräsident v. Hindenburg und König Aman Ullah beim Abschreiten einer Ehrenformation der Reichswehr


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