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08.08.09 / Nahaufnahmen / Fünf Episoden aus dem Ersten Weltkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Nahaufnahmen
Fünf Episoden aus dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigte die Kriegsschuldfrage jahrzehntelang die deutsche Öffentlichkeit. Die Siegermächte hatten indes ihre eindeutige Stellungnahme dazu im Versailler Vertrag fixiert. Trotz umfassender internationaler Forschungen zur „Urkatastrophe Europas“, wie der Erste Weltkrieg häufig bezeichnet worden ist, gibt es hierüber bis heute keine Einigkeit. Inwieweit das Handeln einzelner Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt die Ereignisse der Jahre 1914 bis 1918 richtunggebend beeinflusst hat, etwa im Sinne einer Beschleunigung oder Entfesselung, kann ebenfalls nicht abschließend bewertet werden. Dennoch haben es die Historiker Verena Moritz und Hannes Leidinger unternommen, derartige kleinste Einheiten der Geschichte des Ersten Weltkriegs unter diesem Aspekt detailliert zu untersuchen. „Die Nacht des Kirpitschnikow – Eine andere Geschichte des Ersten Weltkriegs“ heißt ihr aus fünf „Momenten“ zusammengestelltes Buch, das teilweise auf bisher unbekanntem Archivmaterial beruht. Ihre Ergebnisse präsentieren Moritz und Leidinger in einem journalistisch geprägten Stil, der zwischen Bericht und Erzählung angesiedelt ist und manchmal in einen Plauderton übergeht.

Der Auftakt fällt allerdings ein wenig weitschweifig aus; es werden Probleme der Geschichtsschreibung erörtert und wissenschaftliche Kontroversen über das Kriegsgeschehen dargelegt. Der Erste Weltkrieg mit seinen 17 Millionen Toten sei als langfristiges Phänomen mit fatalen Kettenreaktionen einzuordnen, deren Auswirkungen noch bis in die Gegenwart hineinreichten. Es folgen die fünf „Nahaufnahmen“ in chronologischer Aneinanderreihung, beginnend mit dem Auftrag des k. u. k. Diplomaten Alexander Graf Hoyos am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Dieser reiste am 4. Juli 1914, eine Woche nach der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand, von Wien nach Berlin, um die Zustimmung Kaiser Wilhelms II. für den Fall einer Kriegserklärung der österreichisch-ungarischen Regierung an Serbien zu erwirken.

Das Kapitel „Die Stunde, in der wir den Weltkrieg verloren“ befasst sich mit der Marneschlacht im September 1914. Mit dem Untertitel „‚Das Wunder an der Marne‘“ bringt Hannes Leidinger die französische Sicht auf das Kräftemessen an der Westfront ein.

Auf einen russischen Unteroffizier namens Timofej Kirpitschnikow, der während der russischen Februarrevolution von 1917 in Erscheinung trat, bezieht sich der Buchtitel. Sein Handeln ist in Solschenizyns Revolutionsroman „Das Rote Rad“ verewigt worden.

Mit Leo Trotzki und dem Zwischenfall von Tscheljabinsk im Mai 1918 sowie mit dem Kieler Matrosenaufstand im November 1918 befassen sich die beiden letzten Kapitel. Die Forscher beziehen sich jeweils auf eine Fülle von zeitgenössischen Stimmen und weisen auf weitreichende Zusammenhänge hin, verzichten aber auf eigene Thesen.

Dagmar Jestrzemski

Verena Moritz und Hannes Leidinger: „Die Nacht des Kirpitschnikow – Eine andere Geschichte des Ersten Weltkriegs“, dtv, München, broschiert, 317 Seiten, 12,90 Euro


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