29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.08.09 / Beginn eines modernen Kolonialismus / Ausländische Staaten und private Investoren kaufen im großen Stil Land in Afrika und Asien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Beginn eines modernen Kolonialismus
Ausländische Staaten und private Investoren kaufen im großen Stil Land in Afrika und Asien

Während früher die Herrscher Afrikas und Asiens von fremden Mächten bezwungen wurden, verkaufen sie jetzt Teile ihres Grund und Bodens freiwillig.

Erst waren es vor allem Länder wie China und Saudi-Arabien, jetzt folgen ihnen Banken und Hedgefonds – vor allem aus den USA. Doch während die Regierungen der Staaten in erster Linie die Versorgung ihrer Bevölkerung mit Lebensmitteln sichern wollen, geht es letzteren um Rendite. Das Objekt ihrer aller Begierde ist Erde, saftige, ertragreiche Erde, ideal für die Landwirtschaft. Hier sollen im großen Stil Reis, Mais und Weizen angebaut werden, um den Hunger einer wachsenden Bevölkerung zu stillen. Vor allem die privatwirtschaftlichen Investoren entdecken offenbar nach der milliarden-schweren Pleite durch komplexe Finanzprodukte nun die guten, alten Sachwerte wieder.

Die Länder, die diesen begehrten Boden anbieten, sind beispielsweise Äthiopien, Kongo, Sudan oder Pakistan. Dass diese Länder vor allem durch die Armut ihrer weitgehend hungernden Bevölkerung von sich reden machen, erscheint nur auf den ersten Blick als Widerspruch. Da die Landwirtschaft in diesen Ländern äußerst rückständig ist, liegen auch die Hektar-Erträge bei unter einem Zehntel des europäischen Durchschnitts. Die meisten jener Staaten, die den landhungrigen Regierungen und Landwirtschaftsfonds zig-tausende Hektar anbieten, hoffen, dass die Käufer beziehungsweise Pächter die marode Landwirtschaft modernisieren. Technik, Kapital, Wissen, Saatgut, Dünger, all das soll nun in ihr Land strömen. „Da die Staaten in Afrika miteinander um Investoren konkurrieren, unterbieten sie sich gegenseitig in ihren Forderungen. Sie schreiben Investoren keine Auflagen vor, um sie nicht abzuschrecken“, beschreibt der Uno-Beauftrage für das Recht auf Nahrung, Olivier Schutter, die aktuellen Entwicklungen. Daher möchte er nicht von Neokolonialismus sprechen, da die Staaten Teile ihres Grund und Bodens ja freiwillig in fremde Hand geben.

Dabei sind die Motive durchaus unterschiedlich. In einigen afrikanischen Ländern sind es korrupte Staatschef, die keinerlei Interesse daran haben, ihrer Bevölkerung zu dienen. Der Vertreibung der Kleinbauern von ihrem seit Generationen bewirtschafteten Land stehen sie absolut gleichgültig gegenüber. Sie sehen nur das Geld, dass der Käufer beziehungsweise Pächter zahlt. Und wenn dieser das Land für eine Rendite von 20 Prozent − damit wird zum Teil gerechnet − auslaugt, dann ist ihnen das auch herzlich egal. Da in Afrika, je nach Staat, nur zwei bis zehn Prozent der Kleinbauern über formale Besitz- und Pachttitel verfügen, können diese sich gegen ihre Vertreibung auch nicht wehren. Und selbst wenn sie die Titel besitzen, so fehlt doch das Geld für eine Rechtsvertretung.

Allerdings gibt es auch stabile Regierungen, die durchaus davon überzeugt sind, im Interesse ihrer Bevölkerung Land an ausländische Investoren zu vergeben. Sie erhoffen sich moderne Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, setzen darauf, dass die Geldgeber auch die angekündigten Schulen und Straßen bauen, die dann den Einheimischen nutzen. Doch bis jetzt haben sich jene Wünsche eher selten erfüllt. Anfangs werden zwar noch Tagelöhner eingestellt, um beispielsweise Land zu roden, doch häufig werden sie dann von Maschinen ersetzt, die die wenigsten bedienen können. Auch wird die produzierte Nahrung häufig direkt außer Landes gebracht, so dass die hungernde Bevölkerung nichts davon hat. Und selbst wenn die Lebensmittel auf den heimischen Märkten angeboten werden würden, so wären sie doch viel zu teuer für die nun arbeitslosen, ehemaligen Kleinbauern.

3600 Hektar fruchtbarstes Land für 12000 Dollar Pacht im Jahr, so sehen die offiziellen, lachhaft niedrigen Preise aus, die ausländische Investoren in Kenia zu zahlen haben. Wie viel Geld eventuell bis zur Vertragsunterzeichnung noch in irgendwelche Taschen geflossen ist, ist nicht bekannt. Genauso wenig wie die Menge des an fremde Staaten und private Investoren verkauften oder verpachteten Landes. Die meisten Verträge werden nach schlechten Erfahrungen mit dagegen protestierenden Einheimischen wie zum Beispiel in Madagaskar oder Pakistan Anfang des Jahres geheim gehalten, daher kann die Uno nur Schätzungen abgeben. Sie geht von 15 bis 20 Millionen Hektar aus, die seit 2005 gehandelt wurden. Das entspricht in etwa einem Fünftel der europäischen Ackerflächen.

Und nicht nur Hunger, auch Durst ist Folge dieser Entwicklung. Denn wer Nahrung exportiert, der exportiert auch Wasser. Daher kauft Riad Land im Ausland auf. In den 90er Jahren war Saudi-Arabien noch sechstgrößter Weizenexporteuer, doch nachdem man sich bewusst wurde, wie viel Wasser der Anbau von Lebensmitteln verschlingt, begann ein Umdenken. Auch Ägypten handelt ähnlich und pachtete nun für 99 Jahre Land im Südsudan, wo bereits jetzt 5,6 Millionen Menschen von Nahrungsmittelhilfen abhängig sind. Befürchtete Hungerrevolten hoffen die Käufer und Pächter mit hohen, elektrischen Zäunen abwehren zu können. Pakistan, wo laut „Kuwait News Agency“ aufgrund von Landverkäufen 25000 Bauerndörfer umgesiedelt werden sollen, verspricht den Käufern aus Kuwait und Saudi-Arabien sogar, 100000 Sicherheitskräfte zum Schutz der Felder abzustellen.      Rebecca Bellano

Foto: Begehrtes Land: Zehntausenden Kleinbauern in Afrika und Asien drohen Vertreibung und Hunger.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren