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15.08.09 / Ausgesaugt und zurückgelassen / Reederei Hapag-Lloyd am Abgrund − Jahrelang von Tui geschröpft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Ausgesaugt und zurückgelassen
Reederei Hapag-Lloyd am Abgrund − Jahrelang von Tui geschröpft

Deutschlands größte Linien-Reederei Hapag-Lloyd steht am Abgrund. Das Hamburger Schifffahrtsunternehmen benötigt eine Staatsbürgschaft über eine Milliarde Euro, um an dringend benötigte Kredite zu gelangen, verlautet es aus Hamburg.

Wie bei anderen Konzernen, die derzeit besonders in Bedrängnis sind, ist bei Hapag-Lloyd die Wirtschaftskrise nur der Auslöser, nicht aber die ausschließliche Ursache für die Schieflage. Andere große Reedereien nutzten die sehr guten Jahre seit 2003, um Rücklagen für schlechtere Tage aufzubauen. So können die Konkurrenten der deutschen Linie die laufenden Verluste wegstecken.

Nicht so die Hamburger, denn ihre Gewinne wurden über die Jahre vom Mutterkonzern Tui abgezogen. Mehr noch: Bei der Wiederausgliederung der Reederei aus der Tui Ende 2008 wurden ihr noch 1,3 Milliarden Euro Schulden des Touristik-Unternehmens aufgehalst, die jetzt in der Krise doppelt drücken.

Doch auch mit seinen neuen Herren scheint Hapag-Lloyd nicht nur Glück zu haben. Vergangenes Jahr hatte sich Tui von knapp 57 Prozent der Anteile an der Reederei getrennt. Um den Verkauf an eine ausländische Reederei zu verhindern, schlossen sich die Stadt Hamburg, der Spediteur Klaus-Michael Kühne (Kühne & Nagel), die Versicherer Iduna und Hansemerkur sowie die HSH Nordbank und die Bank M. M. Warburg zum Konsortium „Albert Ballin“ zusammen und übernahmen die Anteile. Als der Handel im Herbst 2008 perfekt war, wurde Kühne an der Elbe als patriotischer Held gefeiert, der den Verlust der größten deutschen Linienreederei an das Ausland verhindert habe.

Nun sorgt ausgerechnet Kühne für Verdruss. In Pressekonferenzen schimpft er auf das Management der Reederei und nimmt insbesondere die Tui aufs Korn. Dass der Reisekonzern der Reederei nicht gerade genutzt hat, als er noch Mehrheitseigner war, wird kaum bestritten. Dennoch wundern sich Beobachter über Kühnes Attacken. Tui sei schuld, dass Hapag-Lloyd von der Hand in den Mund leben müsse, schimpft der Manager. Kritiker halten dem entgegen, Kühne sei doch über die prekäre Lage der Reederei von Beginn an informiert gewesen. Nun aber schade Kühnes Streitlust Hapag-Lloyd. Die Vermutung wurde laut, dass er nur einen Grund zum Ausstieg suche.

Bis Ende des Jahres wird Hapag-Lloyd einen Verlust von rund 700 Millionen Euro angehäuft haben, schätzen Experten. Über eine Staatsbürgschaft von einer Milliarde und eine Kapitalerhöhung von 750 Millionen soll das Überleben gesichert werden. Sollte beides jedoch scheitern, könnten bei dem traditionsreichen Unternehmen schnell die Lichter ausgehen.

Die einsetzende Erholung des Seehandels käme für die Hamburger dann zu spät. Branchenkenner melden, dass die Zahl der stillgelegten Schiffe nicht mehr steige. Da ständig neue Schiffe (bestellt in den guten Tagen) vom Stapel laufen, heißt das, dass wieder mehr unterwegs sind. Der Warenumschlag erholt sich langsam, das globale Minus im Seehandel könnte Ende 2009 spürbar gesunken sein.         Hans Heckel


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